Mathilde

KEHRSEITE Das weiße, weiträumige Nachthemd mit den Rüschen, den grünen Blättern und dornlosen Stielen hatte sie gern. Es war von Helene, die es ihr gegeben ...

Das weiße, weiträumige Nachthemd mit den Rüschen, den grünen Blättern und dornlosen Stielen hatte sie gern. Es war von Helene, die es ihr gegeben hatte, als sie Helene in der Wesendonkstraße besucht hatte.

Die zwei Tabletten Wörrishofener Darm pflege hatte sie mit viel Wasser hinuntergeschluckt, und eigentlich durfte sich dem Einschlafen nichts mehr in den Weg stellen. Das Bett sah noch frisch aus, denn sie hatte einige Nächte nicht darin geschlafen. Sie hatte viele Zimmer in ihrer Wohnung passiert und das, in dem sie jetzt schlief, war das einzige quadratische darin. Soviel sie erfahren hatte, schliefen in diesem Zimmer immer die Söhne oder Töchter früherer Mieter.

Das elterliche Haus war vorbei, und sie gedachte der Mutter, die wissend oder ahnend oder auch schadenfroh so oft gesagt hatte, du wärest später einmal froh, in einem solchen Haus - wie unserem hier - zu wohnen. Es ist das eigene, sagte sie, und das eigene Haus ist immer besser als jede noch so schöne Wohnung.

Mathilde wusste jetzt, dass die Mutter recht gehabt hatte, obwohl sie andererseits auch wusste, dass sie sich in jenem elterlichen Haus nicht entwickelt hatte. Das Wort entwickeln war ihr plötzlich ins Gesicht gesagt worden. Sie habe keine Entwicklung gehabt - hatte der Mann gesagt - sie bestünde nur aus Erfahrung. Im ersten Augenblick hatte sie sich innerlich entrüstet, Erfahrung als etwas Negatives zu deuten. Doch dann musste sie diesem Mann recht geben. Eine Entwicklung hatte sie nicht erlebt.

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