Wien, so scheint es, ist immer für eine Überraschung gut. Der gleiche Wolfgang Schüssel, der vor drei Jahren ein Bündnis mit Jörg Haiders Freiheitlichen eingegangen war und sich prompt dafür die Sanktionen anderer europäischer Staaten eingehandelt hatte, kokettiert nun mit Schwarz-Grün. Und auch die Grünen sind nicht abgeneigt. Hatten sie im Dezember erste Sondierungsgespräche abgebrochen, so sind sie jetzt in offizielle Koalitionsgespräche eingetreten. Ohne Vorbedingung, denn das hatte sich der ÖVP-Chef ausdrücklich ausbedungen. Arbeitsgruppen wurden gebildet, zügig will man zu einem Ergebnis kommen.
Widerstand innerhalb der Grünen gibt es zwar, doch der wird verlaufen wie bisher: Geht die Partei nach rechts, wird man laut schreien, dann aber brav kuschen. Abgänge, noch dazu prominente, wird es nicht zu verzeichnen geben. Dass es gar zu einem Aufstand gegen den Koalitionskurs kommen könnte, ist - trotz des abschlägigen Beschlusses der Wiener Landespartei - auszuschließen. Der Erweiterte Bundesvorstand hat mit klarer Mehrheit grünes Licht gegeben.
Schon nach den Wahlen im November häuften sich die Stimmen für eine schwarz-grüne Allianz. Es gelte schwarz-blau, das heißt, die Regierungsbeteiligung der FPÖ zu verhindern. Vor allem der »unabhängige« Journalismus legt sich seitdem mächtig ins Zeug für dieses Projekt. Mit leiser, aber doch deutlicher Androhung des Liebesentzugs werden die Grünen von den Medien regelrecht in die Koalition geprügelt.
Heute kann Alexander van der Bellen, Parteichef und Klubobmann der Grünen, von sich behaupten, dass er nie eine Koalition mit Schüssels Konservativen grundsätzlich ausgeschlossen habe, wenngleich man im Wahlkampf Rot-Grün favorisierte. Doch Sozialdemokraten und Grüne haben eben keine Mehrheit, und ewig will man nicht von der »Macht« ausgeschlossen bleiben. Wozu noch warten, wenn es jetzt auch geht? Warum nicht? Wenn der Kanzler sich so abmüht.
Zweifellos, das tut er. Wolfgang Schüssels schamlose Charmeoffensive ist auch dazu da, um zu beweisen, wozu er denn eigentlich fähig ist: »Seht her, mit wem ich alles kann. Ich bin auf den Haider nicht angewiesen. Im Gegenteil, den hab´ ich klein gekriegt.« Die internationale Presse reagiert auch sehr wohlwollend. Warum sich also blau ärgern, wenn grün so gut ankommt? Vor allem im Ausland kann damit einiges an Reputation wieder gewonnen werden.
Eines hat der Kanzler jedenfalls erreicht: alle wollen mit ihm. Niemand will nicht. Wolfgang Schüssel dirigiert und zelebriert die Verhandlungen. Und er sucht sich seine Partner, man könnte fast sagen: genüsslich aus. Er würde mit allen koalieren, vorausgesetzt sie spuren. Die Grünen freilich, die müssen nun wollen, die ÖVP hingegen kann weiter probieren, denn jede Variante ist für sie offen, bis hin zu einer Minderheitsregierung oder sogar Neuwahlen.
Wenn es nicht vorher platzt, darf man wirklich gespannt sein, auf »das ganz innovative Regierungsprojekt« (van der Bellen). Allerdings werden sich die Innovationen im Bereich des allgemein Bekannten und Berüchtigten halten. »Das Prinzip des Sparens ist weithin anerkannt«, meint der grüne Parteichef. Oder: »Dass wir beim faktischen Pensionsantrittsalter was tun müssen, ist eine Tatsache.« Das ist ja genau meine Rede, wird sich Wolfgang Schüssel denken. Im Ernstfall werden Schwarz und Grün den Rotstift zücken.
Ob die Grünen sich unter diesen Voraussetzungen frei spielen können, darf bezweifelt werden. Vom bisherigen Kanzler mehr zu erwarten als die Fortsetzung des jetzigen Kurses, ist blankes Wunschdenken, auch wenn auf einigen Vorhaben »Öko« draufsteht. Das ist Verpackung, aber um die scheint es zu gehen. Es steht die grüne Behübschung einer schwarzen Renten-, Steuer- und Ausländerpolitik an. »Dass die Grünen für uneingeschränkten Zuzug sind, ist ohnehin eine Mär«, heißt es im Kurier. Die Abschiebungen sollen zukünftig die »Alternativen« absegnen, wird dort ganz realpolitisch geschlussfolgert.
Vielleicht verzögert Schüssel für seine neuen Partner die Abfangjäger oder er schenkt ihnen die umstrittenen Ambulanzgebühren, auf dass in der grünen Parteizentrale die Sektkorken knallen. Auch »Drogendealer« werden die Schwarzen die Grünen dann wohl nicht mehr nennen. Da war ja Wahlkampf. Etwas fürs Gemüt muss schließlich getan werden: »Was nur nach ÖVP riecht und nicht nach Grünen, hat keine Mehrheit«, betont die stellvertretende Klubobfrau Madeleine Petrovic mit Blick auf den grünen Bundeskongress, der einen möglichen Regierungseintritt ratifizieren müsste. Seitdem stürmen führende schwarzgrüne Koalos alle Parfümerien des Landes.
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