(Zu)gerichtete Quote

Quotenregelung Ein Mann klagt gegen das Frauenförderungsgesetz, weil er sich in einem Bewerbungsverfahren diskriminiert fühlt. Nun geht der Streit vor das Bundesverfassungsgericht
Ausgabe 45/2015

Es könne nicht rechtens sein, dass "der einzelne Mann (...) die Nachteile kompensieren müsse, die Frauen allgemein (...) in der Vergangenheit hätten hinnehmen müssen“, wiederholte das Oberverwaltungsgericht Münster in vertrauter Stammtisch-Einfalt sein Urteil vom 15. Juni '89 und verwies das NRW-Frauenförderungsgesetz für den öffentlichen Dienst wegen seiner Quotenregelung vergangene Woche an das Karlsruher Bundesverfassungsgericht.

Der seltene Fall war eingetreten, dass einem Mann bei der Bewerbung um eine Stelle die Konkurrentin vorgezogen wurde. Dass die Bevorzugung der Frau mit dem Hinweis auf ihr Geschlecht erfolgte, gab dem um sein männliches Gewohnheitsrecht Geprellten die Handhabe, den Gleichheitsgrundsatz für seine Zwecke zu missbrauchen. Und da das OVG aus 81 Männern und sechs Frauen besteht, wusste er sich gut aufgehoben.

Ohne die Quotenregelung wäre die „Diskriminierung“ ebenso wenig beweisbar gewesen wie bei den Millionen Frauen, die tagtäglich um „die Hälfte der Welt“ betrogen werden. Ein unsichtbarer Vorgang, der den Vertretern des herrschenden Geschlechts nicht auffällt, weil zwar das Ergebnis statistisch messbar ist, nicht aber das sexistische Ausleseverfahren.

Die Quote deckt auf, dass es keine gleichberechtigte Konkurrenz zwischen den Geschlechtern gibt, und dass die Dominanz der Männer durch strukturelle Gewalt erzwungen wird. Das ist unangenehm, das will keiner wissen. Noch weniger will sich einer die Konsequenzen für das eigene Fortkommen vorstellen, sollte die Quote einmal wirklich greifen. Denn die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes kann gar nichts anderes bedeuten als die Kompensation der von den Frauen erlittenen „Nachteilen“ durch die Summe einzelner Männer.

Das gesagt, darf nicht unerwähnt bleiben, dass das NRW-Frauenförderungsgesetz ein lahmes Instrument ist, gegen Männerbastionen anzukämpfen. Das Kriterium „gleiche Qualifikation“ gilt als geschlechtsneutral. Personalchefs – in der Regel männlich – werden sie in ihrem Sinne zu bewerten wissen.

Manche meinen, man brauche dem NRW-Gesetz keine Träne nachzuweinen, sollte Karlsruhe sich ähnlich „interessengeleitet“ (Heide Pfarr) entscheiden wie Münster. Vielleicht würde das SPD, Grüne und PDS dazu verleiten, über ein Antidiskriminierungsgesetz mit mehr Biss nachzudenken.

Dieser Text erschien am 9. November 1990 in der ersten Ausgabe des Freitag

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