Der berühmte Patient

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Nein, die Anonymen Alkoholiker seien für ihn auch keine Alternative gewesen, sagt George Best, der ehemalige Top-Star des englischen Fußball-Serienmeisters Manchester United heute rückblickend. "Wie denn auch? Ich bin nun mal kein anonymer Mensch!" Der Mann, der nicht nur durch seine kickerischen Fähigkeiten, sondern auch durch zahlreiche exzentrische Auftritte zur internationalen Kultfigur wurde und über den es nach einigen peinlichen öffentlichen Auftritten immer wieder Alkohol-Gerüchte gab, sprach in einem Interview mit dem britischen Fernsehsender ITV in der letzten Woche zum ersten Mal über seine Alkoholprobleme. Im letzten Monat war er nach einem spektakulären Zusammenbruch mit Leber-Problemen in die Londoner Privatklinik Cromwell Hospital eingeliefert worden. Er habe sich bei seiner Einlieferung gar nicht einmal besonders krank gefühlt, berichtete Best, "erst als ich das Gesicht des mich behandelnden Arztes sah merkte ich, dass es etwas Ernstes war." Katastrophale Blutwerte habe der berühmte Patient gehabt, sagte sein Agent Phil Hughes später, "wenn ein Wert zwischen 20 und 30 normal ist, dann hatte er ungefähr 700." Und sehr viel Glück: "Eigentlich müsste ich tot sein", erklärte Best im Interview, und gab zu, seit 30 Jahren Alkoholiker zu sein. Er habe "jede nur denkbare Entschuldigung gehabt, um zu trinken", sagte der heute 53-Jährige. "Wenn ich morgens aufstand und es regnete, dann war das schlechte Wetter ein guter Grund dafür, einen Drink zu nehmen. Und wenn es schön draußen war, dann trank ich, weil es eben so ein wunderbarer Tag war, um im Garten zu sitzen." Die daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme habe er verdrängt, "ich trank schon vor dem Frühstück mindestens ein Glas Wein oder wartete vor meiner Stammkneipe ungeduldig, dass mir endlich jemand aufmachte - um zehn Uhr morgens."

Warum aus dem gefeierten Sportstar ein körperlich ruinierter Alkoholiker wurde, weiß Best selbst nicht genau. Der Druck, der frühe Ruhm, die großen Erwartungen, der schnelle Aufstieg sind vielleicht auch zu einfache Erklärungen: "Niemand setzt sich hin und beschließt bewusst, zum Alkoholiker zu werden. Auch ich habe rückblickend keinen genauen Punkt festmachen können, an dem ich zu einem wurde."

Der Lebensstil als Berühmtheit mag seinen Teil zu Bests Alkoholiker-Karriere beigetragen haben. "Es begann vielleicht damit, dass ich manchmal Brandy trank. Und natürlich gab es immer Fans, die das sahen und mir dann weitere ausgaben - ohne mich zu fragen, ob ich sie auch wirklich trinken wollte. Und ich trank sie dann aus Höflichkeit eben, obwohl ich bis heute nicht weiß, warum, denn mir ging es danach einfach nicht gut."

Die meisten seiner Jobs nach der aktiven Zeit bestanden aus Reden nach großen Diners, Alkohol inklusive. Damals trank der Ex-Profi schon heftig, und "vier, vielleicht sogar fünf solcher Auftritte pro Woche habe ich immer absolviert," erinnert sich Best im Gespräch mit dem ITV-Moderator Martin Bashir. "Liquid Lunches" nennt der ehemalige nordirische Nationalspieler diese Events, bei denen man sich gern mit dem Star schmückte. "Der Alkohol hat einfach keinen Respekt davor, wer du bist oder zu sein glaubst", sagt er rückblickend, die flüssigen Gala-Ereignisse halfen ihm damals, die Sucht zu überspielen und gesellschaftlich zu legitimieren.

Nun aber könnte, das haben ihm die Ärzte gesagt, jeder Schluck der letzte seines Lebens sein. Nein, es habe keine Angst vor dem Tod, sagt das Fußball-Idol, "aber ich möchte ganz einfach jeden Morgen aufwachen." Und deswegen trocken bleiben.

"Ich habe wohl schon seit sehr langer Zeit gewusst, dass ich eigentlich ein Alkoholiker bin", sagte Best, der in den letzten Jahrzehnten immer wieder halbherzig versuchte, vom Trinken loszukommen, im TV. Aber alle diese Versuche endeten immer wieder an dem Punkt, "an dem ich es über eine längere Periode schaffte, trocken zu bleiben und mich dann selber belohnen wollte. Dafür, dass ich so ein braver Junge war, genehmigte ich mir dann Champagner, um ordentlich zu feiern."

Seinen Freunden und seiner Frau, die immer wieder hilflose Versuche starteten, ihn vom Trinken abzuhalten, sei schließlich nichts anderes übrig geblieben, als zuzuschauen. "Sie wussten, dass sie keinen Erfolg hatten, wenn sie mir sagten, ich tränke zu viel. Rückblickend wäre es vielleicht am Besten gewesen, sie hätten mich rausgeworfen und gesagt, ich solle einfach abhauen und mich dann eben zu Tode trinken.

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