Digital ist neuer

Medientagebuch Fortschritt macht Kasse: Das Abschalten des analogen Fernsehsignals hat nicht nur Vorteile, fördert wie andere Neuerungen zuvor aber den Konsum für die Geräte-Industrie

Dass Ende April das analoge Satellitensignal von Fernsehprogrammen abgeschaltet wird – darauf weisen seit Wochen, ja Monaten Spots und Anzeigen hin. Dieses Datum markiert kein Novum; schon vor Jahren wurde zu regional unterschiedlichen Fristen das terrestrisch, also mit Dachantenne empfangbare analoge Fern­sehsignal abgeschaltet und durch ein digitales des Standards DVB-T ersetzt.

Diese Änderungen resultieren aus der Systemumstellung auf digitale Produktion, Speicherung und Verteilung von Fernsehsignalen, die Mitte der neunziger Jahre einsetzte. Die Digitalisierung ermöglicht die Komprimierung der Daten; durch dieselben Verteilwege kann nun mindestens das Fünffache an relevanter Bild- und Ton-Information transportiert werden. Das zog eine Vervielfachung der Programme nach sich – wer über DVB-T empfängt, kann zwischen mehr Kanälen auswählen als früher mit der analogen Dach- und Zimmerantenne.

Gleiches gilt für die digitalen Angebote, die den Zuschauer per Kabel oder Satellit erreichen. Das führte wiederum dazu, dass die alten Bildstandards des Farbfernsehens von PAL (BRD) und SECAM (DDR) zu einem neuen, digital hochauflösenden aufgerüstet werden konnten. (Das Abenteuer, ein analoges hochauflösendes Fernsehen zu entwickeln, verfolgte eine Zeit lang das Land Nordrhein-Westfalen unter seinem damaligen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und verlor darüber viele Millionen an Subventionsmitteln.)

Liste der Kaufanreize

Das alles klingt löblich und vom Interesse an der Allgemeinheit angetrieben. Tatsächlich ist es aber so, dass viele technische Veränderungen auf dem Fernsehsektor darauf abzielen, neue Kaufimpulse zu setzen oder neue Kaufentscheidungen zu erzwingen. Fernsehgeräte halten viel länger, als es der Industrie lieb ist. Wenn ein Markt einmal gesättigt ist, lassen sich neue Geräte nur durch Innovationen verkaufen. (Neue Kühlschränke werden derzeit mit dem Hinweis ihrer Energieeinsparung beworben, wobei unterschlagen wird, dass es lange dauert, ehe die Energieausgabe, die der Bau des neuen Geräts erforderte, erwirtschaftet ist.)

So kann man die technischen Veränderungen fast in Fünf-Jahres-Schritten angeben, in denen jeweils neue Geräte verkauft wurden. In der Bundesrepublik beginnt diese Konsumgeschichte 1963 mit dem Start des ZDF, das auf einem Band zu empfangen war, das die meisten alten Fernsehgeräte nicht kannten. 1967, Start des Farbfernsehens, das die Besitzer alter Geräte schlechter schauen ließ. Es folgten die Einführung des Stereotons, der kabellosen Fern­bedienung, der Umstellung des Norm­formats von 4:3 auf 16:9, der erwähnte HD-Standard und seit kurzem 3D-TV, also stereoskopisches Fernsehen.

Nicht alle Veränderungen zeitigen allein Vorteile. Die Vervielfachung der Sender hat die Qualität der einzelnen Programme nicht gesteigert. Das Format 16:9 ist nicht für alle Darstellungen besser geeignet als 4:3; zudem sehen Archivproduktionen im neuen Zwangsformat schlecht aus – sei es, dass die Anstalten in das Bild hineinzoomen und es damit um Informationen beschneiden, sei es, dass sie es mit einem grauen Rand ausstrahlen. (Einzige Ausnahme ist die Sendung mit dem Elefanten des WDR, die auf intelligente Weise mit dem Formatwechsel spielt.)

Auch die höhere Auflösung von HD hat durchaus Nachteile, wie der Blick in die Gesichter von Talkshow-Gästen zeigt, die nun besser und stärker geschminkt werden müssen, um etwaige Hautanormalitäten zu überdecken, die man zu PAL- oder SECAM-Zeiten kaum entdeckt hätte.

Dietrich Leder schaut seit der letzten Fußball-WM der Männer hochauflösend

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