Explodierende Organe? Nein. Doch, ja, auch.

Krassomatisch Weil die Begeisterung irgendwo hin muss, bevor frau platzt.

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Neben mir wippt ein älterer Herr mit dem Fuß, eine noch ältere Dame tanzt exaltiert und leicht esoterisch mit den Armen wedelnd, ein Jugendlicher, sonst nur von Techno beschallt, schwingt die Hüften. Und ich, ich kann mich zwar vor Enge kaum bewegen, aber der noch verbleibende Raum wird genützt.

Es ist eine kleine Kneipe, in der sich sonst die Allgäuer Jugend zum schnellen Pizzaessen trifft, lang schmal, auf einem normalerweise mit Tischen bestückten Podest stehen eine alte Hammond-B3-Orgel, ein Schlagzeug und ein Bass und dahinter 3 junge Männer. Und sie haben Spaß, so wie das Publikum ganz augenscheinlich Spaß hat.

Es ist die Jazznacht innerhalb des Kemptener Jazzfrühlings, an der man/frau für einen einmaligen Obolus 9 verschiedene Bands in neun verschiedenen Kneipen hören, testen kann. Theoretisch wird immer jeweils 45 Minuten gespielt, danach Pause, es besteht die Möglichkeit, das Etablissement und die Band zu wechseln. Tut in dieser Nacht in dieser kleinen Kneipe aber kaum eine/r, weil es besser schier nicht kommen kann. Wer hier ist, bleibt.

Organ Explosion steht auf dem Podest, und entwickelt einen Sound, der sich allen Schubladen entzieht. Sicherlich Jazz, aber auch rockig, Blues, punkig, Techno, Hiphop, Groove, sogar einen selbsternannten Discohit gibt es. Sie titulieren sich selber als „Vintage-Krassomaten“.

Die drei sind seit mehreren Jahren gemeinsam unterwegs, neben Auftritten mit anderen Künstlern/ Projekten. Manfred Mildenberger, der Schlagzeuger, früher einer der Köpfe hinter Ringsgwandl und auch Nick Woodland, ist immer noch Mitglied der Jazz Police. Dazu am Bass Ludwig Klöckner und Hansi Enzensperger (Organ, Keys). Sie lernten sich beim Studium an der Münchner Musikhochschule kennen. Und das muss die reine Freude gewesen sein, so wie sich das anhört, anfühlt und aussieht.

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Foto: Diander, kurzfristig in ruhiger Haltung

In fast ständigem Blickkontakt zueinander variieren sie ihre Songs im Vergleich zu den als CD und Vinyl erhältlichen Vorlagen, improvisieren, experimentieren, sie freuen sich übereinander, über gelungene Soli, lächeln sich zu, geben sich damit die Einsätze. Die pure Freude, die aufs Publikum überschwappt. Und neben der Freude über die Freude kommt die Freude an der atemberaubenden Kunstfertigkeit aller drei. Sie spielen sich so in Fahrt, dass der bis dahin wortkarge Keyboarder Hansi Enzensperger gegen Schluss, am Ende eines Songs, seiner Begeisterung Luft machen muss. Er schnappt sich ein Mikro, er müsse jetzt ausnahmsweise auch mal kurz was sagen, holt Luft und schreit “What the fuck!“ Und das ist die perfekte Beschreibung dieses Abends, wtf!

Die im Netz verfügbaren Videos sind nicht annähernd in der Lage, das WTF des Abends wieder zu geben, nur einen kleinen Einblick (obwohl meist die Kneipenatmosphäre fehlt):

Sneeky

Jamtune

Käse3 (Cheesehigh)

Oder „Undecided Decision

P.S. In Sachen Lobhudelei: Die Autorin ist weder verwandt noch verschwägert mit, sondern schlicht begeistert von Organ Explosion. Und hat keinerlei finanzielle Interessen, aber seit 3 Tagen wabern ihr die Grooves in den Organen.

Die nächsten Konzerte von Organ Explosion

9.5.2015 Lange Nacht der Musik (BR-Lounge Lenbachplatz), München

30.5.2015 Ahrensburg b. Hamburg // Musiknacht

26.6.2015 Stadttheater Schweinfurt

7.8.2015 Ottersberger Sommerkonzerte, Pliening-Ottersberg

9.8.2015 Stadtfest Wertingen

12.9.2015 Incontri, 85296 Rohrbach

16.9.2015 Horns Erben, Leipzig

17.9.2015 Textilmuseum Helmbrechts

18.9.2014 Kiste Stuttgart

25.9.2015 Filzlaus Lippethal

26.9.2015 Verdener Jazz&Blues Tage

2.10.2015 Kulturzentrum Schwabniederhofen, Altenstadt

16.10.2015 NUE JAZZ-Festival, Nürnberg

23.10.2015 Blues- & Jazztage Holzkirchen

Jazzfestivals gibt es mittlerweile zuhauf, große, kleine, dicke, dünne, von Bad Hersfeld über Berlin bis Uchtelfangen (wo immer das liegen mag). Und alljährlich auch in Kempten (wo immer das liegen mag) im Frühling, folgerichtig als Kemptener Jazzfrühling tituliert, als einwöchiger Marathon. Start ist traditionell an einem Samstag, es spielen in der gesamten Innenstadt/Fußgängerzone x Bands, angefangen vom Dixie, Blues bis zum brasilianischen Sambajazz.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Diander

Jeder macht, was er will, keiner macht, was er soll, aber alle machen mit!

Diander

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