Allein unter Männern

Kino In Steven Spielbergs Film „Die Verlegerin“ geht es um juristische Sorgfalt. Er erzählt dabei von gestern, meint aber die Jetztzeit
Ausgabe 08/2018

Wir schreiben das Jahr 1966. Der Vietnamkrieg stagniert aus Sicht der USA, eine Kommission soll die Lage im Auftrag der Regierung untersuchen. Mit dabei: ein junger Mitarbeiter des konservativen Think-Tanks Rand Corporation, Daniel Ellsberg. Ellsberg wird später Ergebnisse der Untersuchungen des Verteidigungsministeriums an die großen Zeitungen schicken, die sogenannten „Pentagon Papers“, die belegen, dass die aussichtslose Situation im fernen Krieg lange bekannt ist, bevor er zu Ende geht.

Liz Hannah und Josh Singer machen daraus in ihrem Drehbuch zu Steven Spielbergs neuem Film Die Verlegerin ein Drama um Machtstrukturen, Politik und Journalismus – indem sie die Ellsberg-Enthüllungen entlang der Geschichte von Katharine Graham erzählen.

Graham (Meryl Streep) hat die Washington Post nach dem Tod ihres Mannes übernommen und zunächst vor allem fortgeführt. Als Regionalzeitung sind von der Post keine Gewinne mehr zu erwarten, durch einen Börsengang soll das nötige Geld beschafft werden, um zu wachsen und landesweit an Bedeutung zu gewinnen. Hinter einem Schreibtisch voller Aktenberge büffelt Graham mit ihren Beratern für das entscheidende Treffen. Als sie schließlich die Finanziers überzeugen soll, stocken ihr dennoch die Worte. Das Geld fließt, wenn auch zunächst unter dem Vorbehalt „unvorhersehbarer Ereignisse“.

In diese ökonomische Umbruchzeit fällt die Veröffentlichung der „Pentagon Papers“. Die New York Times druckt auf Basis der Unterlagen eine spektakuläre Episode nach der anderen und wird dafür bald von der Regierung Nixon wegen Geheimnisverrat verklagt. Der Chefredakteur der Washington Post, Ben Bradlee (Tom Hanks), der die Konkurrenz zu dem wichtigen Blatt sucht, drängt darauf, sich ebenfalls in diesen Streit zu stürzen – auch auf die Gefahr hin, damit den Zorn des Präsidenten auch auf sich zu ziehen und eventuelle Investoren zu verschrecken.

Spielbergs Filme waren oft Hommagen an den Status quo. Familien beispielsweise leben darin zum einen immer im Spannungsfeld von Chaos und Sicherheit – mit dem Vater als haderndem Ernährer. Spielbergs Ausflüge in die Vergangenheit zielten zum anderen stets darauf, das Fortwirken derselben in die Gegenwart sichtbar zu machen. Beides führt er in Die Verlegerin fort und wirft es zugleich über den Haufen: Waren die Frauenfiguren in Spielberg-Filmen eher stiefmütterlich gezeichnet, ist die Darstellung Katharine Grahams ein erkennbarer Bruch.

Die Verlegerin zeigt eine Frau, die aus dem Schatten ihres Mannes tritt. Graham muss sich gegen männliche Berater und männliche Banker gleichermaßen behaupten. Die Skepsis, ob sie in der Lage sein wird, ihre Pläne für die Washington Post zum Erfolg zu führen, ist allgegenwärtig.

Spielberg und sein Kameramann Janusz Kamiński machen die Trennung zwischen vermeintlich männlichen und weiblichen Sphären in den Bildern des Films sichtbar. Nach einem Abendessen landet die mächtige Frau wie zwangsläufig unter den Gattinnen der Männer, die rauchend und hinter verschlossenen Türen die großen Fragen diskutieren.

Die guten alten Werte

Der Erkenntnisprozess der Männer, Graham als gleichberechtigt zu begreifen, braucht Worte. Als Chefredakteur Bradlee sich gegenüber seiner Frau rühmt, wie mutig die Veröffentlichung trotz der zu erwartenden Sanktionen sei, rückt diese ihm die Dinge zurecht. Als Journalist finde er immer einen Job. Mutig sei vor allem, die Konfrontation mit den Leuten, mit denen einen das gesellschaftliche Leben verbinde (Verteidigungsminister Robert McNamara verkehrt in Grahams Haus als guter Freund), als Verlegerin zu wagen, zumal Graham als Frau in dieser Zeit ohnehin unter besonderer Beobachtung stehe.

Spätestens mit Bridge of Spies (2015) hat sich Spielberg darauf verlegt, der Gegenwart filmisch ins Gewissen zu reden. Gemeinsam mit dem Schauspieler Hanks wird für demokratische Werte geworben. Fand das Plädoyer für die Rückbesinnung darauf in Bridge of Spies noch in einer Nebenszene in einem Diner statt, in dem Hanks als James B. Donovan einem FBI-Agenten Gesinnungsschnüffelei austreibt, so durchzieht das Verfassungspathos nun den gesamten Film.

Die Verlegerin entstand in beeindruckender Geschwindigkeit. Im Oktober 2016, noch vor der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, bekam Spielberg das Skript vorgelegt, im Mai 2017 war Drehbeginn, im Dezember der Film fertig. Der gerade in der Liebe zum Detail des analogen Zeitungsmachens (das Setzen, Drucken, Ausliefern wird immer wieder gezeigt) eine Vorstellung von Sorgfalt befördert, die das Gegenteil ist vom demagogisch-selektiven Medienverständnis des aktuellen Präsidenten.

Der Freiraum, den Spielberg dank seinem Erfolg genießt, eröffnet ihm die Chance, zu filmen wie zu Hollywoods goldenen Zeiten. Seit Jahren arbeitet er mit Produzentin Kristie Macosko Krieger zusammen, dreht er mit Kamiński (oft auf analogem Filmmaterial), ist John Williams für die Musik zuständig. Spielberg hat sich sein eigenes Universum geschaffen, beständig alternierend zwischen politischen Plädoyers wie diesem und fantasievollen Ausflügen wie dem Sci-Fi-Film Ready Player One, den er für Die Verlegerin, eine altmodisch-hochaktuelle Geschichte über journalistisches Ethos, nur aufgeschoben hat.

Info

Die Verlegerin Steven Spielberg GB/USA 2017, 116 Minuten

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