Mitten in der Nacht weckte mich meine Frau und schrie: "So! Wegen dir verpasse ich das Flugzeug! Hol ein Taxi, schnell!" Sie hatte ja gestern davon gesprochen, fiel mir ein - sie machten einen Betriebsausflug, in den Hindukusch! Ich warf den Morgenmantel über und rannte los. Ich komme mit dem Taxi an, laufe hoch - die Tür ist zugeschlagen, meine Frau schon weg.
"Meine Tür ist zugefallen, weißt du", sage ich zum Taxifahrer, "da kann ich dir gar nichts geben. Hier" - in meiner Tasche fand sich als einziges der Fahrplan des Vorortzugverkehrs vom vorigen Jahr.
"Na, dann gib ihn mal her", sagt er.
Er steckte den Fahrplan in die Tasche und fuhr los, während ich wieder hochstieg und an meiner Tür rüttelte - will nicht aufgehen, fest zugeschnappt. Ich ging über die Straße zur Feuerwache und weckte den Brandmeister, einen Bekannten von mir.
"Wo denkst du hin", sagt er, "nichts drin! Ausrücken ohne Brand, weißt du, was uns dafür blüht? Ich habe einen anderen Vorschlag für dich: Fang lieber bei uns als Feuerwehrmann an! Eine Montur kriegt man, einen Brandhaken! Der Feuerwehrmann schläft - der Dienst läuft!"
"Eigentlich verlockend", sage ich. "Ich werd´s mir überlegen."
Ich ging zurück in den Hof, nahm eine Wäscheleine ab, stieg die Treppe hinauf und klingelte bei dem Nachbarn über mir.
"Guten Tag!", sage ich. "Ich möchte mich von Ihrem Fenster runterlassen."
"Wozu das?", sagt er.
Ich erzähle ihm die Geschichte.
"Nein", sagt er, "das kann ich nicht zulassen, weil die Leine das nicht aushält, übrigens gehört sie mir."
Er entriss mir die Leine und schloss die Tür. Da ging ich hinunter zum Handwerker.
"Machen wir", sagt er. "Auf die sanfte Art!" Er griff sich sein Werkzeug, und wir gingen los. Lange mühte er sich mit dem Schloss ab, mit einer kleinen Zange. Dann packte er den Vorschlaghammer - und krach! Von der Tür blieben bloß Splitter.
"Erledigt", sagt er. "Auf die sanfte Art! Dass die Tür weg ist - pfeif drauf! Hängst vorläufig eine Decke vor!"
Dass ich in der Nacht nicht schlief, lässt sich denken. Die Unruhe. Ein Gefühl, als hätte ich mein Bett auf den Treppenabsatz rausgestellt.
Sobald ich eindöse, höre ich es knarren! Ich gucke - irgendein Typ ist reingekommen, mit seinem Bündel. "Ach ...", sagt er, als er mich bemerkt. "Man darf wohl nicht?"
"Warum soll man nicht dürfen?", sage ich. "Eine Tür ist hier nicht, siehst du ja!"
Wir kamen ins Gespräch. Tolik Kerossinschtschikow hieß er. 5.000 Kilometer hatte er zu seinem Bruder fahren müssen und gleich am ersten Abend von ihm eins aufs Auge gekriegt. "Aber er hat auch eine gefangen! Klar?" sagt Tolik. Zu ärgerlich, wahrhaftig - 5.000 Kilometer zu fahren, bloß um eins aufs Auge zu kriegen.
"Gefällt mir prima bei dir. Ich leg mich lang?"
"Tu das."
Er streckte sich auf dem Sofa aus, die Schuhe - bums! Ich deckte ihn mit meiner Hemisphärenkarte zu, der Wärme wegen. Die Nachbarin aus der Hundertelf kommt herein.
"Nachbar", sagt sie. "Ich weiß noch, ich habe mir eine Schüssel bei deiner Frau geholt, kann ich nicht eine Pfanne dazu kriegen?"
"Warum sollst du keine Pfanne kriegen?", sage ich. "Setz dich! Nimm dir eine Pfanne, was noch? Vielleicht brauchst du noch was?"
Dann fiel mein Blick durch die fehlende Tür auf ein Pärchen, das frierend auf dem Treppenabsatz stand. "Kommt rein!" sage ich. "Was wollt ihr da frieren?" - "Oh, dürfen wir denn?", sagen sie. "Danke."
Ich brachte sie in das zweite Zimmer und ließ sie allein - seltsamerweise fingen sie da gleich an, Domino zu spielen.
Klatsch! Ich zucke zusammen. Pause, Stille. Wieder - klatsch!
Na, das ist nicht mehr meine Sache, sollen sie machen, was sie wollen. Hereinbitten und dann noch die Verhaltensweise diktieren. Wozu?
Auf der Treppe waren schwere Schritte zu hören. Ein Taucher trat ein, der einen nassen Gummischlauch hinter sich herzog. "Aus!" sagt er dumpf. "Die Pumpe macht schlapp! Schneid mir das Ding ab, schnell!" Ich schnitt den Schlauch ab - sägte ihn mit einem stumpfen Tafelmesser durch. "Huu! Du bist mein Retter in der Not, Bruderherz!" sagt der Taucher.
Dann kam der Handwerker noch einmal vorbei.
"Na, wie ist es ohne Tür", sagt er. "Gewöhnst du dich dran?"
"Na klar!"
"Scheint überhaupt lebhafter bei dir zuzugehen, seit ich deine Tür rausgeschlagen habe."
Da kreuzte ein Verwandter von mir auf, Koka, genannt Coca-Cola.
"Wie lebst du bloß hier?" sagt er.
"Wie denn?"
"Nicht mal eine Tür hast du."
"Eine Tür habe ich nicht, das stimmt."
"Drum hast du auch überhaupt keine Sachen."
"Sachen habe ich keine, stimmt."
"Mach Schluss damit", sagt Koka.
"Womit?"
"Weißt du doch selber", sagt er.
"Bei Gott", sage ich, "ich weiß es nicht."
"Na, wie du meinst!"
Gleich nach ihm stürmte eine zweite Nachbarin, Marja Gorjatschkina, herein und schrie, ihr Mann, Iwan Gorjatschkin, sei in meiner türlosen Wohnung verschollen.
"Geben Sie mir meinen Mann! Ich gehe nicht, bevor ich meinen Mann nicht wieder habe!"
Plötzlich fiel sie über den Taucher her: "Hat sich eine Visage angefressen!" Sie spuckte ihm mitten auf sein Glas und ging.
"Siehst du wohl?", sagt Koka.
"Was soll ich sehen?"
"Hör zu, ich habe da einen Aushang auf der Straße gesehen: Eine Tür wird zum Kauf angeboten, komplett, mit allem Drum und Dran. Lass sie uns kaufen und einsetzen."
"Nein", sage ich. "Irgendwie habe ich keine Lust dazu."
"Ach, was bist du doch willenlos!" sagt Koka.
"Überhaupt nicht willenlos!", sage ich. "Das ist mein Wille!"
"Und was sind das für Typen hier bei dir?"
"Das sind Menschen", sage ich. "Freunde von mir."
Plötzlich schluchzte Tolik Kerossinschtschikow auf. Der Taucher trat zu mir und klopfte mir mit eiserner Hand auf die Schulter. "Das ist nach unserer, nach Taucherart!" sagt er.
"Was hast du nun erreicht?", sagt Koka.
In dem Moment tauchte in der Türöffnung eine von blauem Feuer umloderte Gestalt auf!
"Kommst wohl vom Mars?", sage ich.
"Mhm."
"Wie geht es denn so?", frage ich. Er stimmt ein Klagelied an, dass er auf der Erde friere. Koka sagt zu ihm: "Sie kommen also vom Mars. Konnte man für so etwas wie interplanetare Kontakte denn keinen anderen finden - einen robusten, normalen!" "Eben nicht!", sagt der Marsmensch barsch. "Entschuldigen Sie, warum?", fragt Koka. "Ich komme nicht an die Klingel ran - darum! Genügt Ihnen diese Antwort? Wenn hier nicht offen gewesen wäre, hätte ich auf der Treppe zu Eis erstarren können!"
Wir sitzen im Licht des Marsmenschen und plaudern, als plötzlich meine Frau auf der Bildfläche erscheint (offenbar hat es ihr im Hindukusch nicht gefallen!). "Soo!", sagt sie. "Und wer ist das hier?"
"Ein Marsmensch", sage ich. "Siehst du es denn nicht?"
"Deine Marsmenschen kenne ich!" schreit sie.
"Was soll das", sage ich, "besinne dich!"
"Ich werde mich nicht besinnen", sagt sie, "aus Prinzip! Und wo ist die Tür?"
"Was für eine Tür?"
"Unsere!"
"Aah ... die ist zerfallen."
"Was hat ihr dazu verholfen?"
"Der Handwerker hat ihr dazu verholfen."
"Jetzt reicht´s!", sagt meine Frau.
Sie verließ das Haus, für immer. Aus irgendeinem Grund nahm sie nur das Bügeleisen mit.
"Macht nichts!", sagt Tolik.
"Natürlich macht es nichts", sage ich.
Bald brach der Morgen an. Die Sonne ging auf. Die kleinen Unebenheiten unter den Tapeten warfen lange Schatten. Im Radio begann die Frühgymnastik: "Eins-zwei, eins-zwei ... Aber nicht vorbeugen! ... Ich bitte sehr darum - nicht vorbeugen!"
"Nur ruhig", sage ich. "Es beugt sich ja gar keiner vor."
Ich ging auf einen Sprung hinaus - die Schwiegermutter anrufen, das heißt meine Frau.
Als ich über die Straße zurücklaufe, sehe ich: Die Sonne strahlt schräg übers Haus. Der Verkäufer im Gemüsegeschäft spielt auf der Harmonika. Vor Begeisterung stieß ich mit dem Fuß einen kleinen Stein weg, er prallte gegen den Granit der Bordsteinkante und hinterließ beim Zurückspringen einen weißen Punkt. Bald darauf war meine Frau wieder da. Sie begann demonstrativ Plinsen zu backen, und ich begann sie demonstrativ zu essen. Der Tag verging verhältnismäßig ruhig. Es war schon Abend, als im roten Schein der sinkenden Sonne plötzlich eine Kamelkarawane einzog. Sie stampfte, allmählich kleiner werdend, durchs Zimmer und verschwand in der Ecke.
Übersetzung: Alfred Frank
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