Mitunter ertappt man sich vor dem laufenden Fernsehapparat bei der Feststellung, dass Vorurteile nicht immer verkehrt sein müssen. Jener Mann, der mit schwitzendem Gesicht vor den Kameras des ZDF am Wahltag in Sachsen und Brandenburg stand, sah so aus, wie wir uns einen Rechtsradikalen malen würden. Die Gesichtsfarbe changierte ins Puterrote, und da sein Antlitz leicht nach innen gebeult war, ähnelte das Gesicht einem Feuermelder, was wiederum zum alarmierten Ausdruck passte, den seine Mimik für die Fernsehkamera zu produzieren versuchte. Der Dreiteiler, den der Mann trug, war - keine Frage - von einem satten Braunton. Keiner, der ihn an diesem Abend sah, wird sagen können, man habe ihm das, was ihn umtreibt und wofür er steht, nicht ansehen können. Holger Apfel, Spitzenkandidat der NPD in Sachsen, gab sich ganz so, wie ihn das Vorurteil sieht.
Deshalb krähte er los, kaum dass man ihm erst beim ZDF, dann bei der ARD das Mikrofon vor die Nase gehalten hatte. Er plusterte sich auf ob des Erfolges seiner Partei, die nicht nur in den sächsischen Landtag einzieht, sondern die SPD fast nach Stimmenzahl eingeholt hatte. Doch die Interviewer ließen ihn nicht zu Worte kommen. Selbst den Dank an die Wähler, den selbst diejenigen geradezu zwanghaft absondern, die anlässlich des desaströsen Ergebnisses eigentlich wenig Grund dazu hätten, wurde er nicht los. Stattdessen traktierte man ihn mit Fragen wie "Wann sagen Sie endlich, dass Sie Neonazi sind?" oder "Haben Sie außer Parolen auch noch etwas anderes anzubieten?" Darauf konnte und wollte der schwitzende Mann, der nervös mit den Augen zwinkerte, nicht antworten. Stattdessen mochte er weit ins Grundsätzliche ausholen, doch kaum fielen Parolen wie "Nation", "Schande", "System", wurde ihm das Mikrofon entzogen.
Der Erfolg der Rechtsradikalen in Sachsen und in Brandenburg, wo die DVU zum zweiten Mal in den Landtag einzieht, traf die Redakteure und Moderatoren von ARD und ZDF nicht unvorbereitet. Alle Wahlprognosen hatten darauf hingedeutet. Dennoch wirkten sie an diesem Abend hilflos und panisch. Auf der einen Seite konnten sie am Wählervotum nicht vorbeigehen. Jemand wie Holger Apfel ließ sich nicht ignorieren. Andererseits wollten sie ihm keine Tribüne zur Verbreitung seiner Propaganda bieten. Das führte zu den beschriebenen Situationen, in denen die Fragesteller schon ängstlich mit dem Mikrofon zuckten, ehe ihre Frage zu Ende gestellt war, geschweige denn, der Interviewte geantwortet hatte. Es herrschte so etwas wie Berührungsangst; als könne man sich allein durch das Anhören des Unsinns, den der Mann im braunen Anzug da verzapfen würde, infizieren. Das führte zu einem rhetorischen Waschzwang der besonderen Art - der NPD-Funktionär durfte nicht einmal den Dank an seine Wähler abstatten. Was die Moderatoren bei allen Politikern zuließen, wurde auf einmal als Routine gegeißelt.
So stellte sich in beiden Interviews bei den Zuschauern eine Art Mitleidseffekt ein. Der dickliche Mann mit seinem mimischen und verbalen Missgeschick, der das Licht der Scheinwerfer noch nicht kennt und sich in ihm sichtlich unwohl fühlt, obgleich ihn doch Begeisterung über den rechten Triumph umtreibt, wirkte auf einmal wie ein Gast, den man nur einlädt, um ihn öffentlich vorzuführen. Kein Wunder, dass seine erste Philippika den Medien galt, gegen die seine Partei ihren Wahlkampf hätte führen müssen. Der darauf erfolgte Entzug des Mikrofons bekräftigte diesen Unsinn auf eine absurde Weise. Es ist ja diese Haltung, in der sich angeblich Entrechtete, Geknechtete und Zukurzgekommene gerne gefallen, mit der die Rechtsradikalen auf Stimmenfang gehen. Es ist ihre mit traditionellen Floskeln aufmontierte Opposition gegen alles und jedes, was nicht deutsch riecht und fühlt. Es ist ihre Abneigung gegen alles, was Gesellschaft heißt und eben nicht Gau oder Stamm. Zu dem, was bekämpft gehört, zählen die Medien (mit Ausnahme der eigenen) und das Fernsehen vor allem.
Das Fernsehen hat darauf analytisch, mit klarem und kühlem Kopf zu reagieren. So hätte man gerne gewusst, was die DVU in ihrer ersten Landtagsperiode so alles zustande gebracht hat. Bundesweit ist davon wenig bis nichts zu hören gewesen. Gerne hätte man erfahren, welchen Milieus die zukünftigen NPD-Abgeordneten des sächsischen Landtages entstammen und wie sie wann und wo politisch sozialisiert wurden. Denn es liegt ja weniger an einem gesellschaftlich breiten anti-nationalistischen Konsens, dass die Wahlerfolge der rechtsradikalen Parteien in den letzten Jahrzehnten marginal blieben, als an ihrer politischen Folge- und Nutzlosigkeit. Sie lösen sich tendenziell stets selber auf. Interne Querelen und Streitigkeiten erwiesen sich bislang wirkungsvoller als alle Verfassungsschutzberichte zusammengenommen.
Deshalb wird das Fernsehen mit Berührungsangst und Waschzwang dem Erfolg der rechtsradikalen Parteien auf Dauer nicht begegnen können. Die daraus erwachsende Haltung ist jenem Ressentiment eng verwandt, mit dem NPD und DVU auf Stimmenjagd gegangen sind und weiterhin gehen werden. Und die Zuschauer werden beobachten müssen, ob der schwitzende Holger Apfel wirklich jenes dumme Schaf im Wolfspelz ist, als den ihn das Vorurteil an diesem Fernsehabend wahrnahm.
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