Der neue bunte Klimaprotest

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Auf der Demo zu den Bonner Klimaverhandlungen laufen nicht nur klassische Umweltschützer mit. Bei den offiziellen Verhandlungen gibt es hingegen nicht viel Neues.

Große Hoffnung hat wohl niemand in die Bonner Klimaverhandlungen gesteckt. Der Gipfel von Kopenhagen gescheitert, beim nächsten Treffen in Mexiko dürfte es auch nicht anders sein – zumindest wenn man Noch-UN-Klimachef Yvo de Boer glauben schenkt. Trotzdem wird im Hotel Maritim verhandelt wie eh und je. Alles sieht aus wie Kopenhagen, nur drei Dimensionen kleiner. Bloß Insider wissen, wie die Stimmung tatsächlich ist.

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Sven Harmeling von Germanwatch gehört zu diesen Personen, die über längere Zeit die Verhandlungen beobachten. Viele Scherben von Kopenhagen wurden schon auf dem letzten Treffen im April weggeräumt. Jetzt sei die Atmosphäre „schon konstruktiver“, sagt Harmeling. „Es wird schon mehr nach vorne geguckt. Aber die große Dynamik, die fehlt noch.“ Dass im Dezember ein rechtlich verbindliches Klimaabkommen beschlossen wird, glaubt er auch nicht. In einzelnen Punkten ließen sich aber Fortschritte erreichen, zum Beispiel wenn es um die Finanzierung der Klimaanpassung im Süden geht.

Demo in der Innenstadt

Fünf Kilometer entfernt ist man weniger optimistisch. In der Bonner Innenstadt demonstrieren 1.600 Menschen für mehr Klimagerechtigkeit. "Das Scheitern von Kopenhagen und das drohende Scheitern von Bonn zeigen ganz deutlich die Unfähigkeit der Regierungen und Institutionen, mit der Krise, die uns bevorsteht, umzugehen", sagt Ashley Renders vom Bewegungsnetzwerk Climate Justice Action (CJA) bei der Abschlusskundgebung. "In Cancún, bei dem nächsten Klimagipfel, wird es auch nicht anders sein."

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Wirklich pessimistisch sind die Demonstranten aber nicht. Denn in der Bewegung herrscht Aufbruchstimmung. In Kopenhagen waren 100.000 Menschen auf der weltweit größten Klimademo, nun wird selbst zu den Zwischenverhandlungen demonstriert. Grund zur Freude bietet aber auch das breite Spektrum an vertretenen Gruppen und Personen. Nicht nur die klassischen Umweltorganisationen sind da, sondern auch: Die Globalisierungskritiker von Attac, einige Tierfreunde, Atomkraftgegner, Anarchisten und Kommunisten.

Die neue Klimabewegung – breit und radikal

Dass Klimawandel mit vielen anderen Gesellschaftsproblemen zusammenhängt, ist schon lange bekannt. In der Demobeteiligung hatte sich das aber bislang nur mäßig gezeigt. Nun spricht ein Redner über Klimaflüchtlinge, Demonstranten verteilen Flugblätter über den Zusammenhang von Fleischkonsum und Erderwärmung und Atomkraftgegner kämpfen gemeinsam mit Kohlekraftgegnern für eine erneuerbare Zukunft.

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Eine Parole ist immer wieder zu sehen und zu hören: „System change not climate change!“ Systemwandel statt Klimawandel – darin setzt die neue Klimabewegung ihre Hoffnung. Und sie ist durchaus zu radikalen Protestformen bereit: Nach der Demo besetzten hunderte Klimaschützer eine Total-Tankstelle. Autos kommen nicht mehr zu den Tanksäulen, an denen ein Schild angebracht ist: „Geschlossen wegen Klimawandel.“ Von oben lassen Robin-Wood-Aktivisten ein Banner herunter: „Total=Aral=Shell=BP: Bohrlöcher zumachen!“

Die Verhandlungen sind beschaulich

Im Hotel Maritim aber geht alles weiter seinen Gang. Aktionen im Konferenzgebäude, wie es sie in Kopenhagen gab, sind bislang ausgeblieben. Polizei ist kaum zu sehen, das Gelände bei weitem nicht so martialisch abgeriegelt wie in Kopenhagen. Hier ist alles beschaulich – wie Bonn selbst. Kurze Wege, nur wenige Stände von Nichtregierungsorganistionen. Teilnehmer berichten, es sei weniger stressig. Vielleicht liegt das aber bloß daran, dass in Kopenhagen der Erwartungsdruck um ein Vielfaches höher war. Der ist nun weg. Für die Arbeitsatmosphäre mag das gut sein. Für ein künftiges Klimaabkommen nicht unbedingt.
(Fotos: Werdermann)

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