Die Wiederbelebung Francos

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In Spanien geht es in diesen Monaten hoch her. Bei Massenprotesten in Barcelona, Madrid und weiteren Städten kam es immer wieder zu Ausschreitungen: Aufgebrachte, handgreifliche Protestler bekommen die harten Knüppel der Polizei zu spüren. Die oft im Internet organisierten Demonstrationen sind das Sprachrohr der Bewegung, welches bald das Prädikat illegal erhalten soll. “passiver Widerstand”, ein reiner Interpretations-Tatbestand, wird jetzt mit Haftstrafen ab zwei Jahren belegt.

Das Paket das Gewehrs verlässt den Gewährlauf, die Pakethaut zerspringt und die Gummigeschosse fliegen in mehr oder minder starker Streuung ins Ziel. Der Demonstrant wird getroffen, die Auswirkungen können dramatisch sein. Der offizielle Mindestabstand beträgt 20m, die Reichweite 50m, die Ausschussgeschwindigkeit liegt bei 180m/s. Nicht immer wird der Mindestabstand eingehalten, so bleibt es oft nicht beim panischen Davonlaufen. Finger und Nasenbeine können gebrochen werden, Zähne können ausgeschlagen werden. Auch Rissquetschwunden tragen viele Demonstranten davon.

Polizei verteigt Politiker außerhalb des Parlaments

Politiker sind in erster Linie dazu da, um allgemein verbindliche Regelungen aufzustellen. Das Handeln und Aufstellen der Gesetze soll schließlich durch die Wählerschaft legitimiert sein. Dass nun immer mehr Menschen auf die Straße gehen ist ein Zeichen, dass die Menschen begreifen, dass der Plan A namens neoliberaler Kapitalismus nicht aufgeht. Dabei bleibt es nicht: die Menschen, die dem System kritisch gegenüber stehen werden immer mehr. Es sind nicht nur die Armen, die schon längst von den anderen ausgeschlossen wurden; Es sind auch die Menschen aus der Mitte und die sogenannten Experten, die ein Zugrundegehen alter Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit kritisieren. Die Systemfrage wird also immer lauter, und gerade da, wo diese Frage am lautesten gestellt wird, soll bald allein das Aussprechen der Frage verboten werden. Der spanische Innenminister Jorge Fernández Díaz will in Zukunft den “Passiven Widerstand” per Dekret verbieten.

Demonstrationen, die „die öffentliche Ordnung stören“, sollen zukünftig als Delikte behandelt werden. Da es aber nunmal in der Natur jeder Demonstration liegt, die öffentliche Ordnung zu stören, eine gewisse Gegenöffentlichkeit zu evozieren, können die Behörden darauf reagieren, wie immer sie wollen. Repressalien jeder Art werden damit Tür und Tor eröffnet. Mindestens so infam ist die andere Neuerung: Wer über soziale Netzwerke zu gewalttätigen Protesten aufruft, soll in Zukunft „dieselbe Strafe bekommen wie jemand, der einer kriminellen Vereinigung angehört“. Die schärferen Maßnahmen seien notwendig, um die “Spirale der Gewalt” zu bekämpfen, die “Antisystem-Kollektive” mit Techniken der “Stadtguerilla” erreichen wollen. Schon “passiver Widerstand” soll als Angriff gegen die Staatsgewalt ausgelegt werden.

friedlicher Protestler = Krimineller!

Zwei Jahre Haft. So könnte das Urteil für jemanden heißen, der via Facebook zu Protesten aufruft. „Passiver Widerstand“ soll jetzt ebenso mit Haftstrafen ab zwei Jahren Gefängnis bestraft werden wie jemand, der zu gewalttätigen Massendemonstrationen im Internet” aufruft. Hier wird also schon gesetzlich gesehen kein Unterschied mehr zwischen friedlichen und gewaltbereiten Demonstranten gemacht. Sehr demokratisch.

Eine weitere Schwäche offenbart das Gesetz in der Planbarkeit von Protesten. Da niemand vorhersehen kann, in welche Richtung


sich am Ende Der Protest entwickelt, sind der Handlungsfähigkeit und der Willkür der Behörden damit keinerlei Grenzen mehr gesetzt. Zudem hört man immer wieder von Protestlern, dass bis zu einem gewissen Punkt die Bewegung friedlich verlief, die Bewegung in Harmonie sich für ihre Ziele einsetzte. Doch plötzlich sei aus dem Nichts völlig unvorhergesehen massive Gewalt an der Polizei angewendet worden sein. Man vermutet, dass die Polizei eigene Leute in die Protestbewegung einschleust, um die Gruppe noch vor ihrer Blütezeit zu zerschlagen.

Polizei macht nur ihre Arbeit

In Europa müssen wir uns auf uns in Zukunft darauf einrichten, dass deutsche Polizisten vor dem Athener Parlament Proteste niederschlangen und polnische Polizisten bei Massendemonstrationen in Deutschland zur Aushilfe bestellt werden. Wollen wir das? Europa wächst immer weiter zusammen: Was einst 1957 mit dem Zusammenführen von EGKS, EWG und Euratom begann, ist heute eine immer größer und mächtiger werdene Europäische Union. Es ist absehbar, dass die EU einestages zu einem vollständig supranationalen Staat aufsteigt, mit den einzelnen Bundesländern. Diese Idee mag eine erstrebenswere sein, die weiterhin Kriege innerhalb Europas weiterhin unwahrscheinlich machen, doch darf dieser Schritt des Annektierens nicht überfrüht geschehen. Falls das supranationale Projekt scheitern sollte, gibt es schlagartig Branntherde in ganz Europa: Denn die starken Proteste in Spanien, von denen die Massenmedien kaum bis gar nicht berichten, werden auf kurz oder lang auch Frankreich und Deutschland erreichen.

Mit dem neuen Gesetz, welches Proteste ganz verbieten soll, werden wiedereinmal nur die Sympthome bekämpft. Der Ursache wird nicht nachgegangen. Wollten die Regierungen und die Innenministerien wirklich einen friedlichen Staat, so müssten die kritischen Stimmen erhört werden und der öffentliche Diskurs angeregt werden. Fakt ist, dass das System immer mehr Menschen in den Ruin treibt und auf der Straße verarmen lässt. Was wir brauchen ist der Dialog zwischen Regierung, Unternehmen und den Bürgern und keine Lobbyverbände, die ihre Macht für politische Zwecke ausnutzen – auf Kosten der Bürger, die genau diese Menschen alle vier Jahre wählen und dabei oft noch denken, dass sie in einer modernen Demokratie leben. Doch dieser unkritsche Gedanke gegenüber der Demokratie unterliegt dem Wandel, welcher wiederum aus den Erfahrungen resultiert.

Spanien vor Bürgerkrieg?

Facebook und Twitter laufen heiß. Die frisch geschmiedeten Pläne des Innenministers, die sehr an die schon längst überwunden geglaubte Frankco-Dikatatur erinnern, lässt die Menschen in Spanien empören. Keiner will diesen Rückschritt; und zu diskutiert man über Facebook und Twitter, die man das Land, das kurz vor dem Abgrund steht, noch retten kann.

Man will in Spanien nicht für möglich halten, dass eine demokratisch gewählte Regierung jetzt zu den Methoden der finsteren Franco-Diktatur zurückkehrt, die man endlich hinter sich zu haben glaubte und schnellstens vergessen möchte. Hart zu knabbern haben die Spanier an den harten Einspareungen in den Bereichen Erziehung, Bildung, Kultur und Entwicklungshilfe. Diese Bereiche werden dabei praktisch finanziell eliminiert. Die Zinsen der Staatsschulden steigen, die Börsen stürzen ab, in Brüssel ist man immer noch nicht zufrieden mit seinem knallharten Sparkurs und im eigenen Land droht der Bürgerkrieg.

Bleibt zuletzt nur noch die Frage: Wie lange dauert’s noch bis es in Spanien noch richtig knallt – und wer traut sich dann noch auf die Straßen?

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