Programm auf Kreditrate

Medientagebuch "Die Anwälte" zum Beispiel: RTL muss den Gewinn nach oben schrauben und setzt seine Ambitionen ab

In den Fernsehzeitschriften, die in der Regel einen längeren Vorlauf für Satz und Druck der Programmseiten haben, ist die Serie Die Anwälte immer noch verzeichnet. Sie wird für donnerstags 21 Uhr auf RTL angekündigt. Doch dort läuft sie schon seit Wochen nicht mehr. Nachdem die Einschaltquote der ersten Folge am 17. Januar mit 8,5 Prozent und die absoluten Zuschauerzahlen mit 2,56 Millionen weit unter den durchschnittlichen Werten des Senders lagen, wurde sie aus dem Programm geworfen.

An der Qualität der Serie, die schon seit einem Jahr im Programmarchiv von RTL in Köln ruhte, ehe sie endlich einen Sendeplatz fand, kann das nicht liegen. Die Anwälte ist zwar an amerikanische Vorbilder wie Ally McBeal, Practice, Boston Legal oder Shark angelegt, überträgt aber - Autor: Marc Terjung - deren klassische Muster aus Spannung und Situationskomik nicht einfach nach Deutschland, sondern entwickelt eigene und durchaus gediegene Vorstellung, wie vom Rechtswesen unterhaltend zu erzählen sei. Es handelt sich um eine Ensembleserie, das heißt, sie wird nicht nur von einen oder zwei Helden bestimmt, sondern gleich von einer Gruppe, die in einer Hamburger Rechtsanwaltskanzlei zusammenarbeitet.

In jeder Folge wurden mehrere Fälle miteinander verflochten, parallel laufen die privaten Geschichten über die acht Folgen der ersten Staffel, die zur Ausstrahlung vorlag. Gute Regisseure wie Züli Aladag, Katinka Feistl oder Miguel Alexandre verleihen den Folgen ebensoviel Spannung wie Witz und Sentimentalität. Die Serie ist besser als der Durchschnitt der deutschen Serien und hebt sich aus dem Angebot von RTL heraus. Bleibt die Frage, warum die erste Folge so gescheitert ist?

Ein Problem des Serienstarts war sicherlich die Programmabfolge. Die Anwälte wurde hinter Post mortem gesetzt, einer Krimiserie, die deutlich dem Vorbild CSI nacheifert, die mit besonderen visuellen Gags aus dem heiteren Leben der Pathologie aufwartet und in der Hannes Jaenicke, der sicher nicht zu den subtilsten deutschen Schauspieler gehört, die Hauptrolle spielt. Nach den Anwälten kam die Dschungel-Show Ich bin ein Star - holt mich hier raus!, die man sicher zu spektakulärsten Hervorbringungen des deutschen Fernsehens zählen kann, ohne dass man sie verunglimpfte. Beide Sendungen setzten also eher auf brachiale Formen der Fernsehunterhaltung. Zwischen ihnen war die neue Serie so eingeklemmt wie ein Werkstück in der Schraubklemme. Ihr Publikum, das es eher ruhig mag, konnte sie so nie finden. Das wäre an einem Serientag selbst bei RTL möglich gewesen, beispielsweise am Dienstag nach Dr. House.

Aber es gibt noch eine gewichtigere Frage: Warum hat der Sender so schnell reagiert? Die Antwort ist so simpel, das bislang keiner auf sie aufmerksam gemacht hat. RTL steht wie alle anderen in- und ausländischen Sender der RTL Group unter enormen Gewinndruck. Ihr Gesellschafter, die Bertelsmann AG, musste im vorletzten Jahr ein Viertel ihrer nicht frei erhältlichen Aktien von der Groupe Bruxelles Lambert zurückkaufen. Preis des Aktienpakets: 4,5 Milliarden Euro. Bertelsmann finanzierte diesen Kauf über Kredite. Klar, dass das Unternehmen diese rasch zurückzahlen will. Unter den Firmen der Bertelsmann AG ist die RTL Group eine der erfolgreichsten. Sie musste also im letzten wie in diesem Jahr ihren Gewinn steigern.

Das aber ist schwierig auf dem deutschen Fernsehmarkt, den sich viele Sender teilen. Zuschauer hinzuzugewinnen, fällt enorm schwer und ist in der Regel durch die Produktion, verstärkt aber auch durch Werbung für die neuen Sendungen sehr teuer. Zugleich droht immer die Gefahr, dass ein Sender selbst Zuschauer an die harte Konkurrenz verliert. RTL ist deshalb typischerweise in eine Art von Schockstarre verfallen. Man verwaltet die Klassiker des eigenen Programmerfolgs wie das Quiz Wer wird Millionär, die Casting-Show Deutschland sucht den Superstar oder die erwähnte Dschungel-Show. Und wiederholt die amerikanischen Serien solange, bis sie jeder Zuschauer mindestens zweimal gesehen hat. Neue und innovative Sendungen sind rar. Und da sie unter dem enormen Gewinndruck noch nicht einmal die Chance erhalten, über mehrere Wochen ihre Zuschauer zu erreichen, werden sie noch rarer. Man liegt nicht falsch, das Verhalten der RTL-Geschäftsführung als eine Form von Panik zu bezeichnen.

Um die Serie Die Anwälte ist es schade. Problematischer für den Sender könnten allerdings die Veränderungen im Nachrichtensektor werden, der ebenfalls unter dem Gewinndruck stöhnt. Im vergangenen Jahr trennte man sich vom Chefkorrespondenten und in diesem von der Reporterin Antonia Rados, die zum ZDF wechselt. Politischer Fernsehjournalismus ist teuer und erwirtschaftet wenig Einnahmen. Aber er ist und bleibt das Aushängeschild eines Fernsehsenders. Und bei aller Kritik an RTL aktuell und Peter Kloeppel waren diese Nachrichten stets um Längen besser als das, was die anderen privaten Sender zu bieten hatten. Vielleicht sind die Zeiten solcher Ambitionen bei RTL vorbei.

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