Drei weltgeschichtliche Daten mitten im Sommer

Atomwaffen Am 06. August und 09. August vor 78 Jahren wurden Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. Am 27. Juli vor 70 Jahren wurde auf der koreanischen Halbinsel ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet.

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Es ist Sommer. Das bedeutet für viele auch eine Pause, die langen Ferien, der wohlverdiente Urlaub, abschalten. Zum Stichwort Abschalten passt auch das Sommerloch. Zuweilen gehören in diese Zeit hitzige Debatten, z.B. über Gewalt in Freibädern und Zuwanderung. Es ist Zeit für große Sportereignisse, wie die laufende Fußball-WM der Frauen.

In Japan hat letztere in diesem Jahr schon für viel Freude gesorgt. Nachdem Nadeshiko Japan, wie die Fußball-Nationalmannschaft der Frauen genannt wird, 2011 den WM-Titel holte gilt sie nach dem Asienmeisterschafts-Erfolg dieses Mal nach den ersten WM-Spielen wieder zu den Favoriten. Norwegens National-Trainerin Hege Riise hatte schon vorausgesagt, dass Japan schwer zu schlagen sein würde, nun steht das Team im Achtelfinale.

Während dieses sportliche wie gleichzeitig mediale Ereignis in Japan positive Gefühle hervorrufen dürfte, so ist es mit einem medialen Ereignis diesen Sommers weniger der Fall. Für Ärger sorgten in Japan die beliebten "Barbenheimer"-Memes. Diese verdanken sich dem Umstand, dass sich die Spielzeiten der Blockbuster Barbie und Oppenheimer überschneiden. Bei den Memes werden die beiden Filme gewissermaßen im Bild zusammengemixt. Hier zeigt sich womöglich eine nihilistische Tendenz des Internet-Phänomens des "Memes". Es geht darum, Dinge auf einen Punkt zu bringen, oft humorvoll, wobei wir es hier nun mit einem Beispiel für zumindest in Japan als geschmacklos empfundenen Humors zu tun haben. Es dient oft der Selbst-Bestätigung. Im Fall von "Barbenheimer" stellt sich die Frage ob es sich hier nicht um eine Verhöhnung der Opfer der Atombomben und die Verharmlosung des Einsatzes der Massenvernichtunsgwaffen geht.

Es ist hierbei auch das Timing nicht ganz unerheblich, ist der Sommer nunmal die Zeit in der das Gedenken an die Abwürfe von Little Boy auf Hiroshima und Fatman auf Nagasaki fällt. Bei der heutigen Zeremonie anlässlich des Gedenkens an den Atombombenabwurf auf Hiroshima vor 78 Jahren, die auf NHK World in verschiedenen Sprachen live übertragen wurde, sprach wie üblich auch der Bürgermeister der Stadt Hiroshima. MATSUI Kazumi bezog sich in seiner Rede auf die G-7-Staatschefs und würdigte ihren Besuch Hiroshimas einschließlich des Friedensmuseums. Er mahnte jedoch, dass die Regierenden der Welt sich der Realität stellen müssten, dass die nuklearen Drohungen bestimmter Politiker die Torheit der Theorie der nuklearen Abschreckung erkennen lassen. Er rief dazu auf, eine Kultur des Friedens herzustellen, wie es etwa die Stadt Hiroshima und die Bürgermeister für den Frieden anstreben. Die eigene Regierung rief er dazu auf, bei dem 2. Treffen der Staaten, die den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet haben, wenigstens als Beobachter dabei zu sein. Dies entspreche schließlich dem Wunsch der Hibakusha, dem Wunsch der Überlebenden der Stimbombenabwürfe. Diese sind nun im Durchschnit älter als 85 Jahre. Die Rede ist in voller Länge in englischer Übersetzung auf der englischen Version der Seite der Zeitung The Mainichi zu lesen.

Auch hierzulande finden Veranstaltungen zum Hiroshima- und zum Nagasaki-Gedenken statt. Das Gedenken an Nagasaki geriet zuweilen etwas zu kurz, da in der zeitlichen Abfolge schließlich auf Hiroshima zuerst eine Atombombe abgeworfen wurde. Auch ICAN, die internationale Organisation zur Abschaffung von Atomwaffen erinnert daran. Während der Film Oppenheimer viel Aufmerksam erzeugt und das Thema der Atomwaffen in den öffentlichen Diskurs rückt, wurde von verschiedenen NGOs, Anti-AKW- und Friedensgruppen auch auf die Mängel des Films hingewiesen. Es ist dabei vielleicht nicht zu vergessen, dass es sich um einen Blockbuster handelt, keine Dokumentation. Vielleicht überfrachtet man den Film daher auch mit Erwartungen, wenn man nun bemeängelt, dass die Auswirkungen der radioaktiven Strahlung und das Leiden der Bevölkerung ausgeklammert werden. So berechtigt die Einwände sind, ist auch zu fragen ob in einem Film der eine amerikanische Perspektive widerspiegelt und einem Mainstream-Regisseur gedreht wurde, eine solche weitergehende und damit auch genauere Darstellung an der Logik des Produktions-Kontexts vorbeigeht..

Während in dem US-Blockbuster wie der Titel schon sagt, der Fokus auf der Person Oppenheimer liegt, erzählt etwa der 2015 erschienene Dokumentarfilm Als die Sonne vom Himmel fiel aus einer deutlich anderen Perspektive. Die Regisseurin Aya Domenig geht darin der Geschichte ihres Großvaters nach, der nach dem Abwurf der Atombombe 1945 als junger Arzt im Rotkreuzspital von Hiroshima gearbeitet hat. Dabei trifft sie weitere Hibakusha, die sich für Frieden engagieren und gleichzeitig auch über Radiaktivität aufklären. Dies bildet schließlich eine Klammer zu der Bewältgung der Reaktorunglücks vom 03. März 2011, eine Zäsur für die Nutzung der Atomkraft für zivile Zwecke in Japan, die allerdings bald wieder ein Revival erfahren hat.

Im nun schon mehr als Jahr andauernden Krieg in der Ukraine liegt beides dicht beieinander: Die Gefahr der militärischen Nutzung der Atomkraft, sei es etwa durch die Androhung Atomwaffen einzusetzen durch die Russische Föderation, sei es in einem viel abgeschwächten Maße die Gefahr, die durch den Einsatz von abgereicherter Uranmunition entsteht. Es ist der Weltöffentlichkeit auch vor Augen egführt worden, wie gefährlich sich die zivile Nutzung von Atomkraft auch bei stabilen geologischen und klimatischen Verhältnissen darstelltm wenn es zum Krieg kommt. So gewinnt das Erinnern an Hiroshima und an Nagasaki nicht nur auf Grund des Trends der fortschreitenden nuklearen Aufrüstung aktuell an deutlicher Brisanz.

NGOs und Initiativen, die sich für Frieden und nukleare Abrüstung oder auch gegen Atomkraft einsetzen, nutzen indes den von ihnen zum Teil kritisierten Film Oppenheimer als Aufhänger für Aufklärungsveranstaltungen. So heute auch ICAN.

Eine Thematik, die in dem Film von Christopher Nolan allerdings sehr deutlich wird, ist, wie der Zweite Weltkrieg schon bald in das überging, was gemeinhin als "Kalter Krieg" bezeichnet wird. Im Film geht es um die Entwicklung der Atombombe vor allem in Rückblenden, in der "Jetzt-Zeit" des Films wird Oppenheimer verhört wegen seiner linken Vergangenheit. Nun ist der Kommunismus der Hauptfeind.

In der Realität wurde schließlich auf der koreanischen Halbinsel der erste "heiße Krieg" im kalten Krieg geführt. Wenn man es genau nimmt, wurde beides niemals beendet. Nur aus europäischer Sicht kann man zu der Einschätzung kommen, der kalte Krieg sei schon Geschichte. Am 27. Juli vor 70 Jahren wurde ein Waffenstillstandsabkommen unterzichnet, der die Gefechte beendet hat. Die Spannungen und Feindseligkeiten konnten bis heute nie ganz begelegt werden, die Unterzeichnung eines Friedensvertrags lässt auf sich warten. In der Zeit der Präsidentschaft von MOON Jae-In wurden deutliche Fortschritte erzielt, es gab etwa ein Moratorium von Nuklearwaffentests durch die Demokratische Volksrepublik Korea (DVRK), wie Nordkorea offizell heißt, das historische erste Treffen eines US-Präsidenten mit einem Staatschef der DVRK. Unvergessen die Sport-Diplomatie. Das ist seit dem Scheitern des Gipfeltreffens von Hanoi Geschichte. Im Süden setzt man wieder auf eine harte Linie. Auf die wieder aufgenommenen Militärübungen der USA und Südkoreas reagiert Nordkorea wiederum mit der Demonstration militärischer Schlagfähigkeit.

Die Nordkorea-Analystin und promovierte Wissenschaftlerin an der Universität für Nordkorea-Studien in Seoul Gebriela Bernal konstatiert in einem Beitrag für die South China Morning Post vom 26. Juli 2023 ein Scheitern der harten Linie und der Sanktionen. Eine Grundlage für eine Entspannung sei dagegen ein Friedensvertrag und eine Abkehr von der unrealistischen Forderung der USA, einer kompletten und verifizierbaren Deklunarisierung Nordkoreas vonnöten.

Auch globale Friedensinitiativen halten einen Friedensvertrags für einen wichtigen Schritt für Versöhnung und Entspannung und setzen nicht darauf, erst bestimmte aus ihrer Sicht maximale Forderungen durchsetzen zu wollen. Der ökumenische Rat der Kirchen wiederholte anlässlich des 70. Jahrestags der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens die Bereitschaft zum Einsatz für Frieden und Wiederverienigung auf der koreanischen Halbinsel. In Washington DC hat die Kampagne Korea Peace Now für einen Freidensvertrag geworben. Eine langjährige Streiterin für einen solchen ist Christine Ahn, Tochter von koreanischen Einwanderern in die USA. Sie ist auch Leitende der Women Cross DMZ, einer internationalen Friedensinitiative von Frauen, die sich für Frieden auf der koreanischen Halbinsel engagieren. Diese bringt immer wieder das Argument vor, dass eine Beteilgung von Frauen in Friedensprozessen einen Frieden nachhaltiger werden lasse. Auf YouTube ist derweil eine Dokumentation zu sehen, die von der spektakulären Aktion handelt, die der Gruppe den Namen gegeben hat. Crossings begleitet die Aktivistinnen bei ihrer Reise in die DVRK, dem Friedenssymposium dort und der Überschreitung der Gruppe der Grenze zwischen Nord- und Südkorea, der DMZ (Demilitarized Zone, dt.: Demilitarisierte Zone). Die Gruppe musste sich auch vorwefen lassen, Nordkoreas Regime zu unterstützen und die Menschenrechtsverletzungen vor Ort herunterzuspielen. Doch das anhaltende Engagement von Ahn und ihren Mitstreterinnen zuletzt in Washington DC zeigt, dass diese sich nicht unterkriegen lassen.

Während mitten im Sommer, in Zeiten von Aufrüstung und anhaltendem Krieg auch wieder in Europa die drei weltgeschichtlich bedeutsamen Daten erinnert werden, wird sich noch zeigen müssen, ob aus der Erinnerung und den daraus erwachsenen Aktionen und Initiativen heraus so etwas im globalen Maßstab hergestellt werden kann, was der Bürgermeister Hiroshimas in seiner heutigen Rede angesprochen hatte: eine Kultur des Friedens.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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