Lauter schöne Nebeneffekte

Medientagebuch Missliche Lage: Heinz Bauer übernimmt Teile des Kirch-Imperiums und wird als Retter präsentiert

Irgendwann haben auch die größten Freunde all der Zahlen und Daten aus der Medienökonomie an Themen wie Kirch-Insolvenz, Haffa-Sturz und Kinowelt-Pleite die Lust verloren. So verschwanden dieser Tage die Nachrichten von der Verhaftung eines der beiden Kölmel-Brüder (Kinowelt) auf die Seiten "Vermischtes". Und so wird vom Prozess gegen die Haffa-Brüder (EM.TV) nur kleinteilig auf der dritten Wirtschaftsseite berichtet. Die Zeit, zu der man sich über die nun wirklich sensationelle Misswirtschaft aufregte und all die Börsenstrategien, mit denen die Kurse viel zu teuer eingeschätzter Aktien in große Höhen gehievt wurden, als Betrug kennzeichnete, scheint vorbei. Die Gesellschaft hat sich anscheinend daran gewöhnt, dass weite Teile der Medienbranche wie die ihnen angeschlossenen Banken naiven Anlegern die schöne, bunte und reiche Medienwelt nur vorgegaukelt hat.

Doch es lohnt sich schon weiterhin genau hinzuschauen. Dieser Tage wurde bekannt, dass der Hamburger Heinz Bauer den Zuschlag für den größten Batzen aus dem Kirch-Imperium erhalten soll. Bemerkenswert daran sind zwei Dinge: Zunächst fällt die Summe, die Bauer für die Sender der "Pro Sieben SAT 1 AG" und den Rechtestock an Spielfilmen und Serien bietet, mit rund zwei Milliarden Euro niedrig aus. Die Banken haben jedenfalls Leo Kirch für diese beiden Teile seines Imperiums Kredite gewährt, die das Mehrfache dieser Summe ausmachen. Alle voran die Landesbank der Freistaates Bayern, die auf Geheiß der Landesregierung noch Hunderte von Millionen in den Kirch-Konzern pumpte, als dessen Insolvenz absehbar war. Es kann aber sein, dass selbst diese Summe noch viel zu hoch ist für das, was Heinz Bauer erhält. Denn über die Binnenverhältnis der Sender SAT 1 und Pro Sieben weiß im Grunde niemand etwas, es sei denn, er hieße Leo Kirch. Schon seit Jahren war sehr auffällig, wie die Kosten zwischen den Sendern beliebig hin- und hergeschoben wurden, weshalb der Spielfilm-Sender Pro Sieben mit seinen teuren Rechtekosten angeblich Gewinn einfuhr, während SAT 1 mit einem vergleichsweise preiswerteren Programm, aber höheren Zuschauerzahlen nur Millionen Verluste erbrachte. Es steht zu vermuten, dass Kirch seinen Sender Pro Sieben um der Außendarstellung willen zu Lasten von SAT 1 und seinen Pay-TV-Sender Premiere finanziell schonte. Diese Schönrechnerei ist nun zu Ende.

Dann kann man über den Namen Bauer staunen. Denn der Hamburger Verleger, der in Deutschland den Markt der Fernsehzeitschriften beherrscht, hat sich bislang weitgehend aus dem Fernsehgeschäft zurückgehalten. Es war ihm wohl zu teuer und zu unübersichtlich. Aus SAT 1 stieg er beispielsweise frühzeitig aus, als er erkannte, dass hinter diesem Sender nur einer steckte, nämlich Leo Kirch, und der kräftig in seine eigene Tasche wirtschaftete. Auch seine anderen Fernsehbeteiligungen, etwa an dem obskuren Gebilde namens tm3, währten nicht lange. Allein sein Engagement bei RTL II dauert an. Und genau dieser Sender steht mit seinem Programm für das ein, was das Haus Bauer mit seinen Zeitschriften den Kunden bietet: Sex und Crime und Hochadelsgedöns auf dem nur denkbar niedrigsten Niveau. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ein feiner und - wie man hört - konservativer Mann wie Heinz Bauer verlegt Zeitschriften wie Coupé, Schlüsselloch und Sexy nicht, um gleichsam die Gesamtgesellschaft zu schädigen oder gar eine gesellschaftlich-moralische Wende herbeizuführen, von der einst sein Parteifreund Helmut Kohl gewiss nicht träumte.

Nein, Heinz Bauer hat sich als Missionar der permanenten Missionarsstellung auf das unterste Niveau der Publizistik verlegt, weil es den größtmöglichen Profit bei den denkbar niedrigsten Kosten bietet. So ist der Internet-Ableger seines Hauses vermutlich der einzige eines deutschen Verlages, der nicht nur schwarze Zahlen schreibt, sondern mit seinen Sex-Seiten das Geld nur so scheffelt. Wenn er nun SAT 1 und Pro Sieben übernimmt, dann steht zu erwarten, dass er dieses erfolgreiche Geschäftsmodell auf diese beiden Vollprogramme übertragen wird. Das, was derzeit noch die Qualität von SAT 1 (eigenproduzierte Fernsehfilme, Serien und Sport) sowie von Pro Sieben (die besten amerikanischen Serien) ausmachen, würden langsam aber sicher verschwinden. An ihre Stelle träten dann Sender, die eine aktuelle Mischung aus RTL II, Neun live und einem der Verkaufskanäle mit angeschlossenen Internet-Seiten präsentierten. Der ohnehin in den letzten Jahren reduzierten Vielfalt des deutschen Fernsehmarkt täte das gewiss nicht gut. Eine weitere Niveau-Verlagerung nach unten wird die angeschlagene Branche noch weiter lädieren.

Aber die Lage ist so misslich, dass viele Kommentatoren selbst einen Heinz Bauer als Retter des deutschen Fernsehwesens preisen. Sie fürchten, dass die Alternative zu Bauer nur ein ausländisches Konsortium (etwa unter Leitung von Berlusconi) darstellt, das in Deutschland Abnehmer für seine international produzierte Billigware sucht. So geht man mit Heinz Bauer äußerst pfleglich um. Selbst der Spiegel ließ die sonst übliche Häme vermissen, als es den Hamburger Verleger in dieser Woche porträtierte. Kein Wunder, der Spiegel Verlag war lange Zeit als einer der Partner von Bauer im Kirch-Deal genannt worden.

So erklärt sich ein Teil des neuen Desinteresses an den Desastern der Medienbranche bei näherem Hinsehen als eine Folge der ökonomischen Krise selbst. Wenn in den Zeitungshäusern gespart werden muss, dann vor allem in den Bereichen, in denen zuletzt investiert wurde. Die Medienseiten der Tages- und Wochenzeitungen sind in den letzten zehn Jahren erweitert und ihre Redaktionen vergrößert worden. Die gewaltigen Einsparmaßnahmen treffen sie folglich als Erste. Dass die Verlage damit das Problem, wie ein kritischer Medienjournalist mit den Fehlspekulation des eigenen Hauses (etwa in teure Internetabenteuer) öffentlich umgehen soll, gleich mit erledigt, ist für sie ein schöner Nebeneffekt.

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