Die Diskussion um die Qualität des deutschen Fernsehprogramms lebt von zornig artikulierten Allgemeinplätzen. Tatsächlich lässt sich über die Qualität des Programms stets nur an Beispielen, die zudem systematisch herangezogen sein müssten, sinnvoll streiten. So gibt es beispielsweise in der Politik eine Fülle von Qualitätsverlusten aufzuzeigen. Das Streitgespräch mit Politikern, wie es in den sechziger Jahren Günter Gaus (in seinen Reihen Zur Person und Zu Protokoll) auf der einen Seite sowie Claus-Hinrich Casdorff und Rudolf Rohlinger (Im Kreuzfeuer im Rahmen von Monitor) auf der anderen Seite führten, ist einem psychologisierenden und um Verständnis heischenden Small-Talk gewichen, den erfolgreich Reinhold Beckmann für das Erste Programm entwickelt hat.
Aber das heißt nicht, dass es nicht weiterhin starke Programme gäbe. Man findet sie nur nicht unbedingt in den Zentren der Aufmerksamkeit, also im Hauptabendprogramm, sondern an den Rändern. Beispielsweise im Kinderprogramm von ARD und ZDF. Zwar leiden auch die Redakteure dieser Programmsparte unter dem Quotendruck. Er verschärft sich bei ihnen zusätzlich dadurch, dass die Zahl der Kinder in der Gesamtgesellschaft abgenommen hat. Wer größere Zuschauerzahlen erreichen will, muss also auch Erwachsene für sich gewinnen. Beispiele dafür, wie das intelligent, witzig und amüsant gelingen kann, gibt es zahlreiche, gelegentlich auch bei den privaten Sendern. Um nur eines zu nennen: Spongebob unterhält mit seinen absurden Abenteuern Kinder wie Erwachsene, ob sie die Zeichenserie nun bei Super-RTL oder bei Nick sehen.
Älter noch als Spongebob ist Käpt´n Blaubär. Die von Walter Moers, der zunächst mit dem Kleinen Arschloch bekannt wurde, erfundene und gezeichnete Figur erfreute mit seinem Seemannsgarn ganze Generationen von Kindern und Erwachsenen. 1992 startete die Reihe, bei der Puppen- und Zeichentrick miteinander verbunden werden, zugleich in der Sendung mit der Maus, wo sie bis heute das sonntägliche Angebot für Kinder kurz vor 12 Uhr abschließt, und im seinerzeit frisch etablierten Morgenmagazin der ARD. Die Flunkergeschichten, die der Seebär seinen Enkeln erzählt und in denen Kompagnon Hein Blöd stets eine entscheidende Rolle spielt, leben von den wunderbaren Wendungen und Drehungen dessen, was Kinder und Erwachsene aus ihrer Lebenswelt zu kennen meinen.
Im Lauf der Jahre werden viele den Käpt´n, dem Wolfgang Völz auf unnachahmliche Weise die Stimme leiht, aus den Augen und aus dem Ohr verloren haben. Manche werden vielleicht auch der Figur überdrüssig geworden sein, deren Reiz sich durch Wiederholungen der Serienfolgen, den Blaubär-Club, einen Roman, einen Kinofilm, ein Bühnen-Musical doch leicht aufgebraucht hat. Um so größer die Freude und Überraschung, dass der WDR im Ersten Programm am 16. November ein eigenes Fernseh-Musical mit dem Blaubär, seinen Enkeln und natürlich Hein Blöd gezeigt hat. Titel: Die drei Bärchen und der Blöde Wolf. Geschrieben hat das Musical Walter Moers selbst, der an der Bühnenversion nur indirekt beteiligt war; die Lieder stammen von Thomas Pigor, der für Moers schon den Bonker-Song schrieb, mit dem der Zeichner und Autor den Rummel um den Kinofilm Der Untergang persiflierte.
Die Geschichte verbindet Märchen- und Comicmotive: Im Silberwald leben die Enkel als die drei kleinen Bärchen und proben für ihre Band, die eine Art Heavy Metal spielen. Unter dem infernalischen Lärm ihrer Musik leidet der "blöde Wolf", der naturgemäß von Hein Blöd gegeben wird. Der "blöde Wolf" ist als Pazifist und Vegetarier aus der Art geschlagen, so dass er den Bärchen nicht mit den üblichen wölfischen Mitteln zu Leibe rücken kann. So muss ihm eine sehr in die Breite gegangene Fee helfen, in die sich der Käpt´n mit Hilfe einer bombastischen Perücke verwandelt hat. Jeder der Figuren ist eine bestimmte Musikfarbe zugeordnet, so dass sich Rock, Blues, A-Capella-Gesang und Schlager ebenso wunderbar mischen wie Puppen-, Zeichen- und Stopptrick. Höhepunkt ist der Auftritt eines sprechenden Schweinekopfes namens Karl-Heinz, der sich von seiner Funktion als Tischzierat emanzipiert und der Geschichte mit seinem Song die entscheidende Wende verleiht. Viele Querverweise auf die Popkultur, selbst auf die Medienpädagogik (ein Bruno Bettelbär rät den Bärchen zu Märchen statt zu Metallica!), Grüße an Helge Schneider wie an Figuren von Walt Disney oder aus der Welt des Harry Potter reichern die liebevoll ausgestattete und sorgfältig animierte Welt des Silberwaldes an. Das Sprecherensemble gibt gesanglich sein Bestes, vor allem Edgar Hoppe als Hein Blöd, während Wolfgang Völz als singende Fee dann doch seine Probleme hat, mehr als nur mitzubrummen. Silvester wird das Musical nachmittags im KiKa, also im Kinderkanal von ARD und ZDF, wiederholt.
Wer über Fernsehqualität spricht und Käpt´n Blaubär nicht kennt, sollte zukünftig schweigen.
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