Importware Mensch

Arbeitsmigration und Klima Pflege- und andere Arbeitskräfte aus weit entfernten Erdteilen anzuwerben ist mittlerweile ein neues Normal. Was bedeutet das im Hinblick auf den propagierten Klimaschutz?

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Gaaanz schlecht fürs Klima, wenn um die Welt gejettet wird. Flug- und Reiseverkehr ziemlich pfui, hört man immer wieder.
Das gilt vor allem dann, wenn der Lohnabhängige auf Mallorca eine Auszeit sucht. Da ist dann sofort von einem bösen CO2-Fußabdruck die Rede, vom Verzichten und Vermeiden.
Nicht zu gelten scheint das in vielen anderen Fällen.

Pflege- und andere Arbeitskräfte aus weit entfernten Erdteilen anzuwerben ist mittlerweile ein neues Normal.
Von immer weiter weg will man die billigen willigen Malocher einfliegen, damit man nur ja nicht auf die dumme Idee kommt, die Pflege am Menschen und andere Tätigkeiten ordentlich zu entlohnen. Das geht ja nicht, weil dann die Pflege und vieles anderes unerschwinglich teuer würde, ließe man die Marktgesetze auch mal zugunsten der Lohnabhängigen arbeiten. Diese Gesetze wirken ja doch immer nur in die andere Richtung. Schon seltsam, wie das immer geht.

Jedenfalls wie Pakete, die man sich bestellt und liefern lässt, karrt man jetzt Fach- und Hilfskräfte quer übern Globus und vergisst dabei schon mal eins:
Menschen sind keine Pakete, die man nach Belieben verschicken und ins Regal stellen kann.
Bei Nichtgefallen oder weil sich der Bedarf geändert hat, kann man die Menschwaren auch nicht einfach wieder retoursenden. Wie noch jede Generation Gastarbeiter haben sich die Neuimportierten wohl ebenfalls bald im Zielland verwurzelt, wollen ihre Herzensmenschen und Familie vielleicht nachholen – auch wenn ihr Brauchbarkeitsdatum vielleicht schon wieder abgelaufen ist.
Fürs Klima ist das alles nicht gut.
Wer sich Pflegekräfte einfliegen lässt, muss jedenfalls den vermeidbaren CO2-Fußabdruck nicht nur fürs Einfliegen rechnen, sondern zunächst schon mal für die regelmäßigen Heimaturlaube der importierten Menschware.
Die hat ja Gefühle auch, mitunter Heimweh oder hat womöglich sogar die eigenen Kinder und Eltern zurückgelassen, deren Pflege und Betreuung jetzt anderweitig geregelt werden muss, da will man wenigstens zu den Feiertagen und im Urlaub zusammen sein, sich kümmern, sorgen.
Das vergisst man ja gern, aber klar hat die Importware Familie, Freunde und Bezugspunkte, zu denen sie – natürlich – immer wieder Mal zurückkehren möchte; sie ist ja Mensch und kein Paket.
Wenn nun – wie beabsichtigt - das Reisen nun aus Umweltschutzgründen erheblich verteuert wird, wie soll sich der Importierte den Heimaturlaub von seinem schmalen Gehalte leisten können? Gesteht man ihm diese Urlaube zu oder wird ihm das dann auch als „unnötig“ und „verzichtbar“ vorgehalten?
In Summe ergibt das ganz ja schön viel Hin- und Her-Gejette. Viel Fliegen und Reisen, das grundsätzlich vermeidbar wäre.
Wem wird nun dieser entstehende CO-2 Fußabdruck überhaupt zugerechnet? Der Pflegekraft? Dem Pflegling, für den die Fachkraft eingeflogen wurde? Dem Vermittlungsinstitut, das am Profit mitschneidet? Dem Zeitgeist, der lieber CO2-Fußabdrücke in die Erde stampft anstatt von seinem geldgewinnorientierten, menschenauspressenden, alles vermarktenden Mantra abzurücken?
Letzteres wohl eher nicht.

Während die reichen den ärmeren Ländern massig systemrelevante Hände abwerben, welche ebenso gut vor Ort gebraucht werden könnten und deren Ausbildungskosten oft am Heimatland hängen bleiben, wird der Mensch immer warenförmiger und das Gerede vom Planeten-retten interessiert NIEMANDEN, sobald es dem kapitalistischen Marktgewäsch ins Wort fällt.

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