Mitfahren nur für Muslime und Freunde – Darf ich mitfahren?

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Mitfahrgelegenheiten sind ein tolles Mittel um Menschen kennenzulernen und zeitnah an verschiedenste Orte zu reisen, ohne die teure Deutsche Bahn zu nutzen. Ich persönlich nutze die Mitfahrgelegenheiten häufig, da es meist zu interessanten Gesprächen kommt und Studenten bekanntlich nicht ganz so viel Geld haben. Nun habe ich vor wenigen Tagen vom Muslimtaxi gehört und mich gefragt, ob ich mitfahren würde oder überhaupt dürfte.

Die Idee eine Mitfahrgelegenheit für Muslime und Freunde zu gründen, scheint mir persönlich sehr fragwürdig, denn sie könnte die Parallelgesellschaften stärken. Der Gründer spricht davon, Diskussionen zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zu fördern, da diese während der Fahrt einfacher entstehen könnten. Damit mag er Recht haben, aber können diese nicht genauso bei normalen Mitfahrgelegenheiten entstehen?

Geschlechtertrennung im Taxi

Um meine Zweifel am Muslimtaxi zu zerstreuen, wollte ich mir mal die Ideen des Gründers durchlesen, die er der TAZ in einem Gespräch mitteilte. Als Grund für die Gründung nennt Selim Reid die mangelnde Geschlechtertrennung:

Viele muslimische Schwestern wie auch Brüder haben sich beschwert, dass sie nicht alleine mit der herkömmlichen Mitfahrzentrale fahren können, weil die nach dem Islam vorgegebene Geschlechtertrennung hier nicht umgesetzt wird. Die Klagen der Geschwister häuften sich und so hatte ich den Einfall für “Muslim-Taxi”.

Bei der herkömmlichen Mitfahrzentrale wird angegeben, ob es eine Fahrerin ist oder ein Fahrer, erkennbar am Namen, und es gibt spezielle Mitfahrgelegenheiten nur für Frauen. Dieses Argument ist für mich persönlich schwer nachvollziehbar, aber wenn muslimische Frauen oder Männer negative Erfahrungen damit gemacht haben, dann kann ich ihre Sorge nachvollziehen, wenn auch nicht teilen. Auch die meisten meiner muslimischen Freunde oder Freundinnen haben kein Problem, bei einer Person des anderen Geschlechtes mitzufahren.

Diskriminierung von Muslimen

Als weiterer Grund wird die Diskriminierung von Muslimen genannt, die in der heutigen Zeit leider immer ausgeprägter ist. Sicherlich kommt es häufig vor, dass man als MuslimA diskriminiert wird und es ist wichtig dagegen vorzugehen, aber kann es der richtige Weg sein, wenn man sich selbst ausgrenzt? Wichtiger, und warscheinlich auch sinnvoller, wäre es doch, gezielt den Dialog zu suchen und dabei keinen Wert darauf zu legen, welcher Religion der Diskussinspartner anhängt.

Selim Reid antwortete auf eine ähnlich gestellte Frage:

Wir machen nichts Anderes, als etwa christliche kirchliche Gemeinschaften, die sich auch untereinander unterstützen. Außerdem können auch Nichtmuslime an den Fahrten teilnehmen. Wer also wirklich den Dialog sucht, der findet diesen bei “Muslim-Taxi”.

Die Frage ist nun, ob diejenigen, welche wirklich den Dialog suchen, Muslimtaxi nutzen müssen, damit sie eine andere Sicht erhalten und den Dialog führen können? Wenn sich christliche Gemeinschaften von Nicht-Christen abgrenzen, bedeutet das noch lange nicht, dass diese Abgrenzung besser wird, nur weil andere sie auch betreiben.

Erhalt der Ehe

Der entscheidende Grund für Muslimtaxi scheint aber der vermeintliche Erhalt der Ehe zu sein. Diese scheint durch Mitfahrgelegenheiten gefährdet werden kann:

Die Tatsache, dass Muslime, männlich wie auch weiblich eine Trennung zum anderen Geschlecht anstreben sollten, hindert uns Muslime daran, Mitfahrgelegenheiten zu nutzen, bei denen man sich den Fahrer und Mitfahrer nicht aussuchen kann. So war es vor allem für muslimische Frauen sehr schwer, ohne Begleitung gewöhnliche Mitfahrgelegenheiten zu nutzen. Mit Muslim-Taxi sind diese Probleme alhamdulillah (Gott sei Dank – Anm. d. Red.) nicht mehr gegeben, denn auf der Angebotsseite finden Interessenten die direkte Angabe, ob es bei dem Anbieter um eine männliche oder eine weibliche Person handelt. So schützen wir auch die Ehen. Ich habe schon oft gehört, dass Verheiratete bei Mitfahrgelegeheiten einen Seitensprung kennengelernt haben und ihre Partnerschaft daran zerbrach, Familien daran kaputt gegangen sind.

Sie sehen es als ihre Aufgabe an, Ehen zu schützen?

Ich biete eine einfache Möglichkeit an, bei der ich das Fremdgehrisiko weitgehendst eingrenze.

Nach folgender Logik könnte man auch verlangen, dass Männer nur noch in Betrieben arbeiten, in denen keine Frauen angestellt sind und umgekehrt, da es ansonsten das Risiko des Fremdgehens gibt. Wenn eine Ehe allerdings gut verläuft und es eine monogame Ehe ist, offene Ehen sind eher selten, dann kommt es relativselten vor, dass einer der Ehepartner fremd geht. Das Fremdgehen wird gefördert, wenn einer der Ehepartner unglücklich ist, dann kann natürlich eine attraktive Mitfahrgelegenheit eine gute Chance sein, aber der Augenmerk zur Verringerung des Fremdgehrisikos sollte auf dem Eheglück liegen und nicht auf der Vermeidung des Kontaktes zum anderen Geschlecht.

Das Interview hat meine Fragen nicht wirklich beantwortet, sondern nur neue Fragen aufgeworfen. Der Gründer erklärt, dass dies eine Möglichkeit für Muslime ist, der Diskriminierung zu entgehen, wie aber soll jemand handeln, dessen Eltern aus einem anderen Land stammen, der aber atheistitisch ist oder einer anderen Religionsgemeinschaft angehört. Sollen sie auch eigene Mitfahrzentralen gründen?

Abschließend, die vielleicht entscheidende Frage, wer genau ist wessen Freund? Bin ich nun der Freund eines Muslims, weil ich mich für die Religionsfreiheit stark mache und jeden Menschen unterstütze, wenn er oder sie, seine/ihre Religion ausleben will? Oder bin ich vielleicht doch nicht wirklich ein Freund der Muslime, da ich mich für die Rechte der Frauen stark mache, die vor allem in salafatischen Kreisen nicht vorhanden sind? Und vor allem, wie kann ich nun vorher wissen, ob meine Mitfahrgelegenheit meine Ideale genauso akzeptiert und toleriert, wie ich die seinen(kann nur bei einem Mann mitfahren als Mann)?

Vielleicht werden sich meine Zweifel zerstreuen, wenn ich eine einmal das Muslimtaxi nutze. Wenn, werde ich sicher berichten.

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