Coronaterror im Pflegeheim

Isoliert und eingesperrt Wegen Corona verhängen deutsche Pflegeheime Besuchsverbot, Isolation im Zimmer und verbieten den Bewohnern sogar, das Haus zu verlassen! Hat man aus früheren Fehlern nichts gelernt? "Alles Pflege oder was?"

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Eine Freundin schrieb mir den hier folgenden Bericht über den letzten Besuch bei ihrer Mutter im Pflegeheim. Diese Schilderung empört umso mehr, als wir genau das ja genau so in vielen Einrichtungen schon einmal hatten – und ganz offenbar hat man sich geweigert, irgendetwas zu lernen. Jetzt wieder: Keine Kontaktmöglichkeit und sogar Verbot, das Haus zu verlassen! Hier der Bericht (in Kursiv):

Meine Mutter, weit über 90, lebt in einem Pflegeheim in Süddeutschland.

Trotz strenger Maßnahmen wie FFP2-Maskenpflicht und Tests bei Besuchen, und natürlich auch trotz Impfung von allen Patienten und des Pflegepersonals, gibt es jetzt in Coronaerkrankungen.

Nun ist die Einrichtung geschlossen.

Keiner der alten und kranken Menschen darf noch Besuch empfangen, und die Patienten dürfen nicht einmal mehr auf den Gang, um sich die Beine etwas zu vertreten.

Meine Mutter wird angehalten auf ihrem Zimmer zu bleiben, wo sie auch ihre Mahlzeiten einnehmen muß. Nicht, wie sonst üblich im Speisesaal. Es herrscht komplettes Kontaktverbot. Faierweiße kann ich erwähnen, daß meine Mutter zwar im Garten spazieren gehen dürfte, was aber für aufgrund ihrer Gebrechlichkeit schwierig ist, wenn von ihren Angehörigen niemand dabei sein darf.

Mein letzter Besuch bei meiner Mutter hat mich zutiefst erschüttert und lief folgermaßen ab:

Ich stand unter ihrem Fenster (ihr Zimmer liegt im Ersten Stock), um mit ihr ein paar Worte zu sprechen.

Leider hört meine Mutter aufgrund ihres hohen Alters kaum noch etwas. Somit war keine Kommunikation möglich. Obwohl es ihr nicht erlaubt war, ist es ihr gelungen, zur Eingangstüre der Einrichtung zu kommen um mich näher zu sehen.

Im Hof saßen vier Pflegekräfte bei einer Raucherpause. Meine Mutter stand verzweifelt und hilflos in der Eingangstüre, weil die Pflegekräfte ihr verboten haben, noch weiter rauszugehen.

Ich durfe nur bis auf zwei Meter an sie herankommen, während sie weinend an der Eingangstür stand. Ich hatte ihr etwas mitgebracht – das durfte ich ihr dann auch nicht geben, sondern musste es im entsprechenden Abstand auf den Boden stellen. Ich empfand diese Situation als menschliches Drama und menschenunwürdig.

Ich empfinde es als menschenunwürdig, die Bewohner des Pflegeheims mehr oder weniger einzusperren und ihnen den persönlichen Kontakt zu ihren Angehörigen zu verbieten.

Selbst wenn meine Mutter sterben sollte, wäre es ihr sicherlich lieber, im Kreise ihre Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder zu sterben, als „virenfrei“ und einsam.

„Virenfrei“ funktioniert ja ohnehin nicht, wie man sieht.

Auf meine Frage an die Pflegekräfte, wieviel Personen im Heim überhaupt an Corona erkrankt sein, bekam ich die Auskunft, dass sie darüber nicht sprechen dürfen.

Wie lange das Besuchsverbot gelten soll, darüber gab es ebenfalls keine Information.

Ich empfinde es fast schon als Foltermethode, die Bewohner des Heims dermaßen mit Angst zu verunsichern. Meine Mutter weiß nicht einmal genau, darf sie nun eigentlich auf den Gang oder nicht.

Erschwerend kommt dazu, daß es solche drakonischen Maßnahmen in dieser Alten- und Pflegeeinrichtung schon mal gab, nur um dann festzustellen, daß es nichts gebracht hat, außer unendlichem menschlichen Leid.

Am folgenden Tag konnte unsere Freundin den/die Pflegedienstleiter(in) telefonisch erreichen. Es wären über ein Dutzend Patienten Corona-positiv, alle mit Omikron, in dieser Woche würde das Gesundheitsamt kommen und bei allen Bewohnern einen Reihen-PCR-Test durchführen (Was bedeuten wird, dass man weitere Fälle findet und sich dadurch die Quarantäne und die Isolation für alle weiter verlängern wird). Von unserer Freundin die Frage, die Mutter hätte in den nächsten Tagen Geburtstag, ob denn wenigstens dann ein Besuch möglich wäre? Rückfrage nach dem Impfstatus. Ungeimpft? Nein, dann ginge das leider nicht, und es ginge auch nicht, die Mutter an diesem Tag aus der Einrichtung herauszunehmen. da sei leider nur ein telefonischer Kontakt möglich (sic). Er/sie vertröstete auf die kommende Woche, da wäre ja vielleicht etwas möglich, er/sie sei gerade am Studieren der neuen Bestimmungen des Gesundheitsamts, da müsse man sehen (Angesichts der neuen PCR-Tests glaube ich ehrlich gesagt nicht daran).

Was soll man dazu sagen? In einem anderen Pflegeheim, dort ist ein Verwandter von mir, herrscht seit Anfang November (!!) Quarantäne, die nie endet, weil immer wieder andere Heimbewohner an Corona erkranken (bzw. positiv getestet werden). Das bedeutet dort jetzt seit einem Vierteljahr: kein Kontakt zu anderen Hausbewohnern, Essen auf dem Zimmer, selbstverständlich kein Besuch. Zeitweise durften die Bewohner nicht einmal ihre Zimmer verlassen, nicht einmal zum Gang auf die Toilette, ihnen wurde ein Klostuhl (ja, so etwas, wie man es schon um 1700 hatte!), ins Zimmer gestellt. Das empfand mein Verwandter als besonders entwürdigend. Auch das Haus durften sie in dieser Zeit nicht verlassen, auch nicht in den hauseigenen Garten. Mittlerweile dürfen sie wieder auf die Toilette und auch das Haus verlassen – soweit sie denn dazu körperlich überhaupt noch in der Lage sind.

"Ja, willst du sie denn sterben lassen?", könnte ein Totschlagargument für solche Maßnahmen sein. Einspruch: "Lasst sie doch bitte einfach leben!" Ihr vergesst, dass "Leben" mehr ist als "Überleben".

Tut mir leid: Ein wesentlich anderer Begriff als "Corona-Knast" fällt mir zu solchen Auswüchsen, wie hier geschildert, nicht ein. Das haben die alten und kranken Menschen wirklich nicht verdient.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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