Ärger im Schweinesystem

Porträt Johannes Röring ist CDU-Politiker und Bauernfunktionär. Heimlich gefilmte Videos aus seinem Stall bringen ihn in Erklärungsnot
Ausgabe 40/2016

An großen Worten spart Johannes Röring nicht: „Tierwohl und Tiergesundheit stehen für uns an oberster Stelle.“ Röring ist Landwirt, Funktionär beim Deutschen Bauernverband, langjähriger CDU-Abgeordneter im Bundestag. Und seit kurzem hat er ein Problem: erschreckende Videoaufnahmen aus dem Schweinemastbetrieb seiner Familie. Gefilmt von Tierrechtsaktivisten, ausgestrahlt in der ARD-Sendung Panorama. Zu sehen sind kranke und verletzte Schweine, ein Tier liegt sogar tot zwischen seinen Artgenossen.

Entstanden sind die Bilder im Rahmen der bisher wohl umfangreichsten Undercover-Recherche in deutschen Ställen. Seit 2015 haben Tierfreunde immer wieder nachts heimlich gedreht – in insgesamt zwölf Anlagen mit Schweinen, Puten oder Hühnern. Veröffentlicht wurde das Material nun von der Organisation Animal Rights Watch, die es der Panorama-Redaktion vorab zur Verfügung stellte.

Aktivisten wollen weg vom Einzelfall

Das Brisante: Besucht wurden ausgerechnet die Ställe von hochrangigen Vertretern in Verbänden der Tierhaltungs- und Fleischindustrie. Mit dabei ist aber auch ein Politiker: Johannes Röring. Der 57-Jährige sitzt nicht nur im Bundestag, sondern wird gleichzeitig auch als Lobbyist tätig. Sehr aktiv ist er etwa im Deutschen Bauernverband, unter anderem als Vorsitzender des Fachausschusses Schweinefleisch und als Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands, eine der 18 Untergliederungen auf Landesebene.

Nun steht Röring plötzlich im Fokus der medialen Aufmerksamkeit, und das, obwohl es den Tierrechtsaktivisten gar nicht um seine Person geht. Im Gegenteil, sie wollen weg vom Einzelfall: „Wenn führende Vertreter einer Branche ihre Tier so halten, sagt das sehr viel über den generellen Zustand in Deutschlands Ställen aus“, erklärt die Aktivistin Friederike Schmitz auf einer Pressekonferenz. Animal Rights Watch setzt sich daher für die Förderung einer bio-veganen Landwirtschaft ein.

Die Realität ist eine andere. In Rörings Stall sieht man verletzte Schweine, eines kann anscheinend nicht mehr aufstehen, robbt sich mühsam vorwärts. Bei einem anderen Tier ist der eingerissene Darm zu sehen. In dem Video hört man, dass viele Schweine husten, die gemessenen Ammoniak-Werte sollen deutlich über der zulässigen Höchstgrenze gelegen haben. Und dann liegt da noch ein Schwein im Abteil, offenbar schon länger tot. Eigentlich hätte es bei einem täglichen Kontrollbesuch entdeckt und weggebracht werden müssen. In der Panorama-Sendung sagt eine Expertin zur Gesamtsituation im Stall Röring: „Da würde man tatsächlich eine Anzeige machen wollen.“ Ein anderer Experte spricht von „katastrophalen hygienischen Bedingungen“.

Der Landwirt und Politiker geht nach der Ausstrahlung in die Öffentlichkeitsoffensive. Er lädt Journalisten zu einer Pressekonferenz auf den Hof, bietet Einblick in die Ställe, sagt: „Wir kümmern uns um die Tiere, tagtäglich.“ Er veröffentlicht zwei Stellungnahmen. Auf den Bildern seien „keinerlei Tierschutzverstöße zu sehen“, heißt es darin. Sein Sohn Christian kümmere sich um die Schweine. Kranke Tiere würden rechtzeitig von den gesunden getrennt und behandelt. Und er behauptet: Das tote Schwein hätten die Tierrechtsaktivisten dort platziert. Der angebliche Beweis: Würde es dort bereits länger liegen, hätten andere Schweine schon in den Kadaver gebissen. Die Aktivisten widersprechen und verweisen auf ihre Aufnahmen von zwei aufeinander folgenden Tagen, beide Male mit totem Tier.

Röring versteigt sich zu weiteren Vorwürfen: Angebliche Verstöße hätten sofort angezeigt werden müssen. Dass die Bilder erst eineinhalb Jahre später veröffentlicht werden, zeige doch, dass die Aktivisten nicht den Tierschutz als Ziel hätten. „Geht es ihnen am Ende nicht doch vielleicht eher um Medienaufmerksamkeit und Spendenwerbung für ihre Organisation?“ Animal Rights Watch kontert: Die Erfahrung lehre, dass auch nach detaillierten Strafanzeigen die Ermittlungen oft eingestellt würden. Daher fokussiere sich der Verein auf die Aufklärung der Öffentlichkeit.

Wenige Tage später hat auch die Tierrechtsorganisation Peta heimlich gedrehte Aufnahmen aus Rörings Stall veröffentlicht – und Anzeige erstattet.

Die Bilder von Animal Rights Watch hatten zuvor schon den Bundestag erreicht: Auf Antrag der Grünen diskutierten die Parlamentarier eine ganze Stunde über die Bedingungen in deutschen Tierställen. Röring wurde in der Debatte nur ein einziges Mal mit Namen erwähnt – und das auch nur als Funktionär, nicht als Politiker.

Lukrative Nebenjobs

Was über ihn in Berlin gedacht wird, kann ihm relativ egal sein. Er ist fest in seinem konservativen Wahlkreis verankert. Groß wurde er auf dem Hof seiner Eltern in Vreden, einem Ort im westlichen Münsterland. Er geht zur Volksschule, aufs Gymnasium, absolviert eine landwirtschaftliche Lehre, wird staatlich geprüfter Landwirt, arbeitet dann im elterlichen Betrieb und übernimmt ihn mit Mitte 20. Er heiratet, bekommt vier Kinder und baut den Betrieb zu einem Unternehmen aus, das auch Energie und Düngemittel herstellt.

In der CDU engagiert er sich auf lokaler Ebene, im Jahr 2005 gelingt ihm der Einzug in den Bundestag, als Direktkandidat im Wahlkreis Borken II. Er wird Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und sucht sich später lukrative Nebenjobs in dem Bereich. Beim Bundestag muss er die Tätigkeiten anzeigen, es ist eine lange Liste. Unter anderem erhält er als Vorsitzender des Bundesmarktverbands für Vieh und Fleisch in diesem Jahr mehr als 15.000 Euro und als Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands mehr als 3.500 Euro monatlich. Timo Lange vom Verein Lobbycontrol sieht mögliche Interessenkonflikte. „Problematisch ist, dass Herr Röring als bezahlter Lobbyist arbeitet und im Bundestag politische Entscheidungen direkt beeinflussen kann.“ Röring selbst hat damit kein Problem: „Das Abgeordnetenmandat steht für mich an erster Stelle.“ Es sind wieder große Worte.

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