Wenn es nach Frank Stronach geht, ist Politik ein Geschäft wie jedes andere. Das nötige Kleingeld dazu hat er ja. Stronachs Unternehmen Magna ist der größte Autozulieferer der Welt und beschäftigt über 100.000 Mitarbeiter in fast 300 Fabriken, die über alle Kontinente verstreut sind. Sein Vermögen wird auf ungefähr vier Milliarden Euro geschätzt. Mit seiner neugegründeten Partei Team Stronach will er bei der Nationalratswahl 2013 antreten. 25 Millionen Euro will er dafür locker machen. Da können die anderen Parteien nicht mithalten. Notfalls könnte er auch auf 100 Millionen erhöhen, lässt er wissen.
Wer sich tausend Pferde hält, kann sich auch einige Politiker halten. Denn die neue Partei, das sagt auch ihr Statut, wird geführt wie ein Rennstall. Sie gehört und gehorcht dem Eigner, so eigen er auch sein mag. Der ist nun dabei, das entsprechende Personal zu engagieren. Vorerst waren ein paar Mandatare der sterbenden ehemaligen Haider-Partei zum Diskontpreis zu haben. Dabei handelt es sich um Leute, die von der FPÖ kommend mit dem Rechtspopulisten Jörg Haider ins Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) gingen, zwischenzeitlich wieder bei FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache anklopften und nun die letzte Chance wittern, ihre parlamentarische Existenz mit Hilfe von Stronach zu verlängern. Fünf BZÖ-Abgeordnete sind bereits zu Stronach übergelaufen, weitere könnten folgen, wenngleich der Austrokanadier unlängst meinte, er habe schon genug von der Sorte. Auf jeden Fall ermöglichten ihm die Neuzugänge die Gründung einer eigenen Fraktion, die im Nationalrat Parlamentsklub heißt, ohne dass Team Stronach je kandidiert hätte. So kommt seine Partei bereits jetzt in den Genuss staatlicher Parteien- und Klubförderung inklusive Einladungen zu diversen Sendeterminen.
Nachdem Abgeordnete des Rest-BZÖ nun eidesstattlich behaupten, dass sie mit hohen Summen geködert werden sollten und BZÖ-Chef Josef Bucher eine Strafanzeige wegen Bestechung einbringen ließ, erklärte Stronach postwendend, sein Widersacher „habe keine Hoden“. Bucher von Stronach entmannt – das haut rein. Es regieren die große Klappe und der Untergriff. Frank Stronach ist ohnehin nicht zimperlich. Eine ihn interviewende ORF-Journalistin nannte er schon mal ein „Schulmädchen“.
„Gebt Stronach möglichst viele TV-Auftritte. Nichts schadet dem Neo-Politiker mehr, enttarnt ihn besser als altersstarren und ungehobelten Besserwisser ohne den Anflug eines realistisch nachvollziehbaren politischen Programms“, schreibt Peter Rabl im Kurier vom 7. Oktober. Das ist leider Wunschprogramm. Was liberalen Journalisten als tolpatschig erscheint, kommt bei Durchschnittskonsumenten ganz anders rüber. Stronach spielt virtuos deren Niveau. Grob- und Gemeinheiten werden nicht verlacht, sondern beklatscht, öffentlich wie insgeheim. So wirkt der, der in jeder Hinsicht älter ist als die, die alt ausschauen, doch um einiges frischer und jünger.
Sein Geld ist interessant
Frank Stronach interessiert, weil sein Geld interessiert. Wer so viel davon hat, kann bloß tüchtig gewesen sein – jede andere Annahme lässt auf Neid schließen. Der Mann hat es geschafft. Nur was und wie, das will in Österreich niemand so genau wissen, geschweige denn diskutieren. Das hat unbestritten zu bleiben. Denn Stronach war immer ein Früchtchen und Kriegsgewinnler, seinen Typus zu glorifizieren, verdeutlicht einmal mehr wie die Gemüter ticken, was sie beeindruckt und anzieht. Was ihn qualifiziert, ist mindestens zweifelhaft.
Der Selfmademan ist ein Produkt des Autohungers westlicher Gesellschaften. Der ehemalige Werkzeugmacher aus der Steiermark ist Agent der globalen Automobilmachung, deren Folgeschäden bekannt sind und deren Folgekosten die Allgemeinheit trägt. Bei seinen Arbeitern, von denen Stronach so gern spricht, geht es ihm um eine Umleitung der empfundenen Zugehörigkeit: Nicht zu ihresgleichen sollen sie solidarisch sein (so wie das klassische gewerkschaftliche Interessenpolitik nahe legt), sondern zu ihren Firmen. Aus einem äußeren Zweck wird ein innerer Modus: Der Job wird zur Lebensaufgabe. Stronach betreibt eine Politik für privilegierte Stammarbeiter. Deren Identität speist sich aus dem Unternehmen, nicht aus ihrer sozialen Lage, die – solange der Rubel rollt – auch keine schlechte ist. Ziel ist ein enges Bündnis von Management und Kernbelegschaften, also ein integraler Block des schaffenden Kapitals, der jede Art von Klassenkampf ausschließt. Gewerkschaften bleiben da natürlich außen vor, sie sind unerwünscht.
Arsenal der Worthülsen
Neben den Gewerkschaften sind ihm vor allem die Banken ein Dorn im Auge. Denn einmal, da hätten die ihn fast gekillt. Da glaubten die „diesen großspurigen Geschäftsmann an den Eiern“ zu haben, so drückt es Stronach aus. Er hatte zu kämpfen, um seine Gläubiger abzuschütteln. Die Aversion gegen jedwede Schulden rührt jedenfalls aus dem knapp verhinderten Untergang der Magna Anfang der neunziger Jahre.
Stronachs Vorschläge entstammen dem Arsenal der populistischen Worthülsen. Da stellt sich einer hin, nimmt das Mikro und labert los. Einmal mehr soll es um „Wahrheit, Transparenz und Fairness“ und um „neue Werte“ gehen. Ein rigider Marktpopulismus gibt den Ton vor: „Denn wenn die Wirtschaft nicht funktioniert, funktioniert gar nichts.“ Plädierte er zuerst für die Wiedereinführung des Schillings in Österreich, so machte er nun den ebenfalls skurrilen Vorschlag, dass jedes Land seinen eigenen Euro haben soll. Bedient werden das autoritäre Bedürfnis und ein intellektuellenfeindliches Ressentiment: „Wir haben eine verweichlichte Gesellschaft, und Sozialwissenschaftler gibt es schon Tausende.“
Interessant ist auch die Stilisierung zum Kämpfer gegen das Establishment. „Ich war eigentlich immer schon ein Rebell, gegen herrschende Klassen und elitäre Zirkel“, behauptet Stronach. „Mir geht es um Fairness.“ Das rebellische Getue ist reine Pose, aber sie kommt gut an. Stronach ist nie gegen den Strom geschwommen, sondern versuchte umgekehrt die schnellsten Strömungen auszunutzen. Zur herrschenden Politik pflegte er stets enge Kontakte, in Kanada wie in Österreich. Ist die etablierte Politik oft kleinlaut, so tritt Stronach meist großspurig auf. Tritt er in ein Fettnäpfchen, besudelt er die anderen. „Ich bin der, der die Werte vorgibt“, sagt der Stronach. „Die Regierung ist sozialistisch und kapitalmarktfeindlich“, heißt es auf der Homepage vom Team Stronach.
Es ist nicht nur in diesem Zusammenhang frappant, dass gerade jenes Wertesystem reüssiert, dem wir die Misere verdanken: Leistung, Konkurrenz, Karriere, Wachstum, Machertum, Rücksichtslosigkeit, Geld, Autos, Männlichkeitswahn. „Der 25. September 2012 wird in die Geschichte Österreichs und auch in die Geschichte der Welt eingehen“, sagte Stronach anlässlich des Gründungsmeetings seiner Partei.
Doch ist Frank Stronach – wie könnte es auch anders sein — selbst in manch schräge Geschäfte der Alpenrepublik verwickelt. So wird Magna des Öfteren genannt, wenn es um das Zustandekommen des Ankaufs der Eurofighter für das österreichische Heer geht. Da sollen angeblich windige Provisionen geflossen sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Auch soll Stronach das Schloss Reifnitz am Kärntner Wörthersee auf Vermittlung eines gewissen Jörg Haider zu einem sonderbar niedrigen Preis erstanden haben. Doch solche Gelegenheiten muss man nutzen, bestätigen sie doch die in aller Welt geschätzte Geschäftstüchtigkeit. Was in der Politik als Skandal erscheint, kommt in der Wirtschaft als gelungener Coup daher. Und so viel steht auf jeden Fall fest: Korruption wird mit dem Populismus nicht beseitigt – sie wird geradezu potenziert. Stronach wird beweisen, was schon Haider bewiesen hat.
Wie viel nun die Stronach-Bewegung bei den Nationalratswahlen im Herbst 2013 einfährt, ist heute schwer abzuschätzen. Das hängt auch davon ab, wie sich die extrem einflussreiche Kronen Zeitung und ihr mediales Umfeld positionieren. Bei der Wahl im Jahr 2008 war die negative Berichterstattung über die ÖVP auffällig, während der spätere Wahlsieger SPÖ recht gut wegkam.
Stronachs parlamentarischer Klubchef Robert Lugar plädiert für eine Dreierkoalition von FPÖ, ÖVP und eben Stronach. Was die Stärke nach den nächsten Wahlen angeht, die voraussichtlich im Spätsommer 2013 stattfinden werden, könnte die Reihenfolge stimmen. Eine solche Mehrheit wird sich auf jeden Fall ausgehen. Und es sage niemand, eine solche Regierung sei ausgeschlossen.
Franz Schandl ist Historiker und Publizist. Er lebt in Wien
Die neue Partei heißt schlicht: Team Stronach
Die neue Partei wird am 25. September 2012 offiziell gegründet und Frank Stronach zum Parteiobmann erklärt. Laut Statut hat zunächst allein er das Recht, die neue Formation nach außen zu vertreten. Inzwischen gibt es auch ein Vorläufiges Grundsatzprogramm, das vor der Nationalratswahl 2013 durch eine Wahlplattform ersetzt werden soll. Für die Wirtschaft vertritt Stronach ein korporatistisches Modell. In einem Unternehmen hätten Kernbelegschaft, Management und Eigentümer gleiche Interessen und sollten sich jedem Einfluss von Gewerkschaften entziehen. Gewerkschaftsbeiträge seien „Schutzgeldzahlungen an die Mafia“.
Rettungsaktionen der Europäischen Union für den Euro, wie sie mit den Hilfsfonds EFSF und ESM unternommen werden, erteilt Stronach eine klare Absage. Doch soll Österreich die Eurozone nicht verlassen. LH
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