K-Kultur, japanische Mangas, C-Pop: Phänomene der Popkultur Ostasiens (1/3): Multitalente

Popkultur In dieser Serie werden ausgewählte Phänomene (nord-)ostasiatischer Popkultur(en) betrachtet

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„Hallyu“, die koreanische Welle, ist kein neues Phänomen. Überhaupt hat etwa die Musikindustrie bereits vielerlei Wellen erlebt: Man denke an die „British New Wave of Heavy Metal“ in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, nicht zu verwechseln mit „New Wave“. Wenn wir den Blick einmal auf die Popkultur hierzulande richten, fällt die „Neue Deutsche Welle“ ein.

„Hallyu“ ist der koreanische Begriff für Welle. Dieser umfasst allerdings nicht nur Musik sondern entsprechend des recht erfolgreich umgesetzten „Nation-Brandings“ – also der Vermarktung der Herkunft der Produkte - die auch mittlerweile international erfolgreichen koreanischen Serien, Filme, Kosmetik und mehr. Das Attribut „K“ für koreanisch gibt es auch als Bestandteil anderer Composita, wie „K-Content“ oder „K-Drama“. Zunächst in Ost- und Südostasien erfreuten sich koreanische Serien und koreanische Popmusik großer Beliebtheit. Hierzulande kannten Fans japanischer Comics und Animationsserien/ -Filme womöglich zuerst J-Pop, also japanische Popmusik. Diese war z.B. bei Intro und Outro bei entsprechenden Serien zu hören.

Es ist allerdings durchaus zu fragen, ob eine solche Attributierung überhaupt aussagekräftig ist, was sagt es denn schon aus, dass ein kulturelles Produkt aus einem bestimmten Land stammt, ist damit der Stil, der Inhalt schon mit bestimmt? Wird nicht dadurch auch eine bestimmte Vielfalt eingeebnet? In einer Folge des Podcasts Rice and Shine über vietnamesische Popmusik wurde es gerade auf Grund des zuletzte genannten Arguments skeptisch betrachtet, diese nun auch äquivalent als „V-Pop“ zu bezeichnen. Ein solches „Nation-Branding“ hat schließlich auch Auswirkungen auf die Softpower eines Landes. So ist es nicht überraschend, dass Südkoreas Kulturministerium K-Kultur auf die Welt ausbreiten wolle, wie es etwa Korea JoongAng Anfang Januar berichtete.

Die Beziehungen zwischen Japan und Südkorea haben immer wieder Auswirkungen auch auf die Wahrnehmung der Pop-Kultur des jeweils anderen Landes, andererseits kann diese auch zu einer tendenziell positiveren Wahrnehmung führen, als dies auf Regierungs-Ebene geschieht. Auf dieses Verhältnis ist JUNG Soo-Young ausführlich unter anderem in einem Beitrag der Zeitschrift Korea Forum aus dem Jahr 2013 eingegangen, der zu jenem Zeitpunkt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Asien-Zentrum der Seoul National University war.

Ihren Siegeszug feierte die „Hallyu“ laut JUNG in den asiatischen Ländern in den 90er Jahren. Als Japan und Südkorea gemeinsam die Fußball-WM ausgerichtet hatten, traten zum ersten Mal auch südkoreanische und japanischer Musiker gemeinsam auf.

Dass die „Hallyu“ in letzter Zeit an Wucht noch zugelegt hat, dürfte einem auch hierzulande kaum entgangen sein. Spätestens seit den Olympischen Winterspielen 2018 Pyeongchang dürfte BTS ein Begriff sein, bei der Fußball WM in Katar 2022 trat sodann Jungkook von BTS auf.

Große Streamingdienste dürfen sich an Erfolgen wie desejenigen der Serie „Squidgame“, aktuell „The Glory“ oder auch der Reality-Show „Singles Inferno“ erfreuen. Koreanische Serien sind mittlerweile ebenso bei Disney+ zu sehen, wie etwa die Kriminalserien „May it Please the Court“ oder „Shadow Detective“ aber auch die romantische Serie mit Jisoo von der Girlgroup Black Pink „Snowdrop“. Letztere wurde stark für ihre problematische Geschichtsdarstellung kritisiert. Ein Anzeichen dafür, dass sich die immer noch bestehende Uneinigkeit bei der Einordnung der früheren Militärdiktatur und der Beurteilung der Demokratiebewegung auch auf aktuelle kulturelle Inhalte auswirkt.

Koreanische Filme sind nun auch zu einer Größe geworden, mit der man auf den internationalen Festivals zu rechnen hat. Die koreanische Popmusik zählt – zumindest bei den Girlgroups – mittlerweile die 4. Generation, diese und die vorherige (also die 3.) sind extrem erfolgreich, das heißt jene Bands, die es denn geschafft haben. Black Pink (3. Generation), TWICE (3. Generation), Aespa (4. Generation) um nur einige aufzuzählen, haben alle schon Rekorde gebrochen.

Die Mitglieder der beliebten Boy- und Girlgroups müssen nicht nur gut singen und tanzen können – wobei dies natürlich auch Geschmackssache ist, ob man dies als Teil eines möglichen Publikums goutieren kann. Sie sind häufig wahre Multitalente.

Die Mitglieder von TWICE haben etwa, wie z.B. auf der Plattform allkpop nachzulesen ist, erklärt, sie hätten nicht debütieren können ohne Fremdsprachenkenntnisse. Fremdsprachenkenntnisse sind unzweifelhaft ein wichtiges Mittel um auch internationales Publikum zu erreichen. Singen die Stars oftmals auf Koreanisch, so gibt es von den berühmtesten Gruppen auch hin und wieder englischsprachige Lieder und ganz bestimmt solche auf Japanisch. Zum Teil gibt es jeweils eine koreanische und eine japanische Version. BoA, die aktuell als Teil der Super-Gruppe Got The Beat gemeinsam mit Mitgliedern von Girlgroups verschiedener Generationen eine neue Veröffentlichung vorgelegt hat, war von Anfang an sowohl in Korea als auch in Japan erfolgreich und veröffentlichte sowohl koreanische als auch japanische Alben.

Längst sind die Boy- und Girlgroups internationale Gruppen und nicht mehr nur auf koreanische Mitglieder beschränkt. So haben etwa TWICE japanische Mitglieder sowie auch Le Sserafim, Tzuyu von TWICE stammt aus Taiwan, Lisa von Black Pink aus Thailand. Luhan, ehemals Mitglied der Boyband Exo und Victoria Song, ehemals Sängerin bei f(x) stammen etwa aus Festlandchina.

Während also Fremdsprachenkenntnisse ein wichtiger Faktor ist, um auch international erfolgreich zu sein und z.T. um sich in der eigenen Gruppe verständigen zu können, gehört zum K-Pop-Star-Sein neben der selbstverständlichen Musikalität und tänzerischen Fähigkeiten noch mehr dazu.

Dies dürfte sich allerdings wohl kaum auf koreanische Gruppen beschränken. Jedenfalls gehört es für diese dazu, an Variety-Shows teilzunehmen, sich zuweilen bei Sportwettbewerben, etwa beim Bogenschießen zu messen, einzelne Mitglieder treten in Drama-Serien auf, viele von ihnen sind Marken-Botschafter. Um mit den Fans zu kommunizieren werden die üblichen Social Media-Kanäle genutzt, mitsamt Challenges. Mit der Popularität von ASMR-Videos war es offenbar auch unumgänglich, dass selbst auf diesem Feld K-Pop-Stars aktiv werden würden. Ein Beispiel ist dafür etwa ein ASMR-Interview mit Le Sserafim-Mitgliedern Sakura und Kazuha, das vor ca. einem Monat veröffentlicht wurde.

Das Training um in eine Gruppe aufgenommen zu werden oder als Solo-Act zu debütieren dauert für gewöhnlich mehrere Jahre und beginnt oft in der Kindheit. Selbst wenn die Künstler oder Künstlerinnen debütieren, müssen sie sich Einschränkungen im Privatleben unterwerfen und verdienen auch nicht gleich ihr eigenes Geld.

Das Online-Magazin Koreaboo sprach im März 2018 davon, dass über 100.000 Trainees eine K-Pop-Karriere anstreben würden, wobei es heißt, dass lediglich 0,1% tatsächlich debütieren, während die anderen entweder weiter trainieren oder niemals eine solche Karriere starten können.

Die South China Morning Post berichtete Ende Januar 2020 über die Anforderungen an K-Pop-Trainees, dabei ist etwa auch die Rede davon, dass so etwas wie Image-Pflege und Etikette dazu gehöre. G-Dragon von der erfolgreichen K-Pop-Boyband Bigbang verbrachte ganze 11 Jahre als Trainee.

Die K-Pop-Welt ist eine, die sicher auch wegen ihrer Ausstrahlung von Positivität und Lebensfreude so viel Aufmerksamkeit erhält. Die harschen Bedingungen für die Stars selbst werden notwendiger als Preis für den Erfolg gesehen. Das glamoröse Image wird wie auch in anderen Teilen der Pop-Welt hin und wieder durch Betäubungsmitteldelikte und anderer Skandale aufgebrochen. Die Stars sind schließlich auch nur Menschen.

Teilweise gibt es eine problematische Fan-Kultur, bei der es zu extremer Verehrung und Bedrängnis der Stars kommen kann. Andererseits sind etwa die Fans der Boyband BTS durch ihren Online-Aktivismus aufgefallen.

Politisch gesehen ist K-Pop insgesamt eher ein angepasstes Phänomen. Ein Hinweis darauf gibt etwa die Tatsache, dass sowohl der frühere liberale Präsident Südkoreas Moon Jae-in als auch der amtierende konservative Präsident Yoon Suk-yeol diesem zugetan ist. Einerseits treten K-Pop-Gruppen etwa auch vor dem südkoreanischen Militär auf und Politik im eigentlichen Sinne spielt kaum eine Rolle. Andererseits geschieht durch manche Gruppen, was ja gut zur Positivität und Lebensfreude passt, eine symbolische Unterstützung der LGBTQ+-Community. Und das wobei ja gerade schon die strikte Aufteilung von Boy- und Girlgroups an traditionellen Zuschreibungen an die Geschlechter orientiert ist. In den vergangenen Jahren outeten sich einige wenige K-Pop-Stars selbst als bisexuell, was immer noch ein Risiko darstellt und für Kritik sorgte – von anderen Fans jedoch viel Zuspruch erhielt.

Die koreanische Welle wird indes nicht so schnell abebben. Ein Hinweis darauf ist etwa, dass mit Black Pink in diesem Jahr zum ersten Mal ein K-Pop-act Headliner beim Coachella Festival in Kalifornien ist.

(Dieser Beitrag ist der erste Teil einer dreiteiligen Serie. Die Einleitung zur Serie, die als 0. Teil gezählt wird, wurde am 08. Januar 2023 veröffentlicht, die nächsten beiden Teile erscheinen voraussichtlich innerhalb der nächsten zwei-drei Wochen.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

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