Gegen die Müßiggänger!

Forster sagte es schon 1790: Das sicherste Zeichen eines zerrütteten, schlecht eingerichteten Staates hat man immer daran, wenn er eine große Menge Müßiggänger nährt. Der Fleißige [ist derjenige], der die Früchte seines Schweißes mit diesen Raubbienen theilen muß.

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In seinen "Ansichten vom Niederrhein" schildert Georg Forster (1754–1794), der 1772–1775 eine Reise um die Welt unternommen hate, seine Eindrücke einer Reise vom Rhein über das spätere Belgien und die Niederlande bis nach England im Jahr 1790. Gedanken, die er im Anschluss an das von ihm ziemlich verabscheute erzkatholische Köln äußert, erscheinen mir doch allgemein gültig und gerade derzeit hochaktuell zu sein. Hier Forsters Text, zitiert nach der Ausgabe Georg Forster, Ansichten vom Niederrhein, Ausgabe des Insel-Verlags als Taschenbuch, 1989, S. 57:

Das sicherste Zeichen eines zerrütteten, schlecht eingerichteten Staates hat man immer daran, wenn er eine große Menge Müßiggänger nährt. Der Fleißige, der die Früchte seines Schweißes mit diesen Raubbienen theilen muß, kann sich endlich des Gedankens nicht erwehren, daß man die unbilligste Forderung an ihn thut, indem man seiner Redlichkeit die Strafe auferlegt, die eigentlich strafwürdigen Faullenzer zu füttern. Die natürliche, unvermeidliche Folge dieser Reflexion ist, wenn man sich zu schwach fühlt dem Übel abzuhelfen, eine tödtliche Gleichgültigkeit gegen das gemeine Beste, gegen die Verfassung selbst. Welcher Staat kann public spirit von seinen Bürgern erwarten, wenn er sie mißhandelt? Es ist gleichviel, ob ein Despot oder eine Horde von Bettlern die Freiheit des arbeitsamen, tugendhaften Bürgers vernichtet; diese Ungerechtigkeit muß der Staat allemal büßen. Aus gleichgültigen, kalten Mitgliedern des Ganzen werden die Hintangesetzten und Gedrückten bald auch zu moralisch schlechteren Menschen. Das Beispiel steckt an, und gegen die Übermacht gewissenloser Müßiggänger scheinen Betrug und List und Ränke ihnen bald die erlaubteste und sicherste Gegenwehr...

In der Tat, die "Müßiggänger" – um bei Forsters Begriff zu bleiben – sind zu einem ständig wachsenden Problem geworden, das unsere Gesellschaft immer weiter krank macht und vergiftet. Es lassen sich mehrere verschiedene Kategorien von "Müßiggängern" unterscheiden, deren gesamtgesellschaftlicher Schaden unterschiedlich ins Gewicht fällt.

1) Superreiche, die zu einem großen Teil von den Renditen ihres Vermögens leben. Diese Leute lassen angeblich "ihr Geld für sich arbeiten", wie es manchmal heißt. Tatsächlich ist eine solche Formulierung verschleiernder Unsinn, denn damit Rendite erwirtschaftet wird, müssen andere arbeiten. Die Superreichen lassen also nicht ihr Geld und ihr Vermögen, sondern andere für sich arbeiten und leben von deren Arbeit.

2) Ausufernde Bürokratien, Verwaltungspparate und Politikerposten, deren Endzweck letztlich nur Selbsterhalt und Selbstversorgung sind. Auch sie leben also von der Arbeit Anderer. Der Selbsterhalt und die Selbstbestätigung werden dadurch erreicht, dass der Rest der Bevölkerung mit ausufernden und zudem sich ständig ändernden Gesetzen, Vorschriften und Reglements bombardiert wird, die zum allergrößsten Teil überzogen, kontraproduktiv und bestenfalls unnötig sind. Jahrhundertelang kam man ohne sie aus und könnte auch weiterhin auf den größten Teil davon verzichten. Die EU ist einer der schlimmsten Produzenten derartiger Bürokratieauswüchse. Das ganze Horrorkabinett finden Sie hier, Sie können sich bis zu den einzelnen Dokumenten im Volltext durchklicken: https://eur-lex.europa.eu/browse/summaries.html.

Ein schönes Beispiel wäre auf gehobener Ebene etwa auch die Bundesregierung: Die Zahl der Parlamentarischen Staatssekretäre, der sog. "Staatsminister" und aller möglichen "Beauftragten" der Bundesregierung nimmt ständig zu – schöne Pfründe für alle Parteifreunde, die man auch noch versorgen möchte. Und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk wäre ein Musterbeispiel.

Leider ist der Trend zur Bürokratisierung nicht auf staatliche Verwaltungen beschränkt, sondern gilt für Wirtschaftsunternehmen genauso. Der Soziologe Robert Michels formulierte 1911 das "Eherne Gesetz der Oligarchie", das sich so zusammenfassen lässt: 1) Große Organisationen kommen nicht ohne eine Bürokratie aus. Sie brauchen diese, um effizient arbeiten zu können 2) Mit zunehmender Größe der Organisation weitet sich die Bürokratie aus und ihre Macht nimmt zu. 3) Mit der zunehmenden Macht korrumpieren die Machtträger und benutzen die Organisation zunehmend für ihre Interessen. Anders formuliert: Die Bürokratie dient nicht mehr der Organisation und deren Zweck, sondern die Organisation dient der Bürokratie und deren Interessen. Oder um es mit den Worten von Rudolf Michels zu sagen: „Wer Organisation sagt, sagt Tendenz zur Oligarchie. Im Wesen der Organisation liegt ein tief aristokratischer Zug“.

Da hört man vielleicht das Gegenargument, die Welt wäre heute eben viel komplexer und komplizierter als etwa 1980 oder 1960, also müsste das eben so sein. Nein, ich widerspreche: Das ist ja gerade das Problem, dass genau diese Leute mit Absicht die Welt für uns immer komplizierter machen – wenn wir sie lassen.

3) Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger. Hier gibt es einmal diejenigen, die es darauf anlegen, sich dauerhaft von der Gesellschaft aushalten zu lassen, wenn auch auf niedrigem Nieveau, dafür ohne jede eigene Leistung. Die große Mehrheit in dieser 3. Kategorie sind allerdings unfreiwillige "Müßiggänger", die lieber heute als morgen wieder Arbeit hätten, aber keine bekommen. Offensichtlich ist die Gesellschaft aber unfähig oder unwillens, ihnen diese Arbeitsplätze zu verschaffen.

4) Migranten, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind und noch zusätzlich zu den Personen der Kategorie 3 direkt und langfristig in die deutschen Sozialsysteme einwandern und damit die Zahl der "Müßiggänger" in Deutschland weiter vermehren. Auch bei den Migranten gibt es einerseits solche, die es darauf anlegen, sich von der deutschen Gesellschaft aushalten zu lassen, und solche, die hier den Status des "Müßiggängers" verlassen wollen, aber keine Arbeit bekommen. Auch weitere Probleme, die diese Menschen in unsere Gesellschaft heineintragen und die zum großen Teil auch auf ihrem "Müßiggang" beruhen, liegen auf der Hand.

Alle vier Gruppen von "Müßiggängern" haben in den letzten Jahren bis Jahrzehnten stark zugenommen und sie werden in Zukunft weiter zunehmen. Dazu im Einzelnen:

Zu 1) In der Gruppe der Superreichen ist weniger deren Zahl, nach Personen gerechnet, gewachsen, sondern vor allem der Anteil am Gesamtvermögen, der dieser Gruppe nun zur Verfügung steht. Die asoziale Ungleichheit hat vor allem dank einer konsequent neoliberalen Politik – ganz entscheidend war hier die EU – zugenommen, und sie nimmt weiter zu. Beschleunigt wird diese Entwicklung noch durch die Corona-Politik (Lockdowns) und eine irrsinnige Energiepolitik.

Zu 2) bedarf keiner weiteren Erläuterung.

Zu 3) Siehe zu 1). In dem Maß, in dem unsere Politik das Land an die Wand fährt (Lockdowns; Energiepolitik; Außenpolitik) wird die Arbeitslosigkeit stark zunehmen.

Zu 4) Die Migration hat stark zugenommen und wird weiterhin durch die Politik aktiv gefördert, völlig unabhängig davon, ob diese Einwanderer nun hier gebraucht werden oder nicht. Am lautesten sind hier die "Grünen". Weitere "Müßiggänger", die auf absehbare Zeit keine Arbeit finden werden, und solche, die auch gar keine finden wollen, werden kommen und zu Lasten der Gesellschaft in die Sozialsysteme einwandern.

Böse Zungen reden statt von "Müßiggängern" auch von "Parasiten", "Schmarotzern" oder "Drohnen". Das möge wer will. Für Kategorie 1.) und den größten Teil von Kategorie 2.) trifft das sicher zu, also für einen großen Teil der sog. "Eliten" und ihre Funktionärskaste. Am anderen Ende der gesellschaftlichen Pyramide, in den Kategorien 3.) und 4.), mag eine solche Benennung auch für diejenigen gelten, die sich von der Gesellschaft aushalten lassen und selbst keinen Finger rühren wollen. Für diejenigen, die gerne arbeiten würden, aber keine Gelegenheit dazu bekommen, also für die "Müßiggänger" wider Willen, würde ich derartige Benennungen zurückweisen.

Ganz augenscheinlich ist unsere Gesellschaft derzeit an einem Kipppunkt angekommen, an dem die Lawine der ständig anwachsenden Zahl von "Müßiggängern" die "Fleißigen, die die Früchte ihres Schweißes mit diesen Raubbienen theilen müssen", unter sich begräbt. Es ist allerhöchste Zeit und wahrscheinlich schon bald zu spät, diesen Prozess aufzuhalten – und da ihn nur aufzuhalten nicht reicht, ihn wieder umzukehren. Dazu wäre eine angesichts der fortgeschrittenen Entwicklung nur noch als grundsätzlich vorstellbare Kurskorrektur möglich. Im Einzelnen:

Zu 1.) So wie es einen Mindestlohn gibt, so müsste es auch ein davon abgeleitetes Maximaleinkommen geben, und davon abhängig wiederum eine maximale Größe für das renditebringende Vermögen, das dem Einzelnen zugestanden wird. Dazu werde ich einen eigenen Beitrag schreiben. Nur so viel: Es soll dabei keineswegs darum gehen, dass der verfassungsmäßige Schutz des Eigentums aufgehoben werden soll. Im Gegenteil, der in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellose Raubzug gegen das Eigentum der Bürger, der seit gut zwei Jahren stattfindet, sollte durch die Kurskorrektur gestoppt werden. Mögen jedem 17 Millionen Euro an renditebringendem Vermögen verbleiben. Diese Maßnahme würde ohnehin wohl noch unter 0,1 % der Bevölkerung betreffen. Die reichsten 0,1 % der Erwachsenen, d. h. ca. 70.000 Personen, besaßen in Deutschland 2007 (Was für ein Armutszeugnis, dass es keine neueren Zahlen gibt!) 1.627 Millarden Euro Vermögen, d. h. pro Kopf 23,2 Millionen Gesamtvermögen, einschließlich des keine Rendite bringenden Vermögensanteils (https://de.wikipedia.org/wiki/Verm%C3%B6gensverteilung_in_Deutschland). Mit einer solchen Maßnahme wäre auch der heutzutage üblichen, jeder Demokratie Hohn sprechenden politischen Einflussnahme der Superreichen ein Riegel vorgeschoben.

Zu 2.) Ein deutlicher Abbau der Verwaltungsapparate und Bürokratien in Brüssel und in Deutschland. Die Reduzierung der Brüsseler Bürokratie auf 25 % des derzeitigen Personalbestandes und der deutschen Bundes- und Landesministerien auf 50 % samt der Entlassung sämtlicher Parlamentarischen Staatssekretäre, "Staatsminister" und aller "Beauftragten" der Bundesregierung wäre für die Gesellschaft sicher ein Segen. Gleichzeitig gehört in diesen Zusammenhang auch, den von der neoliberalen Politik über Jahrzehnte geförderten Trend zu immer größeren Wirtschaftskonzernen umzukehren.

Zu 3.) Nötig wäre eine breit angelegte Kampagne, um mehr Arbeitslos wieder in Beschäftigungsverhältnisse zu bringen. Ein Teil der dem Staat aus den unter 1.) und 2.) aufgeführten maßnahmen könnte hierfür verwendet werden. Die neu zu schaffenden Stellen sollten besonders in Mehrwert erzeugenden Branchen, z. B. in Handwerk und Industrie, sowie in der Pflege geschaffen werden. Als Anreize sollten Löhne und Gehälter in diesen Bereichen z. T. deutlich angehoben werden, anfangs mitfinanziert durch staatliche Zuschüsse an die Arbeitgeber, die dann im Lauf der Zeit, wenn das System sich trägt, allmählich abgebaut werden könnten. Grundsätzlich sollten, wenn immer möglich, bereits in Deutschland lebende Personen gegenüber noch nicht im Land lebenden potentiellen Migranten vorgezogen werden müssen. In der Schweiz gibt es eine solche Regelung schon längst. Außerdem müsste der weitere Abbau von einfacheren Arbeitsverhältnissen durch Automatisation und Digitalisierung bewusst aufgehalten werden. Nicht alles, was technisch möglich wäre, ist gesamtgesellschaftlich sinnvoll.

Zu 4.) Wir brauchen eine stärkere Regulierung der Migration, also eine deutliche Abkehr von der aktuellen Politik. Die Migration sollte auf wirkliche Fälle von politischem Asyl und entsprechend den Bedürfnissen des deutschen Arbeitsmarkts beschränkt werden, unter Berücksichtigung des zu 3.) Gesagten. Dazu müsste freilich auch der heute üblichen Praxis, Dumpinglöhne zu zahlen und sich dafür die Arbeitswilligen im Ausland zu suchen, ein Riegel vorgeschoben werden. Die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse sollte umgekehrt aber auch erleichtert werden. Nicht zu übersehen ist unter den Migranten der überproportionale Anteil junger Männer. Zum rein demographischen Problem hinzu kommen bei vielen von ihnen ein problematisches Frauenbild und erhöhte Gewaltbereitschaft. Um dieses demographische Ungleichgewicht wieder auszugleichen, sollten für einen längeren Zeitraum (unter zehn Jahre wird kaum ausreichen) alleinstehende Männer unter 45 bis 50 Jahren nicht mehr als Migranten aufgenommen werden, sondern nur noch noch Paare mit oder ohne Kinder und alleinstehende Frauen.

Wenn Deutschland nur noch bestimmte Migranten aufnimmt, kann das natürlich nicht bedeuten, uns für notleidende Menschen aus anderen Ländern weniger zu kümmern. Vielmehr müsste man sich hier endlich einmal darüber klar werden und auch endlich danach handeln, dass wir als Vasallenstaat der USA mit schuld sind an deren ewigen Kriegen vor allem im Nahen Osten, und die neoliberale globalisierte Wirtschaft eben brutale Ausbeutung der Dritten Welt bedeutet, die die Menschen überhaupt erst in die Migration treibt. Ein echter Politikwechsel ist notwendig.

Am Ende als Fazit der gesamten Überlegungen: Wenn wir diese Probleme (neben all den anderen, die wir auch noch haben) in den nächsten höchstens zehn Jahren nicht gelöst bekommen, haben Deutschland und die ganze EU "fertig". Wenn die "dümmste Regierung Europas" (so Sarah Wagenknecht über die Bundesregierung) das "Fertig" mal nicht schon viel früher schafft.

Das hier soll ein Diskussionsbeitrag sein. Ich habe absichtlich mit klarer Kante formuliert und freue mich auf konstruktive kritische Kommentare.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Dietrich Klose

Vielfältig interessiert am aktuellen Geschehen, zur Zeit besonders: Ukraine, Russland, Jemen, Rolle der USA, Neoliberalismus, Ausbeutung der 3. Welt

Dietrich Klose

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