Manijeh Hekmat, 45 Jahre alt, gehört zu den engagiertesten Regisseurinnen Irans. Ihr jüngster Film heißt Drei Frauen und war bislang nur auf der Berlinale zu sehen. Er beginnt mit dem Klingeln eines Handys und einem Blick aus der Vogelperspektive auf die mit Autos verstopften Straßen Teherans. Dann schwenkt die Kamera auf das besorgte Gesicht der Hauptfigur Mino (Niki Karimi). Sie ist mit ihrer Mutter in einem lilafarbenen Nissan unterwegs zum Arzt. Beim zweiten Handy-Gespräch erfährt man von dem zweiten Problem Minos: Ihre Tochter Pegah (Pegah Ahangarani), eine Kunststudentin, ist spurlos verschwunden. Mino hat das Ausmaß des zweiten Problems noch nicht begriffen, da taucht die dritte Schwierigkeit auf: Ein antiker und wertvoller Teppich, den sie restauriert hat, wird gerade von einem vermögenden Iraner ins Ausland geschmuggelt. Das will Mino um jeden Preis verhindern.
FREITAG: Sie haben in Ihrem Film auf die junge Generation gesetzt. Da ist Pegah, die auf der Suche nach ihrer Identität ist und nicht weiß, wie sie ihre Zukunft gestalten soll. Babak, ein selbsternannter Archäologe, tritt im Gegensatz zu Pegah selbstbewusst auf und verkauft sich als Hüter des kulturellen Erbes Irans. Die Vorgeschichten der Mutter und der Großmutter sind dagegen weniger präsent. Warum? MANIJEH HEKMAT: Ich sehe die ältere Generation in Iran allein und von allen verlassen. Sie muss ihre Last selbst tragen. Keiner hilft ihr.
Womit könnte man ihr helfen? Mit einem historischen Gedächtnis, damit man nicht immer wieder dieselben Fehler macht.
Die Fehler, die Ihre Generation während der Revolution 1979 gemacht hat? Meine Generation ist idealistisch und übernimmt die Verantwortung. Sie hat nicht nur 40 oder 50, sondern 1.000 Jahre gelebt. Sie hat einen achtjährigen Krieg erlebt, an einer Revolution mitgewirkt und unzählige Sanktionen bis jetzt ausgehalten.
In Ihrem Film zeigen Sie, dass diese Generation ein gestörtes Verhältnis zur jüngeren Generation hat. Weil sie nicht in der Lage ist, mit dieser Generation eine gesunde Beziehung aufzubauen. Sie will ihre eigenen Ideale der jüngeren Generation aufzwingen. Sie kann nicht wahrnehmen, dass sich die Welt geändert hat und dass die junge Generation ihren Weg suchen und finden kann, zweifelsohne mit viel Mühe. Das ist das Problem unserer Generation, dass sie nicht aus der Vergangenheit lernt. Die junge Generation Irans, zu der ich großes Vertrauen habe, ist gleichzeitig Irans Zukunft. Viele schenken ihr kein Vertrauen. Ich bin überzeugt, dass diese Generation genau weiß, was sie macht. Sie hat ihren Weg gefunden. Sie sitzt zwar in einem Schiff, das dabei ist, ein stürmisches Meer zu überqueren, weiß aber ganz genau, wie sie das Land erreichen kann. Auf jeden Fall ist die Ausprägung der Kultur, die ich in meinem Film durch den Teppich symbolisiert habe, Aufgabe dieser Generation.
Warum haben Sie dieser Generation Ihren Film auf dem Fadjr-Festival nicht zeigen wollen? Sie hatten sich geweigert, an dem Festival teilzunehmen, das in Teheran fast parallel zur Berlinale stattfand? Ich wollte einfach nicht an einem ungerechten Wettbewerb beteiligt sein. In einem offenen Brief habe ich mich bei meinem Team entschuldigt, weil seine hervorragende Arbeit durch meine Entscheidung nicht gesehen werden konnte. Ich habe aus Protest gegen Zensur und gegen ungleiche Bedingungen für die unabhängigen Filmschaffenden in Iran auf eine Teilnahme verzichtet. Ich und meine Gesinnungsgenossen sind seit Jahren der Willkür von Zensur und - von der Regierung verursacht - ungleichen Bedingungen ausgesetzt. Den regimetreuen Filmemachern stellt man alles zur Verfügung. Mit denen können wir nicht konkurrieren. Deshalb habe ich meinen Film auf dem Fadjr-Festival nicht zeigen wollen.
Sie haben in einem offenen Brief "die schwierigen Umstände" kritisiert, die im Filmbereich herrschen. Wie sehen die aus? Ich habe diesen Brief als Mitglied des Verbandes der Filmemacher Irans unterschrieben. Die Bedingungen für die unabhängigen Filmemacher im Iran sind unerträglich und umständlich: Die Künstler sind der Verachtung, Erniedrigung und Zensur ausgesetzt. Wir sind es gewöhnt, unter schrecklichen Bedingungen zu arbeiten. Das aber, was heute in Iran passiert, ist einmalig und unvergleichbar. Es wird vorausgesetzt, dass Zensur ein Bestandteil der Filmproduktion ist. Und wenn man dagegen protestiert, heißt es, dass man den Zionisten und den Kapitalisten dienen würde, dass man von ihnen Geld für seine Dienste bekomme. Da will keiner glauben, dass wir nur um unser Land besorgt sind.
Gibt es Beispiele dafür? Die zum Fadjr-Festival eingereichten Filme wurden das erste Mal von einem Kontrollgremium zensiert, bevor sie liefen. Das heißt, dass ein Gremium die Filme angeschaut und nach seinen Zensurkriterien - und nicht aus der ästhetischen oder cineastischen Sicht - aussortiert hat. Bei manchen Filmen wurde angeordnet, dass Szenen herausgeschnitten werden müssen. Manche Regisseure haben diese "Kontrolle" zugelassen, dann durften ihre Filme gezeigt werden. Manche haben ihre Filme zurückgenommen. Dieser Ausschuss nennt sich das "Auswahlgremium". Da frage ich mich: Warum veranstalten die überhaupt ein Festival? Ich habe eine andere Vorstellung von einem Filmfestival.
Ist das Verfahren vom Minister für Kultur und Islamische Aufklärung und Ex-Revolutionsgardist Hossein Safar-Harandi vorgesehen? Die Verantwortlichen haben diese Bestimmungen in den Zeitungen veröffentlicht, als das Programm des Festivals zusammengestellt wurde. Das war keine interne Vorschrift. Ich glaube, dass der Kultusminister selbst wahrscheinlich machtlos ist. Ich kenne ihn persönlich nicht. Es gibt Leute, die mit dem Filmgeschäft in Iran eigentlich nichts zu tun haben, aber Anweisungen geben dürfen, über die Regeln bestimmen und uns drohen. Sie gehören dem Regierungsapparat und nicht dem offiziellen Filmgeschäft Irans an. Ein Mitglied des Zensurgremiums, Jamal Chordjeh (ein regimetreuer Regisseur, Anm. d. R.), hat uns in einer Proklamation als Anhänger der Zionisten bezeichnet. Da wird behauptet, dass wir die Regierung Ahmadinedschads schwächen wollten. Woher nimmt er sich das Recht, uns so was zu unterstellen? Wir interessieren uns dafür nicht. Wir sind Cineasten und wollen lediglich in unserem Land Filme machen. Diese Proklamation hat gezeigt, dass die Verantwortlichen machtlos sind, dass die Regierungsanhänger sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Wir sind sehr interessiert zu wissen, wer das ist.
Ihr nächstes Filmprojekt? Ich muss mich zuerst um meine Drei Frauen kümmern!
Das Gespräch führte und übersetzte aus dem Persischen Fahimeh Farsaie
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.