Gegenwind für Hass und Ausgrenzung

Ostdeutschland Ein breites Bündnis formiert sich, um sich für die Zeit nach den bevorstehenden Wahlen zu wappnen.

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In diesem Jahr wird in Teilen Ostdeutschlands gleich zwei Mal an die Wahlurnen gebeten. Den Auftakt bilden am 26. Mai die Wahl für das europäische Parlament sowie die zeitgleich in allen ostdeutschen Bundesländern stattfindenden Kommunalwahlen. Am 1. September wird dann in Brandenburg und Sachsen, und am 27. Oktober in Thüringen, ein neuer Landtag gewählt. Der Ausgang dieser Wahlen ist ungewiss. Allerdings ist mit einem weiteren Stimmenzuwachs für nationalistisch-völkische, rassistische und rechtspopulistische Kräfte auf allen Ebenen zu rechnen.

Auf europäischer Ebene strebt die neue Allianz um Italiens Innenminister Matteo Salvini, European Alliance of Peoples and Nations, einen Zusammenschluss der drei Rechtsfraktionen ECR, EFDD und ENF an. Ob dieses Unterfangen vollständig gelingen wird, bleibt zwar abzuwarten (der Freitag 17/2019), jedoch könnten die Fraktionen, laut European Elections Stats, gemeinsam auf über 21 % der Sitze im Parlament kommen. Auch wenn diese Wahl einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der europäischen Politik nehmen wird, erscheint Brüssel aus der ostdeutschen Perspektive weit weg, so dass der Ausgang der Kommunal- und Landtagswahlen dort wesentlich höher ins Gewicht fällt.

AfD in drei Bundesländern bei mindestens 19 %

Aktuelle Umfragen zufolge wird die AfD ihren Stimmenanteil im Vergleich zur Landtagswahl 2014 verdoppeln können. In Brandenburg liegt die AfD laut infratest dimap bei 19 % (CDU 22 %, SPD 20 % und Die Linke 16 %). Ebenfalls bei 20 % sieht infratest die AfD in Thüringen (CDU 28%, Die Linke 24% und SPD 11%). In Sachsen hat die AfD gute Chancen, zweitstärkste Kraft zu werden. Nach der letzten Prognose der Leipziger Volkszeitung steht sie bei 18 % (CDU 27 %, Die Linke 17 % und SPD 11 %). Allerdings gab die Bild-Zeitung am 24. April bekannt, dass das von ihr beauftragte Meinungsforschungsinstitut Insa die AfD aktuell sogar bei 26 % sieht, und somit fast gleich auf mit der CDU (28 %). Zwar wurden von allen größeren Parteien in allen drei Bundesländern eine Regierungskoalition mit der AfD ausgeschlossen, doch wer weiß, wie sich die Situation ändert, wenn sich Möglichkeiten zum Machterhalt bzw. zum Machtgewinn nur dadurch ergeben könnten. Aber das sind Spekulationen. Festzuhalten gilt jedoch, dass die AfD insbesondere in Ostdeutschland versucht die Soziale Frage für sich einzunehmen und mit einer nationalistisch-völkischen Politik der Ausgrenzung auf Stimmenfang geht. Wie sich in den Umfragen zeigt, stößt sie dabei auf wohlwollende Resonanz. Bei den Kommunalwahlen könnte sie sogar vielerorts als stärkste Kraft hervorgehen. Die AfD gibt sich insbesondere im Osten gerne als Interessenvertreter der ArbeiterInnen und sozial Benachteiligten. Dabei wird gerne vergessen, dass die vermeintliche Sozialpolitik im eklatanten Widerspruch zu ihrem Grundsatzprogramm von 2016 steht, welches eindeutig marktradikal geprägt ist. Eine Tatsache, die sich am besten mit einem Blick auf die Steuerpolitik der Partei belegen lässt. Die AfD spricht sich in diesem Kapitel eindeutig für eine geringere Einkommenssteuer sowie für die gänzliche Abschaffung der Vermögens- und Erbschaftssteuer aus. Sollte die AfD tatsächlich einmal Regierungsverantwortung übernehmen, wird sich schnell zeigen, auf welcher Seite die Partei wirklich steht.

Die Devise lautet: #Wann Wenn Nicht Jetzt

Aufgrund der drei anstehenden Wahlen wurde das Jahr 2019 im Osten als „Superwahljahr“ deklariert und der Ausgang der Abstimmungen bereits von verschiedenen Medien als „Schicksalswahl“ bezeichnet. Ein breites linkes und zivilgesellschaftliches Bündnis hat sich dazu entschieden, die kommenden Jahre nicht dem Schicksal zu überlassen, und hat die Kampagne #WannWennNichtJetzt (WWNJ) gestartet. Dabei handelt es sich um eine „Marktplatztour“, die sich durch neun verschiedene Kleinstädte vom 20. Juli bis zum 21. September 2019 in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zieht. „Der Schwerpunkt der Tour liegt auf der langfristigen Vernetzung und Stärkung linker und zivilgesellschaftlicher Strukturen in ländlichen Gebieten. Wir wollen ein Signal senden, dass wir den öffentlichen Raum nicht rechter Hetze überlassen. Wir setzen uns für eine solidarische und offene Gesellschaft ein!“, so Sarah von WWNJ-Brandenburg. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden bewusst zentrale Orte der jeweiligen Städte (Zwickau, Bautzen, Grimma, Annaberg-Buchholz, Plauen, Cottbus, Forst, Straußberg und Saalfeld) ausgewählt. Dort soll es ab 10 Uhr generationsübergreifend zu Gesprächen und zum Austausch kommen. Parallel dazu wird es ein abwechslungsreiches politisches Bildungs- und Kulturprogramm mit Lesungen, Podiumsdiskussionen, Wanderausstellungen, Straßentheater und Workshops geben. Thematisch soll es dabei u.a. um 30 Jahre 89, die Soziale Frage, Migration, den Klimawandel und den Strukturwandel im Osten gehen. Abgerundet wird der Tag am Abend mit Konzerten von lokalen und bekannteren Bands. Nähere Informationen und die genauen Termine lassen sich auf der Website www.wannwennnichtjetzt.org finden.

Laut Sarah arbeitet der überregionale Zusammenschluss bereits seit 2018 an dem Projekt. Die Kernguppen bilden die jeweiligen AktivistInnen und Initiativen vor Ort, die von größeren Vereinen und Bündnissen, wie zum Beispiel #Unteilbar bei der Organisation unterstützt werden. Das erste Mal sichtbar wurde #WWNJ am 1. Mai . Dort beteiligte sich das Bündnis an den Gegendemonstrationen der AfD Wahlkampfveranstaltungen in Erfurt und in Cottbus sowie an der antifaschistischen Kundgebung in Plauen, wo der III. Weg ebenfalls eine Demonstration angemeldet hatte. Am 10.5 wird dann der offizielle Auftakt der Tour stattfinden und die dazugehörige Crowdfundingkampagne starten. „Da das gesamte Programm kostenlos sein wird, sind wir dringend auf Spenden angewiesen, um die Tour finanzieren zu können. Außerdem sind wir gerne bereit, weitere Orte zu supporten, die auch Bock haben, sich an #WWNJ zu beteiligen.“, erklärt Sarah abschließend.

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Geschrieben von

Florian Sachse

ist Zeithistoriker und freier Journalist. Lebt und arbeitet in Berlin

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