Wurde die neue Mystery-Serie "Oderbruch" von einer Romanvorlage inspiriert?

Serientipp "Oderbruch" Die internationale Mystery-Serie "Oderbruch" (ARD) feierte Ende Juni auf dem Filmfest München Premiere. Bereits vier Jahre zuvor wurde der Thriller "Kostbares Blut" veröffentlicht. Diente das Buch möglicherweise als Inspirationsquelle?

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Überraschend und voller Neugierde bin ich auf die neue Serie "Oderbruch" gestoßen, eine internationale Umsetzung der beiden Headautoren Arend Remmers und Adolfo J. Kolmerer. Bekannt ist Arend Remmers für die ausgezeichnete Serie "Sløborn", in der es um den Ausbruch der Taubengrippe auf einer norddeutschen Insel geht. Die Idee für dieses gelungene Meisterwerk geht auf Christian Alvart zurück, der auch bei der Serie "Oderbruch" Regie führte. Insgesamt bin ich schon sehr gespannt auf die neue Mystery-Serie, die als Koproduktion von ARD und CBS demnächst in der ARD Mediathek zu finden sein wird.

Hochkarätige Schauspieler:innen wie Karoline Schuch, Felix Kramer, Lucas Gregorowicz, Julius Gause und Adrian Topol lassen auf eine spannende Unterhaltung hoffen. Der genaue Plot der neuen Serie ist leider noch nicht öffentlich bekannt, deshalb beziehen sich meine Vermutungen nur auf bereits veröffentlichte Informationen. Auch ein geplanter Starttermin wurde bisher nicht genannt. Ich kann also nur vage Verknüpfungen auf Grundlage einer spärlichen Informationsdichte herstellen, was mit starker Unsicherheit behaftet sein dürfte und mit Vorsicht zu genießen ist. Dennoch haben meine Vermutungen eine gewisse Brisanz, denn die Parallelen zwischen der neuen Serie "Oderbruch" (2023) und dem Psychothriller "Kostbares Blut" (2019) sind in meinen Augen schon recht auffällig. Nichtsdestotrotz bin ich ein großer Fan von "Sløborn", weshalb man diesen Artikel auch als indirekte Empfehlung für die neue Serie "Oderbruch" verstehen kann. Ich bin mir sicher, dass die Mystery-Serie im kommenden Jahr für viel Gesprächsstoff sorgen wird. Deshalb möchte ich mich frühzeitig mit den Inhalten und möglichen Parallelen zum Buch auseinandersetzen.

So heißt es beispielsweise in der Logline vom Filmfest München wortwörtlich:

"Im Oderbruch wird auf einem brachliegenden Feld ein Berg aus Leichen und Gebeinen von 248 Opfern gefunden. Scheinbar motivlose, willkürliche Morde, verteilt über die letzten zwei Jahrzehnte. Den Leichen wurde ihr komplettes Blut entzogen."

Insbesondere der letzte Satz zeigt auffällige Parallelen zum Buch "Kostbares Blut", was für mich nur schwer als reiner Zufall durchgehen kann. Der bereits bekannte Handlungsstrang der neuen Serie scheint sich zwar vom Buch zu unterscheiden. So lassen Plot und Charaktere bisher noch keine Übereinstimmungen erkennen. Viel mehr sind es jedoch die tieferliegenden Handlungsebenen einer Hinterwäldlerfamilie aus dem Oderbruch und die allgemein düstere Atmosphäre, für die das Buch den beiden Headautoren als Inspirationsquelle gedient haben könnte. Einen ersten Eindruck konnte ich mir bereits auf dem Instagram Kanal von Adolfo J. Kolmerer verschaffen. Dort wurden alle Drehwochen zu mehrteiligen Video-Reels zusammengeschnitten. Genau hier entdeckte ich auch jene interessanten Parallelen, die ich so bereits vor Jahren in meinem Buch beschrieben hatte. Ob dies nun reiner Zufall ist und eine Art Überinterpretation meinerseits darstellt, kann ich leider nicht objektiv beurteilen.

Ich werde nun Einzelheiten aus der Story meines Buches sinngemäß für alle Leser:innen wiederholen, die bisher noch nicht mit der Geschichte vertraut sind. Anschließend werde ich die genannten Punkte aus dem Buch wiederum in Bezug zu den spärlichen Informationen setzen, die ich im Internet und vor allem auf Instagram zur neuen Mystery-Serie gefunden habe:

Im Buch "Kostbares Blut" spielt sich die Handlung größtenteils auf einem entlegenen Gutshof im Oderbruch ab. Zwar wechselt der Handlungsort zwischendurch auch immer wieder mal nach Berlin, aber in erster Linie möchte ich auf Einzelheiten eingehen, die sich ausschließlich im Oderbruch abgespielt haben. Auf einem abgewirtschafteten Gehöft, nahe der polnischen Grenze, lebt ein älterer Mann namens Manfred zusammmen mit einer älteren Frau inmitten einer verstörenden Parallelwelt. Abgeschnitten von der Zivilisation hält der Mann zahlreiche Flüchtlinge im Stall gefangen. Er kooperiert mit osteuropäischen Menschhändlern. Die Gefangenen dienen der reichen Berliner Oberschicht auf grausamer Weise als eine Art Ersatzteillager. Beispielsweise liefern sie dieser u.a. Organe und Gewebe. Auch Blutprodukte spielen eine zentrale Rolle in meinem Buch, was bereits der Titel "Kostbares Blut" erahnen lässt. So wird den Opfern u.a. das Blut entzogen, um daraus wichtige Plasmaproteine für die Pharmaindustrie zu gewinnen. An dieser Stelle kann ich nur mutmaßen, ob die Serie einer ähnlichen Idee nachgeht, wenn es wortwörtlich heißt, dass den Leichen das komplette Blut entzogen wurde.

Die unmenschlichen Zustände sollten eine Diskussion darüber anstoßen, wie wir mit unseren Mitmenschen aus fremden Herkunftsländern umgehen. Neben der Tatsache, dass den Opfern das komplette Blut entzogen wurde, finden sich aber noch weitere Parallelen zwischen Roman und Serie. In den Reels auf dem Instagram-Kanal von Kolmerer sieht man u.a. einen älteren Herren der besagten Hinterwäldlerfamilie in Regenjacke mit einer Angelrute über das Feld stapfen, so wie ich es bereits im Buch in einer Szene beschrieben hatte. Meine Vermutung geht in die Richtung, dass vor allem der hünenhafte Antagonist "Manfred" in gewissen Teilen als Charaktervorlage gedient haben könnte. Seine beschriebenen Verhaltensweisen sind zutiefst verstörend und deshalb womöglich auch guter Stoff für die tieferliegenden Handlungsebenen der neuen Thriller-Serie, die ich bisher leider nur anhand spärlicher Quellen erahnen kann. So rennt der besagte Mann in einer weiteren Serien-Szene mit einem rauchenden Gegenstand über das Feld. Ich konnte darin eine Kettensäge o.ä. erkennen und hatte diese Szene angelehnt an "Blutgericht in Texas" bereits in meinem Thriller beschrieben. Außerdem sind Ausschnitte von Menschen zu sehen, die offenbar in einem Stall neben Tieren sitzen. Auch diese Szene erinnerte mich an die Romanvorlage. Weiterhin zu sehen sind ein SEK-Team, das den Gutshof stürmt und ein abhebender Polizei-Helikopter. Auch diese Elemente sind Bestandteil meiner Geschichte. Inwieweit der Kannibalismus aus dem Buch in der Serie aufgegriffen wurde, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht genau sagen. Zumindest sieht man in einer der Szenen einen jungen Mann, der blutige Stellen um den Mund herum aufweist. Es würde mich also nicht wundern, wenn auch dieses verstörende Element übernommen wurde, zumal es bereits bei "Blutgericht ins Texas" eine zentrale Rolle des Horrors gespielt hatte und ursprünglich auf den amerikanischen Kriminalfall um Ed Gein zurückgeht. In den Reels ebenfalls zu erkennen ist immer wieder ein gut gekleideter Herr mit Sonnenbrille und schwarzer Limousine, der offenbar in Verbindung zur Hinterwäldlerfamilie aus dem Oderbruch steht. Hier könnte ich mir gut vorstellen, dass die Figur vom reichen Berliner Biochemiker Richard Jungblut aus "Kostbares Blut" ispiriert worden ist, der im Buch ebenfalls mit daran verdient, dass den Leichen das Blut entzogen wurde. Im Buch arbeitet er schließlich für einen multinationalen Pharmakonzern, der das Gewebe der Leichen für wissenschaftliche Studien verwendet. Gleichzeitig greift er für seine kleine Tochter auf eine passende Spenderniere zurück, die auf fragwürdige Umstände in eine private Berliner Transplantationsklinik gelangt ist. Als seine Tochter dann unerwartet an einer fehlgeschlagenen Transplantation verstirbt, begibt er sich als Ermittler auf die Suche nach den Ursachen, was ihn letztendlich selbst in den Oderbruch führt.

Die düstere Atmosphäre hatte dem Buch auch seinen typisch-verstörenden Horror-Charakter verliehen, der bei vielen Leser:innen ein unbehagliches Gefühl zurückließ. Ich hatte damals zwischen 2015 und 2019 intensiv für dieses Projekt recherchiert, bin häufiger selbst in den Oderbruch gefahren und habe mich u.a. von Filmen wie "Blutgericht in Texas" (1974) und "Fleisch" (1979) inspirieren lassen. Insofern kann ich schon zugeben, dass es immer einen regen Austausch zwischen Filmen, Serien und Büchern gegeben hat und auch weiterhin geben wird. Oft werden gute Szenen von den Drehbuch-Autor:innen unbewusst übernommen und zu einem neuen Kunstwerk mit eigener Schöpfungshöhe weiterverarbeitet. Wie viel Prozent des ursprünglichen Materials dann im neuen Gewand auftaucht, lässt sich nicht immer ohne teure Medienanwälte bestimmen. Deshalb wäre es aus meiner Sicht auch völlig legitim, wenn eine große Serienproduktion wie "Oderbruch" in Teilen von meinem Psychothriller-Hauptwerk "Kostbares Blut" inspiriert worden ist. Ich fühle mich dadurch sogar geehrt und motiviert, weitere Projekte in ferner Zukunft anzugehen, vielleicht auch in Kooperation mit der Verlags- und Filmwelt. Allerdings geht meine eigene Schöpfungleistung leider komplett unter, wenn sich international erfolgreiche Headautoren mit großen Produktionsstudios und Agenturen inklusive Rechtsabteilungen im Hintergrund, an einem deutlich unbekannteren Werk bedienen, das als Indie-Projekt exklusiv auf Amazon online gestellt wurde und in dem viele Jahre harte Recherche- und Textarbeit stecken.

Ende 2020 fragte bereits ein anderes Produktionsstudio nach den Filmrechten an "Kostbares Blut" und lobte die Prämisse. Damals musste ich die Frage verneinen, von einer Agentur vertreten zu werden. Aus dem E-Mail-Verkehr und anschließendem Erstgespräch ergab sich dann leider keine weitere Kooperation. Wenn es in dieser Branche also Gang und Gäbe ist, sich an den Ideen kleinerer Selbstverleger zu bedienen, wäre das schon sehr enttäuschend und demotivierend, aber in gewisser Weise auch nachvollziehbar in der Logik des Kapitalismus. Sollte das Werk eines Selbstverlegers nur als reine Inspirationsquelle für einen sehr viel größeren Film oder sogar eine mehrteilige Serie gedient haben, wäre es zumindest hilfreich von den jeweiligen Headautoren, auf genau jene Inspirationsquelle in späteren Interviews o.ä. zu verweisen, statt alles sofort abzustreiten oder zu ignorieren. Dies würde allen Seiten helfen und wäre zumindest ein wertschätzendes Eingeständnis. Ob kleiner Selbstverleger, großer Publikumsverlag oder internationales Produktionsstudio. Wir alle sind Teil einer vielfältigen Medienlandschaft, die sich immer gegenseitig beeinflussen wird. Wenn wir diese Vielfalt auch in Zukunft weiterhin bewahren möchten, brauchen wir einen fairen Ausgleich zwischen David und Goliath.

Am Ende bestätigt sich leider, dass es ohne große Organisationen im Hintergrund für einen Selbstverleger nahezu unmöglich geworden ist, sich gegen mögliche Ungerechtigkeiten zu wehren. Mir bleibt nicht viel mehr als dieser Artikel, um auf die Parallelen zwischen Romanvorlage und Serienproduktion hinzuweisen. Hätte ich das Projekt bei einer Agentur eingereicht, die es an einen der großen Publikumsverlage vermittelt hätte, würde ich mich nun vielleicht nicht so übergangen fühlen und selbst als Beitragender genannt werden. So bleibt es jedoch bei einer kleinen Randnotiz auf dieser Seite und dem unbehaglichen Gefühl, das E-Book im Jahr 2019 zu einem Preis von 0,99 Euro über Amazon an Headautoren verkauft zu haben, die darauf basierend eine mehrteilige Serie produzierten, ohne zu erwähnen, auf welcher Grundlage ihre Ideen überhaupt entstanden sind.

Das Buch "Kostbares Blut: Psychothriller" ist weiterhin exklusiv für 0,99 Euro bei Amazon erhältlich. Ihr gelangt über diesen LINK dorthin. Bei einem Kauf erhalte ich übrigens nur 30 Cent vom Verkaufspreis. Die restlichen 70 Cent gehen an Amazon.

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Geschrieben von

E. Sawyer

E. Sawyer (1990) ist das Pseudonym eines deutschen Autors.

E. Sawyer

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