Schon 1970, im Jahr ihres frühen Todes, galt Eva Hesse als eine der innovativsten und einflussreichsten Personen der New Yorker Kunstszene. Als Pionierin der postminimalistischen Skulptur gehörte sie zu den wenigen, die bereits zu Lebzeiten international beachtet wurden. Unter der Verwendung von flexiblen, fragilen und oft lichtdurchlässig-organisch wirkenden Materialien wie Glasfaser, Harz, Latex und Gummi, von Kunststoffschläuchen und Schnüren gelangen ihr absurde Abstraktionen, die die strenge Stereometrie der minimalistischen Kunst aufbrachen.
Am Anfang des filmischen Porträts Eva Hesse steht eine Assoziation. Der Vorspann zeigt eine Serie von filmischem und fotografischem Archivmaterial, von Zeichnungen, Skulpturen und Installationen. Vertikal und horizont
rtikal und horizontal gleitet die Kamera an den Arbeiten vorüber, zoomt auf Details. Die Aufnahmen sind permanent in Bewegung, in Überblendungen verschmelzen frühe Papierarbeiten mit bekannten skulpturalen Spätwerken. Musikalisch untermalt überlagert die Bilder bald ein Voice-over – eine weibliche Stimme, die autobiografische Notizen von Eva Hesse vorträgt. Namentlich noch nicht genannte Künstler, Kuratoren und Kunsthistoriker tragen Statements bei.In der Montage werden werkimmanente und private Aspekte verknüpft, um eine nicht unproblematische Kongruenz von Kunst und Leben zu behaupten: „Sie bearbeitet nicht nur das Material, sie war das Material.“ Der Film von Marcie Begleiter forciert diese biografische Lesart durch die vielen Auszüge aus Tage-, Notiz- und Kalenderbüchern, die Hesse seit ihrer Jugend schrieb. Die Aufzeichnungen skizzieren ambivalente Bewegungen: Selbstzweifel und Arbeitshemmung wechseln sich mit Enthusiasmus und Produktionsexzessen ab, auf listenartige Vorsätze und Imperative an sich selbst folgen persönlich gefärbte Exklamationen über das problematische Verhältnis zu ihrem Ehemann, dem Künstler Tom Doyle.Nicht unproblematisch ist daran, dass der Film die Notate Hesses wie Lektüreanleitungen für die Kunstwerke behandelt. Die Künstlerin wird mit ihrem Werk distanzlos in eins gesetzt, das Bedeutungsspektrum der Arbeiten wird reduziert. Diese Position wird vor allem von der Kunstkritikerin und Kuratorin Lucy Lippard vertreten, die auf Korrespondenzen zwischen Formensprache und psychischer Disposition der Künstlerin verweist.Placeholder gallery-1Immer wieder fokussiert der Film Hesses traumatische Kindheitserinnerungen. Die jüdische Familie war 1939 aus Nazi-Deutschland geflohen, zeitweise waren die noch nicht dreijährige Eva und ihre Schwester von den Eltern getrennt, ehe alle gemeinsam New York erreichten. Doch die Freiheit garantierte keine sorglose Jugend: Hesses Mutter erkrankte an einer bipolaren Störung, die Eltern trennten sich, die Mutter nahm sich das Leben.Visuell setzt Begleiters Film Hesses Albträume in einem comichaften Trickfilm um und infantilisiert in seinem Glauben an Abbildbarkeit derlei Gemütszustände. Auch die Animationen von alten Schwarzweißfotografien sind wenig gelungen. Die Zooms, Überblendungen und Split Screens wirken ziemlich fahrig; sie zeigen Details von Hesses Arbeiten und verändern den Bildausschnitt gegenläufig. Erst bei den späteren, installativen Arbeiten wie Right After – ein dichtes Netz herabhängender Schnüre aus Fiberglas – funktionieren die mäandernden Kamerafahrten besser.Zu den großen Stärken des Films gehört, dass er – neben der Dominanz des biografischen Rezeptionszugangs – andere Lesarten etabliert und gesellschaftspolitische und formalästhetische Aspekte im Leben und Schaffen von Eva Hesse konturiert. So wird Hesses Position in einer männlich dominierten Kunstszene diskutiert. Zudem streift Begleiters Panoptikum erotische, biomorph-sexuelle und absurde Bedeutungsfelder im Werk der Künstlerin.Ein besonderes Augenmerk gilt in den Interviews den bevorzugten Materialien und Motivreihen sowie der Genese einzelner Skulpturen. Die Künstlerkollegen Dan Graham und Richard Serra sprechen über die Begeisterung für neue, industriell hergestellte Materialien in den 60er Jahren, Hesses ehemaliger Assistent Doug Johns – dem sie die Anfertigung einiger Fiberglasobjekte überließ – erzählt eindrücklich von den Arbeitsprozessen bei der künstlerischen Produktion. Johns hatte eine Art des Gießens entwickelt, die zu blasenartigen Lufteinschlüssen führte. Auf diese Weise wurden die Lichtbrechungen im Material gesteigert, es entstand ein überaus organischer Eindruck.Mit Eva Hesse entwirft Marcie Begleiter also ein vielstimmiges, schon wegen der Archivaufnahmen sehenswertes Künstlerporträt, das auch die New Yorker Kunstszene jener Jahre in den Blick nimmt.Placeholder infobox-1