Gut sortiert

Volker Skierkas Castro-Biographie Nur bedingt den Fallstricken der Gattung entgangen

Wo immer er sein mag, wann immer und mit wem auch immer - Fidel Castro ist da, um zu gewinnen. Ich glaube nicht, dass es jemanden auf dieser Welt gibt, der ein schlechterer Verlierer sein könnte als er. Sein Verhalten angesichts einer Niederlage, selbst in den kleinsten Dingen des täglichen Lebens, scheint einer persönlichen Gesetzmäßigkeit unterworfen zu sein: er wird es einfach nicht zugeben, und er wird keine Ruhe finden, ehe er es nicht geschafft hat, die Bedingungen umzukehren und einen Sieg daraus zu machen«. Der Beginn der Biographie klingt fast wie ein Nachruf. Doch Volker Skierka zitiert hier aus einem Porträt, das Gabriel García Márquez 1987 vom »frühen« Castro zeichnete. Unterstützung zu suchen bei den »richtigen« Castro-Experten und Kuba-Kennern wie eben García Márquez oder dem Nikaraguaner Tomás Borge ist überaus klug, denn die gut platzierten Zitate aus diesen Quellen zählen zu den starken Momenten der umfangreichen Biographie.

Das schwierige Unterfangen, die Lebensgeschichte des Guerilleros und Staatsmanns wie auch die ereignisreiche Geschichte Kubas im 20. Jahrhundert aus heutiger Perspektive - ein Jahrzehnt nach Ende des kalten Krieges und mit Blick auf die Post-Castro-Ära - noch einmal neu zu erzählen, gelingt dem Autor nur bedingt. Sein Bemühen, den Fallstricken der Gattung Biographie oder der Legendenbildung um Castro zu entgehen, führt dazu, dass ein seltsam konturloses Bild entsteht. Gravierender ist: Das hohe Maß an ideologischer Ausgewogenheit, dazu der journalistische Gestus, für eine sehr breite Leserschaft schreiben zu wollen, lässt die kubanische Revolution zu einem Einheitsbrei werden.

Skierka orientiert sich an García Márquez´ Bild von Castro, wenn er die Vorbildfunktion unterstreicht, die der kubanische Freiheitskämpfer José Martí für Castro hatte. Sein Werdegang Ende des 19. Jahrhunderts, sein Exil in Lateinamerika, vor allem aber in New York, seine Ideen der Befreiung und die Vorstellungen vom vereinten Amerika dienen Skierka als roter Faden. Kann doch über den Vergleich der beiden Revolutionäre und ihrer Arbeit ein differenziertes Bild der Persönlichkeiten und der kubanisch-amerikanischen Geschichte entstehen. Leider hat sich der Autor nicht ausführlich genug mit Martí beschäftigt, um den Vergleich wirklich fruchtbar werden zu lassen. Hier hätten die entscheidenden Unterschiede zwischen beiden herausgearbeitet werden müssen, besonders hinsichtlich der Ansichten über das Verhältnis zwischen den USA und Kuba beziehungsweise Lateinamerika. Die Lektüre von Martís Schriften zeigt, dass dieser als kubanischer Patriot auf einen Austausch zwischen den USA und der Karibik sehr viel Wert legte. Skierka hingegen interpretiert die bekannten Worte Martís »Die Geringschätzung durch einen gewaltigen Nachbarn, der uns nicht wirklich kennt, ist die schlimmste Gefahr für unser Amerika« als fatalistische Prognose und schreibt: »Genau das ist die tiefere Ursache für das kubanisch-amerikanische, ja das lateinamerikanische Dilemma und wird es über Castro hinaus bleiben«.

Auch die abschließenden Kapitel über die Jahre nach Ende des kalten Krieges enttäuschen, der Autor bedient lediglich allgemein bekannte Problemfelder: von der Welle der Bootsflüchtlinge über den Zusammenbruch der Wirtschaft 1992, die schlechte Versorgungslage bis hin zur Dollarisierung und der Wiederbelebung der Ökonomie. Beschreibungen über den Alltag, die in den Blick nehmen, was im Leben der Menschen passiert, wenn dank der Exilkubaner Dollarströme aus den USA das Land erreichen, wären von größerem Interesse gewesen.

Volker Skierka, Fidel Castro, Kindler Verlag München, DM 49,90.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen