Der Absturz im Aufschwung

Österreich Anstatt Erfolge zu feiern, hat die SPÖ bei ihrem Parteitag den Vorsitzenden beschädigt

Obwohl man seit mehr als zwei Jahren bei allen Wahlen zulegen konnte, ist die SPÖ gerade auf ihrem 38. Parteitag in eine veritable Krise geschlittert. Der Versuch, hier eine wichtige Etappe auf dem Weg in die Regierung zurückzulegen, schlug fehl. Die verordnete Einmütigkeit wie die angekündigte Aufbruchstimmung waren jedenfalls nicht zugegen. Und sie sind auch unmittelbar nicht in Sicht. In den Meinungsumfragen ist die oppositionelle SPÖ erstmals nach langer Zeit wieder hinter die regierende christkonservative ÖVP gerutscht.

Wer sonst?

"Startklar für Österreich" hieß zwar das Motto, doch gleich zu Beginn des Kongresses ist der Parteiobmann Alfred Gusenbauer schwer verunglückt. Statt der satten 99,6 Prozent wie 2002, votierten diesmal nur noch 88,9 Prozent der Delegierten für ihn. Und beim Votum für den Vorstand erhielt er - quasi als Draufgabe - unter allen Kandidaten das zweitschlechteste Ergebnis. Das schmerzt, besonders, wenn man weiß, dass die SPÖ von äußerst diszipliniertem Zuschnitt ist, eigentlich kaum Fraktionskämpfe kennt und noch nie einen Vorsitzenden demontiert hat. Vorgeworfen werden Gusenbauer diverse Pannen in der Parteiarbeit, schlechte Koordination sowie widersprüchliche Signale und Botschaften.

Hätte sich Michael Häupl, Bürgermeister von Wien und mit Abstand der mächtigste Mann in der Sozialdemokratie, nicht so stark gemacht für seinen Schützling, wäre dieser bei den internen Wahlen womöglich überhaupt abgestürzt. Gusenbauer ist damit als Parteichef in den Händen eines anderen. Würde Häupl sagen: "Ich mach´s", was wohl die meisten Parteifunktionäre ohnehin wünschen, wäre Gusenbauer sofort weg.

Ob der Parteivorsitzende die Partei in die Nationalratswahlen 2006 führt, sei offen, meint Hans Sallmutter, Chef der großen Gewerkschaft der Privatangestellten. Und auch Gabi Burgstaller, die in Salzburg für die SPÖ erstmals den Sessel des Landeshauptmanns holte, sagt auf die Frage, ob Gusenbauer Spitzenkandidat bleiben soll, nur: "Ich gehe davon aus, dass das so sein wird. Wer sonst sollte es machen?" So klingen Zustimmungen, die einen Absprung andeuten.

Gusenbauer ist nicht bloß angeschlagen, er wird bereits angezählt, daran besteht kein Zweifel. Natürlich kann die SPÖ meinen, man berichte gegen sie. Aber was nützt das? Wo das Erscheinungsbild so dominant ist wie in der Politik, darf dies nicht schlecht sein. Selbstverständlich schreiben die Medien den ehemaligen Juso ins Nichts, aber damit hat man rechnen müssen. Stamokap und KPÖ-Nähe, das wird man dem Alfred in den Redaktionsstuben so schnell nicht verzeihen, so sehr er sich auch heute müht, es vergessen zu machen.

Und programmatisch?

Mediale Defizite versucht Gusenbauer durch außergewöhnlichen Fleiß wettzumachen. Wenn es schon nicht für ihn läuft, dann muss zumindest er laufen. Sein Arbeitspensum hat er enorm verschärft, worauf er erkennbar stolz ist: "In der Geschichte Österreichs hat noch nie ein Bundespolitiker alle Bezirk für einen ganzen Tag besucht - nicht einmal vor einer Wahlauseinandersetzung. Ich bin Tag und Nacht im Einsatz", sagt er in einem Interview mit der Tageszeitung Kurier. Zuletzt tourte er tatsächlich durch alle Bundesländer. Im Zeitalter der Jäger setzt er auf aufgeregtes Sammeln. Nur, worauf bereitet sich hier einer vor? Auf einen Herzinfarkt mit 49? Gehäufte lokalen Präsenzen können virtuelle Präsentationen in der Mediengesellschaft nie und nimmer ersetzen. Derlei Strapazen erhöhen mehr den Blutdruck als den Eindruck.

Das Gefühl, dass sich hier einer unnötig abstrudelt, steht ihm ins Gesicht geschrieben. Auf 44 Jahre, die er jung ist, würde man ihn derzeit nicht schätzen. Eher auf 55. Das ist freilich tödlich, weil man im Spiel der Erfolgreichen nicht alt ausschauen darf, zumindest nicht älter als man ist. Und wer den Schaden hat, der hat auch den Spott. Neuerdings figuriert Gusenbauer als Österreich-Ausgabe von Angela Merkel. Erste Glossen über Alf und Angie als Verliererpartie finden sich schon in den Kommentaren. Tenor eines den beiden unterstellten Telefonats: "Wir packen´s net!"

Und programmatisch? Gusenbauers Parteitagsrede war wie zumeist gut vorbereitet, ist aber letztlich über plattes Verkünden nicht hinausgekommen. "Wir wollen, dass Österreich wieder ein erstklassiger Wirtschaftsstandort wird, in dem alle die Früchte erfolgreichen Wirtschaftens ernten können", war da zu hören. Oder: "Die Werte der SPÖ sind aktueller denn je, und wir stellen sie selbstbewusst der Gleichgültigkeit, der Ignoranz und der sozialen Kälte dieser Bundesregierung entgegen." Die ÖVP-FPÖ-Regierung sei "eine Truppe des Versagens", hört man. Hinter vorgehaltener Hand geben SP-Granden jedoch zu verstehen, dass sie durchaus bewundern, wie forsch Kanzler Schüssel sein "Reformprogramm" durchzieht.

Immerhin hat der Parteitag auf Antrag der Jugendorganisation beschlossen, mit "einer rechtspopulistischen FPÖ" keine Koalition einzugehen. Die Hintertür liegt allerdings beim Adjektiv. Sollte es also doch was werden, wird man sagen, die FPÖ sei nun nicht mehr rechtspopulistisch, daher könne man mit ihr. Das ist so fadenscheinig, dass es schon peinlich wird. Der Antrag erhielt eine überwältigende Zustimmung, nur die Kärntner, die mit Haider in Klagenfurt gemeinsame Sache machen, waren dagegen.

Sollte Alfred Gusenbauer die Nationalratswahlen 2006 gewinnen, was ja trotzdem nicht auszuschließen ist, wird er wohl Kanzler werden, und die Kritik wird augenblicklich verstummen. Gelingt aber Schüssel das Kunststück, eine dritte Periode im Amt zu erleben - und zwar eher mit den umworbenen Grünen als mit der FPÖ! - dann dürfte das Kapitel Gusenbauer Geschichte sein.


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