K-Kultur, japanische Mangas, C-Pop: Phänomene der Popkultur Ostasiens (3/3): Let's Rock

Popkultur In dieser Serie werden ausgewählte Phänomene (nord-)ostasiatischer Popkultur(en) betrachtet

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ging es, wie in der Einleitung vom 08.01. angekündigt, im ersten Teil dieser Serie um K-Pop, schließt sich nun gewissermaßen der Kreis. Nach einem Blick auf die Welt der japanischen Comis, den Manga, steht dieses Mal wieder Musik im Vordergrund, nur dieses Mal chinesischsprachige. Anders als japanische Bands oder Solo-Acts, die zum Teil etwa durch ihre Beiträge zum Soundtrack von Animationsserien oder -Filmen weltweit bekannt geworden sind oder die auf der koreanischen Welle surfenden K-Pop-Stars, sind die chinesischen Popstars in Deutschland weitaus weniger bekannt. Das hat sicher etwas mit der Sprachbarriere zu tun (obwohl diese ja auch bei den zuvor genannten Beispielen besteht), andererseits dürfte es weitere Gründe dafür geben. Politik spielt etwa auch keine geringe Rolle bei der Rezeption kultureller Produkte aus verschiedenen Ländern - und sei es nur indirekt etwa durch die große oder schwache Wirkung von Softpower. Andy Lau, der in diesem Jahr in Die wandernde Erde 2 (2023) zu sehen ist, dürfte Filmkennern ein Begriff sein, doch wer weiß hierzulande schon, dass der Schauspieler und Filmproduzent als Sänger zu den sogenannten "Vier himmlischen Königen" des Kanto-Pop (meistens auf Englisch als Cantopop wiedergegeben) gehört?

Um kantonische Popmusik wird es ab dieser Stelle zum größten Teil nicht weiter gehen. Mit Andy Lau verbindet die Musikerin und Schauspielerin Kelly Yu (ihr chinesischer Name lautet Yú Wénwén, Yu ist der Familienname) ebendies, dass sie sowohl als Sängerin Alben herausbringt (auf denen sie auch Gitarre spielt) als auch in Filmen mitspielt. Kelly Yu hatte sodann auch in Roland Emmerichs Moonfall (2022) eine Nebenrolle. Nach Auftritten in chinesischen Produktionen, wie etwa The Ex-Files 3 (2017) war das ihre erste Rolle in einem Hollywood-Film.

Geboren wurde Kelly Yu in China, mit ihren Eltern zog sie jedoch nach Kanada. In einem Interview gegenüber der South China Morning Post vom Februar vergangenen Jahres (South China Morning Post, 02.02.2022), sprach sie unter anderem über die Wahl ihres Studienortes. Schließlich studierte sie am Berklee College of Music in Boston. Mit vier Jahren begann Kelly Yu Klavier zu spielen, es war das Interesse an der Gitarre, dass sie nach Boston führte. An besagtem College studierten schon ihre musikalischen Vorbilder Joe Satriani und Steve Vai.

Ihre Vorliebe zu Gitarren-Rock lässt sich nicht nur aber auch gerade bei älteren Aufnahmen immer wieder deutlich heraushören. So etwa bei der 2014 veröffentlichten englischsprachigen Single Want You Back, das ein wenig an Alternative-Rock der 1990er und frühen 2000er erinnert. In einem YouTube-Video von einer Veranstaltung des Gitarrenherstellers Ibanez, dem Stopp der Ibanez Guitar Clinic Tour 2017 an der Guangzi-Universität, kann Kelly Yu unter anderem mit einer Cover-Version von Joe Satrianis Crystal Planet Zuhörende mitreißen.

Kelly Yu, die bei Sony Music Entertainment Taiwan und bei Warner Music China ihre Musik veröffentlicht hat, beherrscht auch nachdenkliche Töne und ihr jüngstes Album Intermezzo (2021) ist zu einem großen Teil von Balladen geprägt, auch wenn wieder einige rockigere Lieder ihren Platz darauf gefunden haben. C-Pop (hier steht das C für Chinesisch, inludiert also Mandarin und Kantonesisch, für exklusiv in Mandarin gehaltene Musik hat sich auch der Begriff "Mando-Pop" etabliert), wie die chinesischsprachige Popmusik auch analog zu K- oder J-Pop zuweilen genannt wird, ist nicht selten von einem Balladen-haften Stil geprägt. Ein Beispiel ist etwa die Musik der Ikone chinesischer Popmusik Faye Wong (deren Tochter Leah Dou als Singer- Songriterin deutlich experimentellere Wege eingeschlagen hat). Das trifft auch auf den Kanto-Pop von Andy Lau und den anderen "himmlischen Königen" zu. Die Musik von Kelly Yu ist vielleicht nicht unbedingt immer etwas für hartgesottene Headbanger, doch der Autor dieses Texts kann sowohl ihren rockigeren Nummern als auch den Balladen etwas abgewinnen. Im vergangenen Jahr erschien dann eine Single, die einen Ausflug in den Funk darstellt und sogar recht tanzbar ist. Wenn ich in dem Musikvideo von Hedgehog Michael Jackson-Referenzen richtug als solche interpretiert haben sollte, wäre dies zumindest vom Musikstil her folgerichtig.

Vielleicht ist dieser Vorstoß in einen tanzbaren Stil vor dem Hintergrund zu verstehen, dass Kelly Yu zudem auch Teil einer größeren Formation geworden ist, zu der unter anderem Ex-Girls-Generation-Mitglied Jessica Jung gehört und damit mit verschiedenen Stilen konfrontiert wurde. In der dritten Staffel der chinesischen Fernsehsendung Sisters Who Make Waves waren beide unter den Finalistinnen. Bei der Sendung konkurrieren ausschließlich Frauen, die schon Bekanntheit erlangten und mindestens in einem Alter von 30 Jahren sind, um zu zeigen, dass sie noch weiterhin, beziehungsweise wiederholt eine erfolgreiche Karriere einschlagen können. Es ist darüber diskutiert worden, ob dieses Format dazu geeignet ist, den Fokus auf junge Künsterlinnen aufzubrechen (so etwa in einem Beitrag der South China Morning Post vom 06.07.2020) zu empowern oder doch bestimmte Sichtweisen und Strukturen eher verfestigt (South China Morning Post, 18.09.2022). Jedenfalls bildeten Kelly Yu, Jessica Jung, was zeigt, dass auch die chinesische Pop-Landschaft offen steht für Menschen aus dem Ausland, zusammen mit Stars wie Cindy Wang, Amber Kuo und anderen eine Supergroup als Resultat dieser Sendung. Dass Jessica Jung an der chinesischen Reality-Show mitgemacht hat, hatte zuvor allerdings in Südkorea für einige Aufg´regung gesorgt. Etwa ein Cover der Gruppe von Chandelier (im Original von Sia), an dessen Beginn Kelly Yu und Jessica Jung gemeinsam das Intro auf dem Klavier spielen, ist bei YouTube zu finden.

Die globale Popmusik ist ohne den großen Einfluss der englischsprachigen Welt kaum zu denken. Auch wenn einige lokale Musiklandschaften eigene Stile oder zumindest so etwas wie eine lokale Färbung hervorgebracht haben, fußen diese meistens weiterhin in einem relativ hohen Maß auf den us-amerikanischen und britischen Vorbildern. Doch das ist Pop eben schon seit einer Weile - global und nimmt dadurch hin und wieder neue Impulse auf. Zum Teil sind globale Popstars sogar erfolgreich in anderen Sprachen als der Englischen.

Eine aktuelle Vertreterin chinesischsprachiger Pop- (und Rockmusik) ist die Schauspielerin und Musikerin Kelly Yu, die auch schon briographisch scheinbar verschiedene (die englischsprachige und chinesischsprachige) Welten verbindet. Aber vielleicht ist auch eine Trennung vermeintlicher "Welten" gar nicht so starr zu denken. Musik kann zuweilen eine Erinnerung daran sein und Brücken schlagen. Das mit den Brücken wiederum ist durchaus durch politische Faktoren mitbestimmt. Es ist bei der derzeitigen Annäherung des konservativen südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk-Yeol an die japanische Regierung kaum überraschend, dass Südkorea momentan einen Manga- und Anime-Boom erlebt. Sind aber nicht vielleicht auch die Themen, die darin verhandelt werden, wie Freundschaft oder ein Kampf gegen widerstrebende Mächte, dabei ein (fast) genauso wichtiger Faktor? Und um wieder auf die Musik zurückzukommen, sind nicht z.B. Pop, Jazz und Rock heutzutage genauso universelle Musikstile wie die weltweit geschätzte Klassik?

Manchmal kann es erfrischend sein, gerade in Zeiten, in denen technische Hilfsmittel oder Internetseiten mit entsprechenden Informationen bei der Übersetzung helfen können, ohne einen allzu großen Aufwand zu erfordern, sich auch mal in einer nicht allzu vertrauten Sprache einfach "rocken" zu lassen. Gitarren-Rock indes, obwohl es in letzter Zeit manchmal den Anschein hatte, ist auch heutzutage offenbar nicht nur etwas für (alte) weiße Männer.

(Dieser Beitrag ist der letzte Teil einer Serie. Eine Einleitung, als 0. Teil gezählt, sowie die Teile 1 und 2 wurden bereits hier veröffentlicht.)

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Ferdinand Liefert

Dipl.-Theologe (Studium in Greifswald / Marburg / Interreligiöses Studienprogramm in Kyoto ).

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden