Nach all den Jahren habe ich sie gefragt, meine Gefährtin, ob sie will. Ich tat es in der besinnlichen Vorweihnachtszeit, in Venedig, auf der Rialto-Brücke, sie konnte nicht nein sagen!
Auch ein Termin ist schnell gefunden, der 2. Oktober soll es sein, an einem 2. Oktober haben wir uns kennen gelernt, auch das verlängerte Wochenende - der deutschen Einheit sei´s gedankt - ist sehr praktisch. Anruf im Standesamt zur Ermittlung der notwendigen Formalitäten, die allerdings nicht allzu großartig scheinen: Ausweise und Geburtsurkunden seien vorzuweisen, sagt man uns, das sei alles. Jedoch ginge das frühestens sechs Monate im Vorhinein: und da unser Wunschtermin auch der vieler anderer sei, erklärt uns die freundliche Dame, bliebe uns nichts, als uns am 2.
uns am 2. April ins Standesamt zu begeben, gleich um sieben Uhr in der Früh´, um dort eine Wartenummer zu ziehen.Gehört, gehorcht, stehen wir am 2. April um Punkt sieben auf der Matte. Vor uns schon zwei weitere Frühaufsteherpaare, allein der Nummernspender ist noch nicht erwacht und ignoriert unsere Anstrengungen, auf Tastendruck ein Wartemärkchen zu ergattern. Wir drücken uns auf dem Flur herum, ungefrühstückt mit knurrenden Mägen, Linoleum spiegelt milchiges Neonlicht. Endlich rattert der Apparat, wir ziehen der Reihe nach unsere Nümmerchen, lassen uns nieder und harren voll inneren Friedens der Dinge, die da kommen mögen.Was kommt, sind weitere heiratswillige Paare, in Scharen strömen sie herbei. Interessante Studienobjekte: die Frau eilt mit forschen Schritt dem Nummernautomaten entgegen, der Mann folgt etwas behäbiger hinterdrein, sie zieht triumphierend die gemeinsame Zahl - Unterpfand einer Verpflichtung, die nicht mehr rückgängig zu machen ist. Erst beim fünfzehnten Pärchen sinkt meine 100-prozentige Statistik auf 93,7: ein entschlossener Verlobter drückt die Taste. Flur und Warteraum sind inzwischen hoffnungslos überfüllt. Inzwischen ist es acht Uhr zehn, diverse brötchentütenschleppende Beamte haben sich bereits durch die heiratswillige Menge gedrängelt, allein, es tut sich nichts. Gegen halb neun, nachdem die Herren und Damen der Aufgebotserstellung noch etwas gegessen oder geplaudert haben, erbarmen sich die ersten, uns abzuarbeiten.Als wir dran sind, mustert die junge Frau unsere Unterlagen und murmelt: "Hatten Sie vorher mal angerufen, um zu fragen, was sie brauchen?" Haben wir, sogar zweimal. Trotzdem alles falsch: "Damit kann ich nichts anfangen. Ich brauche eine beglaubigte Abschrift aus dem Familienbuch der Eltern beziehungsweise eine Abstammungsurkunde, wenn Sie das nächste Mal kommen." - "Aber warum hat uns vorher niemand ...?" Sie zuckt mit den Schultern: "Die im Callcenter haben keine Ahnung ..." Aha. Egal, das Wichtigste ist der Termin: "Können wir denn den 2. Oktober reservieren?" Bedauernd schüttelt sie den Kopf, das ginge nicht. Meine Gefährtin ist den Tränen nah, wir insistieren und wir flehen - und haben Glück, sie spricht mit ihrer Chefin, die sich erweichen lässt. Bis nächste Woche halten sie uns den Wunschtag fest. Man denkt viel zu schlecht vom öffentlichen Dienst!Zur vereinbarten Zeit finden wir uns wieder ein, diesmal geht alles glatt, keinerlei Wartezeit, zügig werden die bürokratischen Erfordernisse abgeleistet. Mit dem Datum ist es eh kein Problem, am 2. Oktober gibt es selbst jetzt noch Termine satt, aber so schlimm war es ja auch nicht, mal um sechs aufzustehen.Dann noch bezahlen, denn Verwaltung kostet schließlich Geld. Leider ist die Kasse geschlossen: Kassensturz, nachmittags um halb vier. Davor fünf weitere zahlungswillige Brautpärchen, die uns unbekannterweise angrinsen. Wir fassen uns in Geduld und die brauchen wir auch. Nach einer halben Stunde ist die Menge 40-köpfig. Ein Bankangestellter schnaubt: "Kassensturz während der Arbeitszeit! Wenn wir uns das erlauben würden!"Geraume Zeit später öffnet sich der Berg Sesam, und wir treten im Gänsemarsch an mit unseren Zahlungsaufträgen. In diesem Moment stürmt eine einzelne Frau aus der Hintergrund an den Wartenden vorbei, schubst dem Kassenwart die Heiratsunterlagen ihrer Freundin durch den Kassenschlitz: "Herr Markwart, bitte einmal kurz ..., das Geld reiche ich Ihnen nach Ostern rein." Die Menge staunt und raunt, zu verblüfft, um zu rebellieren. Die eilige Dame wendet sich mit dem abgestempelten Papier zum Gehen und lässt uns huldvoll wissen: "Ich bin vom Haus!" Deswegen! Sie ist vom Haus! Na dann! Nun wird allen alles klar: Heiraten in Deutschland - das klappt natürlich am einfachsten, wenn man gleich arbeitet im Standesamt. Ich male mir aus, was das für andere Bereiche der Verwaltung bedeutet: Ordnungsamt, Abfallbeseitigung, Baubehörden - aber geh! In Köln kennen wir das zu Genüge, "Dienstleistung" wird hier oft recht eigen interpretiert, es kommt von Dienst, nicht von Leistung: Gefälligkeit hier, Gefälligkeit da ... und gerne auch ein Gläschen Kölsch dabei.