Knecht Ruprecht

RÜCKTRITT Die CDU verschleißt ihren Generalsekretär, ohne ihn in Anspruch genommen zu haben

Das Ende von Ruprecht Polenz war wohl schon in Sicht, als er mit einem kleinen Metallroller durchs Berliner Regierungsviertel schob. Rollernd transportiert man keine politischen Botschaften, und es war auch nicht so richtig klar, was der CDU-Generalsekretär in derart alternativer Fortbewegungsart gegen die Ökosteuer eigentlich sagen wollte. Der einzige, der bei der so genannten K.O.-Steuer (seine Erfindung?) zu Boden ging, war Ruprecht Polenz, der freundliche Unternehmer aus dem Münsterland. Es ist wohl nicht die Zeit für Freundlichkeit und Nachdenklichkeit in der Politik, bei den Christdemokraten, die ihre Heerscharen für den Bundestagswahlkampf 2002 sammeln, schon gar nicht.

Er sei ein Mann, der lieber Brücken baue, meinte Polenz zum Abschied. Speerspitze mochte er nicht sein. Aber Angela Merkel braucht keine Brücken, sondern Brückenköpfe an der Front gegenüber Grünen und SPD. Und für die benötigt man keine Roller, sondern Panzerspitzen. Die glaubt Merkel jetzt in Laurenz Meyer gefunden zu haben, der bis Mai Oppositionsführer im nordrhein-westfälischen Landtag war. Meyer ist ein Apparatschik mit Angriffsgeist. Ein Vereinfacher jener einfachen Botschaften, die eine Partei im Vorwahlkampf, also immer, und außerdem für eine aktive Distanz zur Schwester CSU zu benötigen glaubt.

Somit könnte der Überraschungscoup der CDU-Vorsitzenden ihr einen Moment lang Luft verschafft haben im Marathon gegen Edmund Stoiber, Friedrich Merz und andere Hardliner der Christdemokraten. Jede parteiinterne Personaldiskussion sei damit beendet, erklärte sie. Ein derartiges Diktum ist gewöhnlich der Auftakt zu neuen Personalquerelen. Denn wohin der Lauf der CDU geht, ist nach wie vor ziemlich unklar. Botschaften von der deutschen Leitkultur (Friedrich Merz) oder der restriktiven Einwanderung (vor allem von der CSU) stoßen sich an moderaten Statements von Rita Süssmuth, Heiner Geißler, Norbert Blüm oder Volker Rühe. Solcherlei Stimmengewirr sei eben der Charakter einer Volkspartei, meint Merkel. Aber mit welcher Stimme sie spricht, bleibt nebulös. Erstaunlich, dass eine Volkspartei so wenig Nutzen aus dem Agieren von Rot-Grün zieht. Eine Rentenreform wie die von Walter Riester hätte die FDP nie am Koalitionspartner CDU/CSU vorbeigekriegt. Stattdessen üben sich Merkel Co. in Konsensgymnastik. Polenz ist vor allem die Niederlage seiner Partei in der Steuerreform angelastet worden.

Der zurückgetretene Generalsekretär hat offenbar nicht begriffen, dass man sich erst vors Schienbein tritt, um anschließend dieselbe Politik zu machen. Er hat offensichtlich auch nicht verstanden, dass Entscheidungen zuweilen ganz woanders als im Parlament oder in Regierungsgremien getroffen werden. Soviel Ahnungslosigkeit spricht nicht gegen ihn, sie macht ihn eher sympathisch. Vielleicht ist er einfach in der falschen Partei. Angela Merkel sollte sich jedenfalls vorsichtshalber keinen Roller schenken lassen, sondern die Ochsentour fortsetzen. Billiger ist Politik in diesem, unserem Land nicht zu haben Und besser leider auch nicht.

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