K-Kultur, japanische Mangas, C-Pop: Phänomene der Popkultur Ostasiens (2/3): Gezeichnetes

Popkultur In dieser Serie werden ausgewählte Phänomene (nord-)ostasiatischer Popkultur(en) betrachtet

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Nachdem ich krankheitsbedingt den selbst gesetzten Zeitrahmen für diese Serie nicht eingehalten habe, folgt nun nach einer Einleitung, in der ich das Vorhaben angekündigt und umrissen habe und einem 1. Teil, die Fortsetzung dieser Reihe über popkulturelle Phänomene (Nord-) Ostasiens. In dem vorherigen Teil wurde einmal das Phänomen der hallyu, der koreanischen Welle in den Blick genommen. Dabei wurden etwas genauer die Anforderungen an K-Pop-Stars sowie Schattenseiten der Industrie thematisiert.

International spielen bekanntermaßen auch koreanische Serien und Filme, wie jüngst Die Frau im Nebel (2022) eine immer größere Rolle. Ein kulturelles Produkt, das noch ausschließlicher auf die visuelle Ebene abzielt, gewinnt seit einger Zeit ebenfalls an Bedeutung. Dies sicherlich nicht zuletzt, da von diesem in letzter Zeit einige Serien-Adaptionen ihren Ausgang nahmen. Koreanische WEBTOONS also im Internet veröffentlichte Comics werden auch außerhalb Südkoreas verstärkt wahrgenommen. Doch dürfte global betrachtet, wenn es um gezeichnete Geschichten geht, immer noch Südkoreas östliches Nachbarland Japan als Prdouktionsstandort größeres Gewicht zukommen.

In Japan lassen sich Bildergeschichten, die man als Comic bezeichnen könnte, aber auch außerhalb Japans oftmals mit dem japanischen Begriff für ebendiese Manga wiedergegeben werden, lange zurückverfolgen. Im Jahr 2019 gab es im MOA Museum of Art in der u.a. für ihre heißen Quellen bekannten Küstenstadt Atami eine Ausstellung, die neben den berühmten 36 Ansichten des Fuji Hokusais auch Mangas Hokusais ausstellte. Der vor allem für seine Ukiyo-e (Bilder einer fließend-vergänglichen Welt) bekannte Künstler Hokusai lebte von 1760-1849 unserer Zeit.

Mittlerweile sind Manga und die auf jene beruhenden animierten Serien und Filme weltweit bekannt. Toriyama Akira, bekannt vor allem für die Dragon Balls-Serie war nach Tezuka Osama der zweite moderne Manga-Zeichner, dessen Werke in verschiedenen Kunstmuseen gezeigt wurden. Die besagte Serie um Son Goku (der angelehnt ist an den Helden des chinesischen Romans Die Reise in den Westen) verkaufte sich auch weltweit äußerst gut, die Animationsserien, die darauf beruhen, wurden noch populärer.

Die deutschsprachige Fassung ist im Übrigen an vielen Stellen gekürzt, teils wohl, da man den Humor nicht immer als kindgerecht erachtete. Da besteht bereits eine gewisse Verschiebung bei der Rezeption. Es war hierzulande erst noch zu lernen, dass die Mangas nur zu einem bestimmten Anteil überhaupt vornehmlich Kinder als Zielgruppe ansprachen. Die Diversifizierung der Zielgruppen und damit auch das Angebot für Erwachsene fand ja lange vor dem Aufkommen solcher Begriffe wie "Graphic Novel" statt, mit dem nun auch hierzulande mutmaßlich anspruchsvolle Comics an eine diverse Zielgruppe verkauft werden sollen.

Die Serien für Jugendliche, wie es in einem Land wie Japan zu erwarten ist, in dem zumindest in einem hohen Maße in der Gesellschaft geschlechterspezifische Stereotype recht hartnäckig reproduziert und auch von der Politik kaum relativiert werden, werden oftmals in solche für Jungen und Mädchen unterteilt. Gerade die Titel, die in der Zeitschrift für männliche Jugendliche, Shonen Jump veröffentlicht werden, wie etwa Naruto, One Piece, Hunter X Hunter, etc., erfreuen sich weltweiter Beliebtheit, aber nicht nur diese.

In Japan selbst ist die Begeisterung für die einheimischen teils per Hand gezeichneten, teils am Computer ertsellten Geschichten ebenfalls nicht abgerissen. So erfreute sich während der Pandemie die Serie Demon Slayer (kimetsu no yaiba) großer Beliebtheit. Der erste Demon Slayer-Animationsfilm erreichte laut Japan Times als erster Film in Japan einen Gewinn von über 40 Millionen Yen an den Kinokassen. (Ab hier meint der Begriff "Film" im weiteren Verlauf des Texts in der Regel Animationsfilm). Bei Demon Slayer geht es um einen Heranwachsenden, der vor ungefähr 100 Jahren gegen menschenfressende Dämonen kämpft und u.a. von seiner Schwester Unterstützung erhält, die selbst zur Dämomin wurde. Diese Geschichte traf in pandemischen Zeiten offenbar einen gewissen Nerv.

Es wurde auch betont, dass ebendieser erste Demon Slayer- Film erfolgreicher war, als ein anderer Animatiosnfilm, nämlich Miyazaki Hayaos Chihiros Reise ins Zauberland (2001). Miyazaki Hayao ist vor allem bekannt für seine vom Studio Ghibli produzierten Animationsfilme, von denen die meisten tatsächlich ausschließlich per Hand gezeichnet wurden. Miyazaki ist aus verschiedenen Gründen ein herausragender Vertreter. Einerseits liegt es an der Detail-Verliebtheit, sowie der Fantasie aber auch seiner Kenntnis alter Shintō-Mythen, wie sie besonders deutlich in oben genanntem Film aber auch etwa bei Prinzessin Mononoke (1997) zum Tragen kommt. Oftmals spielen gesellschaftliche Themen, wie Umweltschutz eine Rolle. Herausragend an seiner Arbeit sind zudem die starken Mädchen- und Frauenfiguren, wie sie nun keineswegs selsbstverständlich sind für japanische Mangas und Animationsfilme.

Manga-Autorinnen wie Arakaw Hiromu, bekannt etwa für Full Metal Alchemist, Kono Fumiyo, die In This Corner of The World erschaffen hat oder Takahashi Rumiko, berühmt für Inuyashya können sich ebenfalls über Beliebtheit bei einem internationalen Publikum freuen.

Das Dasein eines Manga-ka, eines Manga-Zeichners oder einer -Zeichnerin ist nicht unbedingt ein Zuckerschlecken, wie es für so viele künstlerische Berufe gilt. Oftmals beginnt die Karriere mit Assistenzarbeiten in einem Studio, bevor man selbst hauptverantwortlich für Geschichten ist. Im Kyoto International Manga Museum gibt es eine Ausstellung, die auf die Zusammenhänge in der Manga- und Anime-Industrie und die Arbeitsbedingungen eingeht. Zeichnerinnen und Zeichner verdienen nicht gerade viel, es sei denn, es gelingt ihnen mit weiteren linzensierten Produkten den Verdienst zu erhöhen. Zunächst werden Geschichten zumeist in einer der berühmten Zeitschriften abgedruckt. Als Zweites folgt die Veröffentlichung der Serie in Einzelbänden und eine animierte Serien-Adaption. Wenn es gut läuft, folgen Filme, Computerspiele und allerhand Merchandise-Artikel ohne deren Verkauf die Kreativen der Branche kaum über die Runden kämen.

In dem Museum befindet sich auch eine Sammlung von Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute mit prämierten Mangas aller Jahrgänge. Daraus wird die Entwicklung und die Vielfalt der Manga-Stile sichtbar. Ein Erfolgsrezept mag gerade das sein: die Diversität, es ist für viele Geschmäcker und Interessenslagen etwas dabei, teils durchaus auch Verstörendes (dies bezieht sich allgemein auf Manga, nicht so auf die eben erwähnte Ausstellung). Es ist ein Missverständnis, wenn Manga als Stilbezeichnung genutzt wird. Es mag je nach Epoche vielleicht auch einen oder mehrere Mainstream-Stile geben, aber schon anhand der oben genannten Beispiele wird ersichtlich, dass es keinen einheitlichen Comic-Stil in Japan gibt. Eine Tendenz ist wohl dennoch diese, dass sich im Laufe der Zeit die japanischen Stile immer mehr von amerikanischen Vorbildern emanzipierten.

Japanische Realfilme sind sicher immer noch stärker als etwa jene aus Südkorea eher ein Nischeninteresse, auch wenn in jünsgter Zeit bei Festivals auch erstere punkten konnten. Dies hängt sicher mit kulturellen Konventionen zusammen und möglicherweise auch mit einer bestimmten Gewöhnung an us-amerikanisches Kino. Die Mangas und Animationsserien- wie Filme aus Japan scheinen im Gegensatz zu Realverfilmungen aus Japan eher eine kulturelle Brückenfunktion zu übernehmen. Vielleicht liegt das gerade daran, dass gezeichnete Geschichten oft auf Zuspitzung angewiesen und damit leichter zugänglich für ein kulturell diverses Publikum sind. Eventuell hat es zudem mit einer in ihnen angelegten gewissen Offenheit der Interpretation zu tun. Es wird ja nie die Realität als solche abgebildet, auch wenn ein realistischer Zeichenstiel und eine realistische Erzählung vorliegen. Bei Realverfilmungen mag das zwar ebenfalls der Fall sein, doch ist hier die Affinität zur wahrgenommenen Realität wohl doch etwas größer zu veranschlagen.

In Japan kommt zuweilen das Element der Nostalgie hinzu, wenn z.B. eine als legänder betrachtete Serie wie Slam Dunk (in der es um ein Basketball-Team geht) aus den 1990ern im Jahr 2022 um einen ersten Film ergänzt wird, der dann innerhalb Japans erfolgreicher ist als die Forsetzung von Avatar.

Mangas und Anime sorgen bei internationalen Fans immer wieder für Interesse an japanischer im Allgemeinen.
Teils sind japanische Rockbands und Sängerinnen, sowie Sänger international deshalb bekannt geworden, da sie am Soundtrack für Animationsserien- bzw. Filme mitgewirkt haben. Für Musikerinnen und Musiker, die wiederum nichts mit Anime zu tun haben, ist es teils schwieriger im Ausland wahrgenommen zu werde, auch weil ihnen oftmals nicht die gleichen Möglichkeiten der Promotion zur Verfügung stehen.

Weltweit wird in diesem Jahr sicherlich mit Spannung der bereits angekündigte Film des Altmeisters Miyazaki Hayao erwartet. Er wollte sich eigentlich 2013 in den Ruhestand begeben. Offenbar faszinieren nicht nur Fans die gezeichneten Geschichten, Zeichnerinnen und Zeichner selbst, nehmen den unsicheren und unwägbaren Weg auf sich, um trotz der großen Konkurrenz eigene Titel zu veröffentlichen und können auch nach Eintritt in einen selbst verkündeten Ruhestand von ihrem kreativen Schaffen nicht ablassen.

Durch die Digitalisierung der Lebenswelt sind zahlreiche Austauschforen etc. zustande gekommen, die die Beliebtheit der Manga und Anime sicher noch festigen. Nicht mehr nur Nischen-Streamingdeinste (wenn man denn Anime überhaupt noch als Nische bezeichnen möchte), sondern auch die großen Player haben japanische Anime-Serien in ihrem Programm. Andereseits hat die Industrie auch mit Piraten-Plattformen zu kämpfen. Die Fragen, wie angesichts der digitalen Möglichkeiten am Urherberrecht festgehalten werden kann und kulturelle Produkte rentabel bleiben, werden sicher auch für diesen Bereich weiterhin von Relevanz bleiben.

(Dieser Beitrag ist der zweite Teil einer dreiteiligen Serie. Die Einleitung zur Serie, die als 0. Teil gezählt wird, wurde am 08. Januar 2023 veröffentlicht, der nächste Teile erscheint voraussichtlich am nächsten oder übernächsten Wochenende.)



Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden