“Facebook-Chronik” wird Pflicht – Datenschützer laufen sturm

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Facebook sorgt für einen Paukenschlag. In den kommenden Wochen wird die Facebook timeline, auf deutsch <Chronik>, für alle inzwischen 800 Millionen user zur Pflicht. Facebook-Gründer Zuckerberg verkündete bereits bei der Einführung der Chronik anfang September 2011, dass sich irgendwann eine Weiterentwicklung von zwei verschiedenen Profilen nicht mehr lohne. Der Zeitpunkt “irgendwann” kann nun auf “in den kommenden Wochen” spezifiziert werden. Die hartgesottenen Facebook-Programmierer versprechen das Blaue vom Himmel, während Datenschützer Alarm schlagen.

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Der investigative Journalist Sascha Adamek, der in dem Buch “Die Facebook-Falle” die miesen Machenschaften des Facebook-Imperiums aufgedeckt, ist sicherlich nicht weniger von der zur Pflicht werdenen Chronik begeistert, als diverse deutsche Datenschützer. Das soziale Netzwerk, welches sich im baby-blau-look verkleidet, wird vorallendingen dafür kritisiert, dass Fotos und Daten der Nutzer bis zurück zu der Geburt eingesammelt werden.

Keine Umstellung möglich

Auf Anfragen von Redaktionen wollte Facebook zur „Chronik“ keinen Kommentar abgeben, enthüllte aber das Gerücht um die verpflichtende Umstellung. Die Chronik wird also kommen – wohl schon in den nächsten Wochen. Auf kurz oder Lang muss sich wohl jeder Facebook-Nutzer mit der unter vielen Nutzern unbeliebten Chronik anfreunden müssen. Oder man löscht sein virtuelles Abbild. Letzteres hört man in diesen Tagen immer häufiger von genervten Facebook-Nutzern, doch wirken diese Drohungen bei der immer weiter steigenden Relevanz von Facebook nicht authentisch . Immer mehr Alltagsdinge werden via Facebook organisiert und geregelt.

Das ein-Wochen-Ultimatum

Die Pflichteinführung der Chronik mag für viele Facebook-Nutzer dreist erscheinen, aber immerhin gibt Facebook jedem Nutzer sieben Tage Zeit, um alte Einträge aus dem Netz zu verbannen oder um gar Ereignisse hinzuzufügen. Erst wenn die sieben Tage abgelaufen sind, geht das neue Profil samt pompösen Profilbild online.

Für den täglichen Nutzer kommt dieses Ultimatum gelegen und er kann sich auf die Profiländerung vorbereiten. Doch für den weniger versierten Nutzer, der auch nichts von der Profiländerung mitbekommen hat, kann die Änderung Böse werden. So würde der Nutzer beim nächsten Log-in verdutzt auf die vorher noch nie gesehene Chronik starren und sich über die schamhaften und spätpubertären Einträge von vor über fünf Jahre wundern. Nicht nur in Gelegenheitsnutzern, sondern auch insbesondere in Kindern und Jugendlichen sehen Datenschützer zudem große Gefahren.

Datenschützer kritisieren zu kurze Änderungszeit

Johannes Caspar, ein Hamburger Datenschützer beispielsweise findet diese sieben Tage zu kurz angesetzt. “Statt sieben Tage wie bei der freiwilligen Umstellung sind mindestens vier Wochen erforderlich”, erklärte er. “Wenn jetzt nicht mehr die Möglichkeit gegeben sein soll, sich für oder gegen die Chronik zu entscheiden, könnte der soziale Druck weiter steigen, Daten im Netz preis zu geben”, gibt Caspar weiter zu bedenken.

Ein weiterer Datenschützer mit dem Namen Thilo Weichert, sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: “Das Verhalten von Facebook ist ultradreist” und stände somit in keinem Verhältnis zu den einstigen Versprechungen. “Jetzt wird die Timeline allen Facebook-Nutzern aufgezwungen.”

Extras der Chronik

Das Unternehmen Facebook hat in der Chronik einige neue Funktionen integriert. So wird es bald die Kategorien “Neues Kind”, “Gewichtsverlust” oder “Erster Kuss” geben. Auch werden alte Facebook-Einträge auf dem Profil mit nur wenigen Mausklicken auffindbar. Am oberen rechten Rand des Profil erscheint eine Zeitleiste, über die man zu Einträgen vergangener Jahre gelangt.

Falsche Entwicklung

Unser Leben wird immer schnelllebiger, nur noch das Aktuelle zählt. Dieser Entwicklung kann man kritisch gegenüberstehen, aber aus diesem Grund sollte keinesfalles die Durchsetzung der Chronik verteidigt werden. Wir brauchen keine öffentliche Zeitleiste, damit jeder weiß in welchem Monat vor drei Jahren Hans-Peter Müller in der Kneipe “zum Abschuss” abgestürzt ist. Es will auch keiner peinliche Kinderfotos von fremden Menschen sehen. Und auch wenn die Bilder nur für einen bestimmten Personenkreis zugängig sind: Man muss sich immer vor Augen führen, dass Facebook mit den Informationen seiner Nutzer das ganz große Geld macht. Je mehr Informationen, desto höher der Profit. Fakt ist nunmal, dass durch das verpflichtene Chronik-Profil Facebook nur gewinnen kann: Alte Nachrichten sind zwar im vorhinein löschbar, doch sind diese Einträge im alten Facebook-Profil ohnehin nicht ersichtlich. Durch das nachträgliche Eintragen von Daten in die Zeitleiste wird das Facebook-Imperium immer weiter mit Informationen gefüttert. Bedenklich ist vorallendingen die in der letzten Zeit intensivierten Kooperationen zwischen Facebook, Staat und CIA. Politik und Medien. Vorallendingen dem Machtpotenzial der großen Medien wird der Weg zu noch mehr Macht geebnet.

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