Scarlett & Sabine

Kehrseite II In der Nacht hatte ich eine oskarreife Idee für einen einzigartigen Film. Er heißt "Die Leber der anderen". Der Film dreht sich um einen ...

In der Nacht hatte ich eine oskarreife Idee für einen einzigartigen Film. Er heißt "Die Leber der anderen". Der Film dreht sich um einen Stasi-Offizier, so einen ganz fiesen, schlimmen, und der hat, na, sagen wir mal, eine sehr kranke Leber. Ich weiß auch nicht, warum und woher. Dieser Mann verfolgt nun die ganzen hundertzwanzig Minuten lang eine junge, hübsche und sehr sympathische Frau, die selbst aber nicht trinkt, auch noch nie viel getrunken hat und - was in der Zone ja sehr selten vorkam - auch keine Tabletten missbraucht. Diese junge Frau, rein und unschuldig muss sie aussehen, mit großen Brüsten, spielt - halten Sie sich fest, jetzt kommt´s - die berühmte Scarlett Johansson! Das steht schon mal fest. In meinem großartigen Film hat die großartige Scarlett nur einen einzigen Fehler: Ihre Leber ist völlig gesund. Das ist eins der Wunder dieses cineastischen Großwerks, denn eigentlich lebt sie im Chemiedreieck Halle-Leipzig-Bitterfeld.

Um nicht des Plagiats überführt zu werden, haust der böse Fiesling von Stasioffizier diesmal nicht auf dem Dachboden, sondern im Keller des Hauses. Jedes Mal, wenn die junge Frau Kohlen holen geht, kommt der Offizier plötzlich aus irgendeiner Ecke des Kellers hervorgeschossen und erschrickt sie ganz fürchterlich, bis Scarletts Gesicht am Ende rührend verrußt aussieht. Und ihr Dekolleté natürlich auch! Völlig hysterisch und weinend willigt sie schließlich in eine Lebertransplantation ein. Der Fiese nennt das voller Zynismus auch noch eine Solidaritätsspende!

An dieser Stelle tritt aber endlich die große Wende in dem Film ein, denn jetzt verliebt sich der böse Offizier in die selbstlose Organspenderin. Er spricht übrigens den ganzen Film über mit leicht russischem Akzent, ist dünn, blond, schon etwas gramgebeugt und wird - sehr überzeugend übrigens - von Sabine Christiansen dargestellt. Das ist der zweite Coup in meiner Besetzungsliste! Aber das nur nebenbei. - Sabine, nein, der Offizier verliebt sich also in Scarlett, aber jetzt ist es zu spät. Das Auto, das die verrußte Johansson mit Tatü-Tata zum Kreiskrankenhaus fahren soll, ist ein durch Sabotage zerstörter Trabbi. Weil der außerdem keine Feinstaubplakette hat und im Film ständig verrußtes Wetter herrscht, kann und darf das Fahrzeug unter keinen Umständen bewegt werden. Die Tragik des Films wird nun noch dadurch gesteigert, dass nicht einmal der Stasi-Offizier damit fahren darf! Selbst er verzweifelt jetzt an den allgegenwärtigen Zuständen. Außerdem herrscht gerade Benzinknappheit. Fünf lange Minuten dürfen wir dadurch dem sinnlichen Ableben des erregenden, amerikanischen Filmstars beiwohnen. Hinterher muss der Stasimensch zur Strafe noch sehr, sehr lange leben, allein zu Haus, also im Keller, und nur mit der Leber von Scarlett Johansson ...

Bis hierher bin ich mit dem Film sehr zufrieden, den ich mir ausgedacht habe, und dessen Inhalt ich Ihnen mit wenigen groben Strichen soeben andeuten durfte. Nur wegen des Schlusses beschleichen mich doch Zweifel. - Was meinen Sie? Soll Frau Christiansen am Ende auch sterben - bzw. der Spitzelwicht? Wollen Sie so ein Happyend? Oder soll er unglücklich verliebt und voller Schuldgefühle weiter leben, bis er sich die nächste Leber kaputt gesoffen hat? Das ist hier die Frage. Rufen Sie mich an oder mailen Sie mir Ihre Meinung! Sichern Sie sich jetzt schon Ihre Karten für einen neuen Film, der Ihnen gewiss an Herz und Nieren gehen wird!

Dirk Werner, 1961 in Gera geboren, lebt als Filmvorführer und Autor in Esslingen/Neckar.


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