Gestern saß ich mit zwei Freunden zusammen. Sie ist Italienerin, er deutscher Schriftsteller. „Wenn mein Buch rauskommt, bringe ich mich um“, sagte er in einer Bierlaune, „dann verkauft es sich supergut und wird ins Italienische übersetzt. So kannst du es auch lesen.“ Sie lachte und sagte: „Aber du bist schon 33, das ist zu alt, um jung zu sterben.“ Mist, dachte ich, sie hat recht. Jeder weiß, dass man spätestens mit 27 Jahren sterben muss, um ewig jung und berühmt zu bleiben, so wie Kurt Cobain, Amy Winehouse oder Jimi Hendrix. Andererseits: In der Fußball-Bundesliga hat der Verein 1899 Hoffenheim kürzlich Julian Nagelsmann zum Chefcoach befördert, mit 28 Jahren. Jünger war noch nie ein Bundesligatrainer. Da fragen sich wiederum alle, ob das Bübchen nicht zu jung für den Job ist, wenn selbst viele seiner Spieler älter sind als er.
Ich bin 33 wie mein Schriftstellerfreund, also zu alt für einen jungen Tod und vermutlich immer noch zu jung, um einen Bundesligisten zu trainieren. Das deprimiert mich. Mein Problem ist, dass ich mich zeit meines Lebens für Sport interessiere und mich daher immer mit Sportlern verglichen habe, auch altersmäßig. Als Kind dachte ich: Bis zum Bundesliga-Debüt mit 18 habe ich noch Zeit, also kann ich das Training heute etwas ruhiger angehen. Mit Mitte 20 dachte ich, es könnte langsam knapp werden mit der Nationalmannschaftskarriere. Und nun lese ich über gleichaltrige Sportler, sie hätten den Zenit überschritten, der körperliche Verfall sei unübersehbar und das Karriereende zwingend.
Der Basketball-Star Kobe Bryant etwa hört mit 37 auf, und alle denken: Eigentlich viel zu spät, der hatte nichts mehr zu geben. Mit 37! Bis zur Rente habe ich vermutlich noch 34 Berufsjahre, und trotzdem fühle ich mich, als wäre es vorbei mit der Karriere, zumindest in Gedanken.
Nicht nur körperlich, auch was die mentale Reife angeht, sind Sportler ein schlechter Vergleichsmaßstab. Viele Athleten heiraten schon mit 20 ihre Jugendliebe und sind mit Ende 20 mehrfache Eltern. Das klingt mehr nach Babyboomer-Generation als nach 2016. Solche Spieler sagen dann, sie sähen sich mit spätestens 30 reif für ein Kapitänsamt und wollten eine Mannschaft führen. Kein Wunder, die haben ja schon eine Mannschaft zu Hause.
Manche Sportler scheinen mental ewig im Kindesalter steckenzubleiben. Lothar Matthäus zum Beispiel, oder nehmen wir Mario Götze. Der ist erst 23, und trotzdem wirkt es, als wäre seine Karriere irgendwie schon vorbei. Er hat 2014 das Siegtor im WM-Finale geschossen, trotzdem mag ihn in Deutschland keiner so richtig, außer ein paar Teenies – sagt man das eigentlich noch, Teenies? Jetzt fühle ich mich wirklich alt. Mario Götze war lange verletzt, beim FC Bayern München aber ohnehin nicht mehr allererste Wahl, dafür hat er gerade ein eigenes Logo vorgestellt, in Form eines geschwungenen G, und einen eigenen Hashtag, #partofmario. Ich bin wohl zu alt, um zu verstehen, warum man so etwas braucht. Vielleicht fühlt Götze, dass ihm als Sportler langsam die Zeit davonläuft. Vielleicht sollte er gleich Bundesligatrainer werden, dann würden alle denken, er ist zu jung.
Thomas Häßler war früher mal das, was Mario Götze heute ist. Mit 49 Jahren gibt er jetzt sein Debüt als Cheftrainer, beim Club Italia 80 in Berlin, in der achten Liga. Im Gründunsgsjahr 1980 war ich noch nicht einmal geboren. Vielleicht sollte ich mich mit Vereinen vergleichen, das hält jung.
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