"Wer ist da?"

Gehilfen der Kommunikation Es gab eine Zeit, da hatte ich die Nummer von Marko A. Der Typ hieß Marko Anders oder Arschloch, jedenfalls ist er längst vergessen. Wahrscheinlich ...

Es gab eine Zeit, da hatte ich die Nummer von Marko A. Der Typ hieß Marko Anders oder Arschloch, jedenfalls ist er längst vergessen. Wahrscheinlich singt er auf Kreuzfahrtschiffen. Es gab aber eine Zeit, da war er sehr berühmt. Er hatte sich von null auf hundert in die Herzen der Frauen gepopt, und in dieser Zeit klingelte mein Telefon Sturm. Es waren - bis auf einmal, mitten in der Nacht, als ein schüchterner Junge anrief - ausnahmslos Frauen, die, wenn sie sich genügend Mut angesoffen hatten, zum Hörer griffen, um mir ins Ohr zu schreien, dass sie mich lieben.
Nachdem ich die Verwechslung begriff, versuchte ich, zu erklären ... "Du bist so geil!" Ich kam nicht zu Wort. Ich versuchte, zu ignorieren. "Wir lieben dich!" Ich versuchte, den beschwipsten Damen aus Uelzen, Soltau, Regensburg und Limbach-Oberfrohna begreiflich zu machen, dass sie zwar trickreich eine Nummer rausgekriegt hatten, aber leider die falsche ... "Ich will ein Kind von dir!" Ich versuchte ... "Wahnsinn!" Es ging nicht. Ich machte mich auf, die Nummer des fettigen Soft-Rappers auszukundschaften, aber natürlich hatte er die längst gesperrt. Ich kontaktierte andere Marko A-s in Berlin. Sie litten ebenso. Ich sprach eine frauenfeindliche Massage aufs Band. Da hätte ich auch Katzen mit Baldrian vertreiben können. Mein Anrufbeantworter quoll über von weiblichem Lustgeschrei. Man schrie sich heiser. Man hielt den Hörer ans Radio, wenn mein Titel kam. Ich will nicht wissen, was noch geschah. Es war eine heiße Zeit.
Und plötzlich war Schluss. Von einem Tag auf den andern. Der Typ war out. Ich war wieder ich. Marko A. aus Berlin, ohne Hit, ohne Fans, ohne Massage. Das ist fast zehn Jahre her. Und jetzt das! Jetzt bin ich die fuck-you-hotline. Nein, es stimmt nicht. Ich bin sie nicht ganz. Aber das hilft nichts. Irgendein Ich-kreisch-dir-die Ohren-voll-Gute-Laune-Sender Berlins hat eine Nummer eingerichtet, wo debile Hörer anderen debilen Hörern sagen können: fuck you! Das "fuck" Geschrei der Hörer wird zugepiepst, anstandshalber, trotzdem heißt die heiße Leitung fuck-you-Hotline und wird auch vom Sender als solche angekündigt. Ich kenne diese Nummer nicht, aber meine muss ähnlich sein. Und wenn die erregten Hörer erst einmal außer Rand und Band sind und "fuck you!" schreien wollen, kennen sie keine Gnade. Natürlich vertippen sie sich, denn die Grundschule, die sie mit achtzehn verließen, ist schon zwei Jahre her. Dann wird die Wahlwiederholung gedrückt. Muss doch gehen, verdammt! "Ja, bitte?" "Fuck you!" "Wie bitte?" "Fuck you!" "Marko hier, wer ist da?" "Fuck you! Fuck you!" Danke für das Gespräch.

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