Bananen und Natur

Six Pack Bücherschau

Artur Landsberger, Jg. 1876, schmachtet in den Fußnotenverliesen der Literaturgeschichte. Entweder mit einer Marginalie zu seinen seriellen "Sittenschilderungen" aus dem Berliner Tiergarten-Milieu der Parvenüs oder mit einer Bemerkung zu seinem Roman von 1925, Berlin ohne Juden, eine, sagen wir, enge Adaption des auf Wien gemünzten Romans von Hugo Bettauer, Die Stadt ohne Juden, worin die Juden aus Deutschland ausgewiesen, aber auf Druck der internationalen Regierungen wieder zurückkehren dürfen. Landsberger, promovierter Jurist, war ein Lebemann mit Hang zu Skandalen und Vielschreiber mit Gespür fürs Gängige. Er war auch als Drehbuchautor erfolgreich. So kannte er sich im Filmgeschäft aus und fabrizierte 1927 einen Roman, Liebe und Bananen, der im einschlägigen Milieu spielt und den man heute wohl "turbulent" nennen würde. Aber würde man das heute noch lesen? Nun, man kann es wieder - dank dem entdeckungs- und risikofreudigen Verleger Stefan Weidle, der schon so manche von den Säuen der Zeit in den Mist der Vergessenheit getretene Perle wieder zum Glänzen gebracht hat. Dies nun - na ja. Der Filmroman ist, wenn man unablässig wilde Dialoge für turbulent hält, turbulent. Aber eigentlich erschöpft sich der Reiz dieser abstrusen Geschichte um herumrasende Verwechslungsverwechslungen darin, dass die Protagonisten kärglich verfremdete Namen damaliger Größen aus dem Filmgeschäft tragen - Paul Wegener zum Beispiel als Paul G. Olem erscheint. Kann man lesen, muss man nicht mögen. Ist aber, wie immer bei Weidle, ein sorgfältig und schön gemachtes Buch.

Artur Landsberger: Liebe und Bananen. Eine wilde Sache. Roman. Weidle, Bonn 2006, 267 S., 21 EUR


Ewald Gerhard Seeliger wurde 1877 geboren. Er ist, um im Jargon zu bleiben, ein echter Bananenfürst. Ewger Seeliger nannte er sich. Ebenfalls ein Vielschreiber, ebenfalls einer, der seriell schrieb. Anders als Landsberger hatte er einen Goethe- und Messiaskomplex. Er schrieb zumindest einen immens erfolgreichen Turbulenzroman, Peter Voß der Millionendieb (1913), 1958 mit O. W. Fischer verfilmt. Und er schrieb 1922 das Handbuch des Schwindels, ein ebenso kauziges wie originelles Brevier gegen die Hordendummheiten dieser Welt, wie Krieg, Obrigkeit, Literaturbetrieb und deren Derivate. Ob Seeliger ein Klapskopf war, der sich normal gab, oder ein Eulenspiegel, der sich den § 51 verschaffte, wird wohl nie herauszubekommen sein. Sein fürsorglicher Nachlebens-Anwalt Max Heigl hat aus dem Nachlass ediert, was man Fragmente einer Autobiographie nennen könnte. Allein die wechselnden Titel, die das Manuskript zwischen den zwanziger und fünfziger Jahren trug, sind die Lektüre wert. Jetzt heißt es Messias Humor. Das ist sprachmächtige Schwurbelistik in Reinstform. Arno Schmidt muss einen Gutteil seiner Marotten hierher haben. Da wird jemand "begoethet" oder es "sirent Helen sopranisch" - getreu dem Motto: "Wenn ich Sätze brauche, so pflege ich mir diese Gebrauchsgegenstände selbst anzufertigen." Diese zerrupfte Biographie, eine Mixtur aus Großmannssucht und Hinterlist, spielt mit Dokumenten bewehrt, jeweils in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der Bundesrepublik das Experiment durch, wie man sich für verrückt erklären und dabei die Erklärenden als die wahrhaft Irren erscheinen lassen kann. Ein jahrhundertlicher Wahnsinn.

Ewger Seeliger: Messias Humor. Fragmente einer Autobiographie 1877 - 1959. filos, Erlangen 2005 320 S., 24,80 EUR


Lachen, haben wir unlängst im Freitag (31/06) lernen können, hat mit Humor nicht viel zu tun. Jedenfalls bei Frauen. Bei Philosophen schon. Sagt Manfred Geier, der seine Kleine Philosophie des Humors übertitelt hat: Worüber kluge Menschen lachen. Jetzt müssten wir mit Platon anfangen, der es dumm nannte, dass eine Magd sich vor Lachen ausschüttete, als Thales von Milet in den Brunnen fiel. Tun wir aber nicht, sondern verraten bloß, dass Geier es mit der Magd hält. Er rehabilitiert auch Kant als Philosophen des Humors mit Humor. Im Ernst war das freilich schon vorher bekannt. Aber heiter und gelassen gelesen, ist Geiers Buch doch eine gute Alltags-Gehhilfe, ein kräftigendes Trost- und Denkstück gegen die Zeloten, die um uns herum über alles und jedes eifern, sich selbst natürlich ausgenommen. (Hat einer der dieser theologisch unfundierten Selbstmordkasper wohl je drüber nachgedacht, wie sich die Huris nicht mehr einkriegen könnten vor Lachen, wenn sie den Hackepeter sehen, der Anspruch auf ihre himmlische Begleitung erhebt?)

Manfred Geier: Worüber kluge Menschen Lachen. Kleine Philosophie des Humors. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2006. 285 S., 16,90 EUR


Erzählen ist auch so eine Sache. Es gibt so viel Gerede vom Erzählen, dass man es schon nicht mehr hören mag. Im Reflex darauf wird Narration leicht zur Subkategorie von Narretei. Das kommt davon, wenn man, was human selbstverständlich ist, den phantasielosen Vorschneidern und Nachkauern am Tisch der Natur überlässt. Da kann man fast schon wieder mit jenen Asketen sympathisieren, die das Erzählen einmal als zutiefst modernefremd verpönten. Um so wohltuender ist es, wenn einer der großen Alten der Literaturwissenschaft, Volker Klotz, ein ganzes Buch dem Erzählen widmet, das ganz ohne die Beipackzettel und Hilfsmenüs der Narrativik auskommt, dafür sich aber in einer heiteren Gelassenheit jenen großen Werken widmet, deren Name schon ausreicht, um den Erzählschauer im Rücken sich einstellen zu lassen. Man kann auch unken, das sei unbescheiden: Von Homer zu Boccaccio, von Cervantes zu Faulkner, wie der Untertitel verspricht. Doch Klotz nimmt man es ab, weil er uns mit der Weisheit und Abgeklärtheit des wahren Erzählers fesselt. Allein dass er Potockis Die Handschrift von Saragossa aufgenommen hat, hätte mich entwaffnet. Das tückisch Gute an diesem Buch ist, dass es nicht mit alldem einschüchtert, was man nie und nimmer noch wird lesen können, sondern die wunderbaren Erzählwerke so vorstellt, dass man das Gefühl hat, sie wären, wenn es darauf ankäme, unser bester Freund. (Ganz nebenbei gibt er auch zu verstehen, wen wir unbesehen stehen lassen können.)

Volker Klotz: Erzählen. Von Homer zu Boccaccio, von Cervantes zu Faulkner.
C. H. Beck, München 2006, 508 S., 29,90 EUR


Der Pop-Moderne erzählt nicht, sondern liefert Listen. Marken. In und Out. Das ist Zivilisation, sagen die sich für Kulturträger halten. Das ist Kult, sagen die nicht sehr kultiviert sind. Jedenfalls schön unnatürlich. Also eigentlich out. Denn Provinz, Landschaft (nebst Wandern) und Natur sind in. So weiß man, wenn man den Untertitel von Bullau, Versuch über Natur, liest, dass das nicht Pop, sondern in sein soll. Andreas Maier ist in geworden, weil er wie Thomas Bernhard geschrieben hat. Jetzt hat er zusammen mit Christine Büchner ein Büchlein vorgelegt, das ohne Konjunktiv-Tiraden auskommt. Die beiden schreiben darin, wie schwer, aber auch beglückend es ist, zur Natur zu finden - nicht in härenen Gewändern selbstgetöpfertes Brot verzehrend, sondern einfach aufmerksam für die Natur und ihr dasselbe Recht angedeihen lassend, das wir der Markenwelt einräumen, nämlich zu beobachten und zuzuordnen, zum Beispiel einen Kleiber von Amseldrosselfinkundstar zu unterscheiden. (Kleiber ist der mit dem Hubschrauber-Geräusch.) Die beiden erzählen von ihren allmählichen Annäherungen an die Natur, von der sie natürlich wissen, dass sie nichts Ursprüngliches ist. Sie erzählen wie Pastoren - schön langsam und gut auffassbar und immer sanft mit dem Tröstefinger weisend. Das macht aber nichts. Man fühlt sich zu Hause: Die Natur, so besehen, nämlich die Gräser und Blümelein hübsch notiert und eingeprägt, die Vögel belauscht und im Gesang unterschieden - das ist gar nicht verschieden von der Kennerschaft bei Autos, Fußball, Popmusik und TK-Pizza. Und wenn es alle nachmachen, kann man ja einfach wieder damit aufhören, wie Maier-Büchners mit dem Bärlauch-Essen.

Andreas Maier/Christine Büchner: Bullau. Versuch über Natur. Heinrich u. Hahn, Frankfurt am Main 2006, 129 S., 17,90 EUR


Wer es besser machen will als ich, der kann sich eine Hilfestellung von Christoph Wöhrle besorgen. Er hat offenbar sein Handwerk ordentlich gelernt und kann daher fasslich und nützlich erklären, wie und wo man alles Journalist werden kann, wie man sich bewirbt, was man beachten und können muss, was wo dazuzulernen ist. Das ist anschaulich mit Interviews unterlegt und hilfreich mit Adressen bestückt. Nur wie man mit dem Einkommen daraus, zum Beispiel mit den Gehältern und Honoraren beim Freitag, überlebt, das behält er für sich.

Christoph Wöhrle: Berufsziel: Journalist. uni-edition, Berlin 2006, 205 S., 19,90 EUR


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