Werden die Malediven zum Atlantis des 21. Jahr­hunderts, Herr Simonis?

Nachgefragt Die gerade vorlegte Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung geht von einer schnelleren Erderwärmung aus als zunächst gedacht. ...

Die gerade vorlegte Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung geht von einer schnelleren Erderwärmung aus als zunächst gedacht. Warum?
Der Weltklimarat IPCC hatte bei seinen Expertisen das Jahr 2004 als statistische Basis, so dass es eine Aktualisierung der Daten geben musste. Auch weiß man inzwischen mehr über die Aufnahmekapazität der Ozeane und die Wirkung der Aerosole, der in der Luft befindlichen Schadpartikel. Alles in allem bleiben die Aussagen der Potsdamer Klimaforscher zwar im Rahmen der vom IPCC projizierten 1,1 bis 6,4 Grad Celsius Erderwärmung für dieses Jahrhundert, doch die niedrigste Variante wird nunmehr unwahrscheinlich.

Weshalb? Greifen die bisher getroffenen klimapolitischen Maßnahmen nicht?
Nein, was bisher läuft, ist völlig unzureichend. Man sollte sich jetzt mehr auf den Zeitraum konzentrieren, in dem die Treib-hausgase reduziert werden müssen. Das Maximum der globalen Emissionen muss irgendwo zwischen 2015 und 2020 erreicht werden. Dann muss es nach unten gehen. Dieses Ziel erscheint in hohem Maße gefährdet.

Wächst die Gefahr, dass wegen des steigenden Meeresspiegels die Malediven zum Atlantis des 21. Jahrhunderts werden?
Wir hatten bisher relativ unsichere Angaben über die Schmelze des grönländischen sowie des antarktischen Eisschildes. Die neue Studie aus Potsdam trifft genauere Aussagen über diesen so genannten Kipppunkt des Eisschilds. Aussagen, denen sich entnehmen lässt: Es geht schneller als angenommen. Der IPCC prognostizierte einen um bis zu 59 Zentimeter steigenden Meeresspiegel. Bei 59 Zentimetern wird es für die Malediven ernst, aber noch nicht dramatisch. Dramatisch wird es, wenn von 1,25 Meter ausgegangen werden muss wie in der Potsdamer Studie.

Haben Sie den Eindruck, dass die Mentalität der politisch Verantwortlichen in den Industriestaaten auf der Höhe solcher Herausforderungen ist?
Ja, aber in völlig unerwarteter Weise. Wenn ich höre, dass unsere Regierung jetzt ernsthaft 500 Milliarden Euro für die Rettung der Banken bereitstellt, frage ich mich: Wo ist eine vergleichbare Verantwortung, wenn es um das Klima geht? Wir stabilisieren den Finanzkapitalismus, aber die lebenserhaltenden ökologischen Systeme geraten in den Hintergrund. Und bei dem, was gerade geschieht, bleibt die Frage, wer zahlt die Rechnung? Es sind nicht nur wir Steuerzahler - es ist auch die Natur.

Das Gespräch führte Lutz Herden

Udo Ernst Simonis ist Professor für Umweltpolitik, Berater von UN-Gremien und Herausgeber des Jahrbuchs Ökologie.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden