Roter Oktober?

Landtagswahl in der Steiermark Die ÖVP verliert, die SPÖ gewinnt - die KPÖ wird dritte Kraft

Es gibt nicht nur schlechte Wahlergebnisse, dieses ist zweifellos eines der besten, das Österreich seit Jahrzehnten zu bieten hat. Nach 60 Jahren geht die Vorherrschaft der christlichsozialen ÖVP in einem ihrer Kernländer zu Ende. Die Steiermark galt Jahrzehnte als sicherer Erbhof der Volkspartei, von 1945 bis heute regierte sie die grüne Mark. Die steirische ÖVP war neben der niederösterreichischen auch stets die mächtigste Landesorganisation - maßgeblich beteiligt bei der Bestellung und Ablöse von Parteiobmännern und Bundeskanzlern. Ihr Programm nach 1945 bestand in der Integration der Nazis, was Jahrzehnte die Mehrheit sicherte, ebenso gelang ihr Anfang der Siebziger die Heimholung nicht weniger Achtundsechziger. Von weit rechts bis linksliberal, von katholisch bis ökologisch versuchte sie einiges abzudecken. Auf kultureller Ebene war man sehr auf Offenheit bedacht und durchaus toleranter als die Schwarzen im übrigen Österreich.

Diesmal jedoch verspielte die amtierende Landeshauptfrau Waltraud Klasnic einen satten Vorsprung von 15 Prozent. Vor allem die Gegenkandidatur von Gerhard Hirschmann, dem Ex-Landesrat, machte der Partei schwer zu schaffen. Dazu kamen noch termingerecht diverse Skandale zum Vorschein.

Aber nicht nur die ÖVP erlebte ein Debakel, sondern als Draufgabe zugleich alle anderen, die rechts von ihr anzusiedeln sind. Auch Haiders Spaltprodukte sind nicht mehr im Landtag vertreten, die FPÖ verfehlte knapp den Einzug, und Haiders BZÖ* schnitt mit mageren 1,7 Prozent katastrophal ab. Bei den zwei noch ausstehenden Landtagswahlen in Wien und im Burgenland dürfte es ihnen kaum besser ergehen.

Beachtlich, ja außergewöhnlich ist das Ergebnis, das die bundesweit kaum existente KP Österreichs mit ihrem Zugpferd, dem Grazer Wohnbaustadtrat Ernest Kaltenegger, eingefahren hat. 6,3 Prozent bedeuten eine Versechsfachung der Stimmen, die KPÖ ist künftig mit vier Mandaten im Landtag vertreten und zur drittstärksten Kraft des Landes aufgestiegen. Zwar sagten die Meinungsumfragen ein noch besseres Abschneiden voraus, doch so ganz wollte man diesen Prognosen in der Partei nie trauen. Zu Recht, man gehört ja nicht zu den Erfolgsverwöhnten.

Die KPÖ macht ganz traditionalistisch auf "Arbeiterpartei", die Zusammensetzung ihrer Wähler schaut anders, nämlich viel bunter aus. Mehr als die Hälfte der neuen Stimmen kommen entweder von Nichtwählern oder von ÖVP und FPÖ. Die Überlegung der Christkonservativen, dass die KPÖ hauptsächlich der SPÖ schaden würde, erwies sich als Trugschluss. Die flexibilisierten Wähler sind immer weniger nach politischen Lagern sortiert, als die Parteien glauben und wünschen. Kaltenegger Co. wurden jedenfalls nicht gewählt, weil sie Kommunisten sind, sondern obwohl sie welche sind. Ausschlaggebend waren weniger bestimmte Inhalte als Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit, Seriosität und effektive Hilfe. Man sollte daher vorsichtig sein, von einem Linksruck zu sprechen. Der in der Alpenrepublik stark verankerte Antikommunismus hat eine empfindliche Niederlage erlitten, aber deswegen hat nicht schon der Kommunismus einen Sieg errungen.

Verschweigen darf man auch nicht, dass die etablierten Medien den Wahlkampf der Kaltenegger-KPÖ äußerst wohlwollend begleiteten und sich kaum Ausfälligkeiten erlaubten. Im Gegenteil. Kaltenegger, vom Typus her der absolute Anti-Star, wurde regelrecht hofiert und als "Engel der Armen" aufgebaut. Manchmal beschleicht einen der Verdacht, man wollte sich in einigen Redaktionen dem prickelnden Gefühl hingeben, Kommunisten zu protegieren - als Regelverstoß gegen die grassierende Langeweile.

Mit solch eigenartigen Konstellationen hat man in den Parteizentralen nicht gerechnet, für solche Fälle war nicht vorgesorgt, obgleich man es nach den Grazer Gemeinderatswahlen (KPÖ: 21 Prozent) hätte ahnen können. In höchster Not packte daher die ÖVP die rote Katze aus und schaltete ganzseitige Anzeigen, wo sie vor dem Kommunismus warnte. Dem aus der Steiermark kommenden Wirtschaftsminister wurde "kotzübel", und der Bundeskanzler verglich die Kommunisten gar mit den Nazis. Die KPÖ ließ sich nicht provozieren, sie gab sogar die Existenz der roten Katze postwendend zu, indem sie zur allgemeinen Erheiterung ein Foto des schlafenden roten Parteikaters Maiki veröffentlichte. Die Partei hat sich jeder Aggressivität enthalten. Kaltenegger betonte unentwegt, man werde nicht besser, indem man die anderen schlecht mache.

Der Koalition in Wien ist mit diesem Resultat ein schwerer Schlag versetzt worden. Die ÖVP scheint auf der Verliererstraße, und Haiders Orangenpartei BZÖ wird immer mehr zu einer Nullnummer. Schüssel kommt also der Koalitionär abhanden. Sollte SPÖ-Chef Gusenbauer nicht eine allzu große Pannenserie bis zur nächsten Wahl hinlegen, dürfte die schwarz-orange Koalition im Herbst 2006 zu Ende gehen. Des SPÖ-Vorsitzenden Geschick hält sich freilich in Grenzen, und Schüssels Trickkiste dürfte noch nicht leer sein. Aber wenn Angela Merkel Kanzlerin wird, warum sollte es dann Alfred Gusenbauer nicht auch schaffen?

* Bündnis Zukunft Österreich


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