“Kony 2012″ – Was steckt hinter den Kulissen?

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Vor einigen Tagen berichtete die Freiheitsliebe von dem Projekt “Kony 2012″. Wir hießen das Projekt in erster Linie gut, denn gutmütiges Handeln sollte immer gutgeheißen werden. In den darauffolgenden Tagen standen wir, das Team der Freiheitsliebe, dem Projekt immer spektischer gegenüber; auch wurde kritische Stimmen in anderen Blogs lauter. Zudem tauchten im Netz Bilder vom lieben Familienvater auf, Bilder auf denen der Filmemacher mit Maschinengewehren posierte.

Wir stecken in einem Dilemma. Das Internet ermöglicht es, dass sich die gesamte Menschheit untereinander austauschen kann, globale Projekte ins Leben rufen kann und Ideen teilen kann. Die Crux an dem ganzen ist jedoch die Frage, inwieweit wir global agierenden Projektinitiatoren Vertrauen schenken können.

Wer weiß schon was in Uganda vor sich geht? Gwiss ist, dass Kony 1986 die “Lord’s Resistance Army” (LRA) gegründet hat und für zehntausende Morde an Zivilisten bekannt ist. Auch ist die LRA dafür bekannt, Jungen mit Waffen auszurüsten und Mädchen zu versklaven.

Blogger spricht mit Filmemacher

Der kritische Blog “Developersportal” bekam in den letzten Tagen viel Zulauf. Der Inhaber des Blogs bekam sogar schon Anfragen von Al Jazeera English, FOX, NBC’s Today show und BBC World Servic. Für einen Blogger ist es wohl viel Wert, wenn die Massenmedien auf einen beschaulichen Blog Beachtung schenkt. Mehr Resonanz geht nicht. Aus guten Gründen lehnte der Blogger allerdings alle Gespräche ab: Sein Ziel ist es, den Menschen einen kritischen Blick auf die Massenmedien und ebensolche großangelegten Spendenaktionen wie Kony 2012 beizubringen.


Das Medieninteresse war scheinbar so groß, dass sogar Jason Russell, der Filmemacher von “Kony 2012″ selbst bei ihm anrief und ein langes Gespräch mit dem Blogger führte. Interessanterweise bot letzlich Russell dem Blogger einen Gratisflug nach Uganda an, um sich dem guten Sinn der “invisible children foundation” bewusst zu machen. Es ist wirklich erstaunlich, dass der Filmemacher einem Kritiker gleich eine $3000-Dollar Reise anbietet – eine durch Spenden finanzierte Reise. Geht man etwa so mit Spendengeldern um?

Der Blogger mit dem Namen Grant Oyston hätte das Angebot gerne angeommen, konnte es aber nicht verantworten, dass er somit 3000 Dollar Spendengelder aus dem Spendentopf nähme.

Amerikanerin mit ugandischen Wurzeln spricht über Kony

Die letzten Tage machte ich mir viele Gedanken über das Video und hinterfrage meine zuanfangs präsente und ungewohnte Kritiklosigkeit. Ich schaute mir das Video einen Tag später erneut an und erkannte, wie raffiniert und auf welch technisch hohem Niveau das Video produziert wurde.

Im Video selbst wird das Problem rund um Kony dargestellt. Dann wird es emotional: Die Bilderbuchbeziehung zwischen Vater und Sohn und die Sätze wie “….but my son lives is a complex world.” bewirken, dass wir uns immer mehr mit Russell identifizieren können. Dann wird Jacob, ein junger Ugandanese vorgestellt, ein junge der der LRA aus Norduganda flüchtete und in einem Gespräch mit Russell erzählt, dass sein Bruder vor seinen Augen umgebracht wurde.

Bis vor einigen Tagen kannten die meisten Menschen Kony noch nicht und heute soll es der größte Menschenrechtsverletzer unseres Planeten sein? Diese beiden Extremata – einerseits das Unwissen über Kony und andererseits die Darstellung als schlimmsten Menschenrechtsverletzer – füllten mich mit Unmut.

Hinsichtlich dessen ist es sicherlich interessant was jemand sagt, der selbst seine Wurzeln in Uganda hat.

In dem Video geht es darum, dass sich jeder selbst informieren sollte und nicht zu schnell auf diese emotionale Schiene reinfallen sollte, denn was wissen wir schon über Uganda? Gibt es überhaupt Medien, die neutral über Neuigkeiten in Uganda berichten? Im Videoblog wird unter anderem gemutmaßt, dass Kony bereits seit einigen Jahre tot sein könnte. Verwundernswert ist zudem ist Aussage ihres Bruders und ihrer Großmutter, die niemals Uganda verlassen haben und noch nie den Namen “Kony” gehört haben.

Kony 2012 erreicht junge Bevölkerung

Bereits über 66.000.000 mal wurde das Video bereits angeklickt. Was auffällt ist, dass die meisten Besucher zwischen 13 und 17 Jahren sind – dicht gefolgt von der Altersgruppe 18-24 Jahren.

Auffällig ist zudem, dass der rote “gefällt mir nicht-Button” stetig länger wird. Auch die Kritik unter den Bloggern steigt gewaltig. Russell & Co. können es egal sein. Sie dürften schon jetzt mehrere Millionen an Spendengeldern eingenommen haben. Wieviel Dollar in Uganda nun wirklich ankommen werden, wird wohl ihr Geheimnis bleiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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