Der Star des Abends

Medientagebuch Er will nur spielen, und das kann er gut oder Die gelungene Moderation aus dem Geist der Popmusik: Der Alleskönnenwoller Stefan Raab beim Eurovision Song Contest

Im Grunde waren die Urteile schon vor der großen Show gefällt. Stefan Raab, das wussten alle, auch der Autor, hat sich in den beiden je von ARD und ProSieben übertragenen Vorentscheidungen zum Eurovision Song Contest mal wieder als ein überambi­tionierter Moderator erwiesen. Sein ­mimisches und gestisches Repertoire ist zu limitiert, sein Witz zu gewöhnungsbedürftig und sein Englisch zu deutsch. Dennoch wollte er neben einer sehr lässigen und souveränen Anke ­Engelke und der zunächst unsicheren ARD-Vertreterin Judith Rakers durch ein stundenlanges Programm führen. Raab wirkte wie ein verzogenes Gör, das auf jedem Kindergeburtstag stets das fetteste Stück Torte bekommen, ­jedes Spiel bestimmen und dieses überlegen gewinnen muss.

Raab hatte 2010 Lena Meyer-Landrut zum Erfolg geführt, also musste sie auf sein Geheiß in diesem Jahr noch einmal antreten. Dafür erfand er einen Fernsehwettbewerb, in dem nicht die Sänger von den Zuschauern ausgewählt werden, sondern der Wettbewerbssong. Selbstverständlich hatte Raab einige der Stücke geschrieben. Und er saß auch in der Jury, die das Publikum bei der Entscheidung zu beeinflussen suchte. Dass am Ende mit Taken by a ­Stranger ein Song gewann, der nicht von Raab kam, ärgerte ihn nicht. Denn nun durfte er die große Showwoche mitmoderieren. Und wurde zum ­Gespött aller Medienprofis. Zunächst.

Denn Raab überraschte zu Beginn des großen Abends alle. Mitten in der Eingangsmoderation ergriff er eine elektrische Gitarre, um mit Anke Engelke und Judith Rakers den Siegertitel des Vorjahrs, Satellite, anzustimmen, den Lena ja nicht singen konnte, da sie sich noch dem Wettbewerb zu stellen hatte. Ehe man sich versah, eilte er zur nächsten Bühne, wo eine klassische Rock-Band stand, mit der er den Song weiterspielte, bis sich ein Vorhang hob, hinter der Raabs Studio-Big-Band Heavytones sichtbar wurde, die mit Verve in das Stück einstieg.

Professionelle Haltung

Wieder wechselte Raab die Position, eilte zur Big Band und nahm den Platz eines zweiten Schlagzeugers ein und hieb sicht- und hörbar synchron mit dem Kollegen an seiner Seite auf die Trommeln ein. Damit nicht genug: 42 Lena-Doubles fanden sich ein, aus deren Mitte am Ende die echte Lena hervortrat und die letzten Zeilen ihres Siegertitels sang.

Ein grandioser Einstieg, temporeich vorgetragen, visuell ausgefeilt, im Gestus ironisch und spielerisch, in der Haltung professionell, zugleich perfekt ­arrangiert und choreografiert. Musi­kalisch konnte es kaum besser werden, und tatsächlich reichte der Mainstream-Pop, der dann kam, an diesen Auftritt nicht heran.

Star des Abends war Stefan Raab, der bewies, dass er der einzige deutsche Fernsehmoderator ist, der nicht vom Wort, also vom Journalismus, dem Kabarett oder dem Theater kommt, sondern mitten aus der Popmusik.

Dietrich Leder ist Professor an der KHM in Köln und hat über Stefan Raab im Freitag zuletzt

aus Anlass von dessen Unfall geschrieben

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