Lasst euch nicht ablenken!

G20 in Hamburg Der Diskurs über linke und Polizeigewalt überschattet die Berichterstattung - und lenkt damit von den wichtigen Themen ab.

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Die Fronten sind verhärtet, jede*r sieht sich in seinem Weltbild bestätigt. Die Einen haben schon immer gesagt, dass Linksextreme gewalttätig sind und die Anderen wussten schon vorher, dass die Polizei von Anfang an auf Eskalation aus war. Die zahllosen Artikel und Kommentare auf allen Kanälen beweisen: hinterher waren alle schlauer. Einige Medien versuchen sich auch in ausgewogener Berichterstattung zu den Protesten am vergangenen Wochenende und versuchen zu erklären, worum es sich eigentlich beim Schwarzen Block handelt oder wie die Strategie der Polizei zu deuten ist und erkennen Fehler auf beiden Seiten.

Gerade in den sozialen Medien aber, findet sich eine große Zahl sehr einseitiger Einschätzungen, die teilweise ein heroisches Bild einzelner Personen oder der beteiligten Parteien bei den Protesten und Ausschreitungen zeichnen. Generell finde ich es befremdlich, wenn irgendwelche Personen oder Taten heroisiert werden. Unabhängig davon, was man davon hält. dass Leute Polizeifahrzeuge erklimmen, muss man erkennen, dass, um diese dort wieder zu entfernen, auf den Einsatz von Pfefferspray verzichtet werden kann. Dafür sollten "unsere Jungs" definitiv gut genug ausgebildet sein. Wer Polizist*innen unkritisch und bedingungslos heroisiert, fetischisiert damit auch einen autoritären, gehorsamen Typus Bürger*in, den wir uns wohl kaum wünschen sollten. Und denjenigen, die (vorgeblich) gegen Putin und Erdogan auf die Straße gehen, mit genau jenen Methoden zu begegnen, denen die inhaltlich zugrunde liegende Kritik und Empörung geschuldet ist, ist schlichtweg beschämend!

Nicht minder befremdlich finde ich es, wenn sich Initiator*innen der Proteste nicht klar von dieser Form von Gewalt distanzieren und diese damit implizit gutheißen. Wer nur lange genug auf Twitter sucht, wird auch einen Beleg für seine Einschätzung finden.

Aber müssen wir uns eigentlich auf diese Diskussion einlassen? Bleibt dabei nicht das eigentliche Thema auf dem Schulterblatt liegen? Warum lassen wir uns so schnell, so bereitwillig ablenken? Kaum jemand redet darüber, was bei dem Treffen der G20 herauskam und noch weniger Leute beachten die berechtigte Kritik an dieser - inoffiziellen - Institution, die von mehreren zig tausend Menschen - friedlich! - auf die Straße gebracht wurde.

Aber klar - Gewalt ist laut. Also hören wir denen zu, die am lautesten sind. Ob das die sind, die Autos anzünden und Rewes plündern oder die, die mit Sturmgewehren Journalist*innen bedrohen, scheint schwer auszumachen. Können wir uns als Gesellschaft nicht wenigstens darauf einigen, dass wir Gewalt verurteilen und dass unsere Grundrechte nicht unverhältnismäßig eingeschränkt werden dürfen? Und dann widmen wir uns wieder den eigentlichen Themen, die inhaltlich überhaupt zur Debatte stehen.

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