Der Schriftzug zierte Omas Nähmaschine, die mit dem Schwungrad, das durch gleichmäßiges Wippen der Füße in Bewegung gehalten wurde: "Made in Germany". Nun will die EU die Regeln verschärfen, nicht mehr der "letzte Produktionsschritt" soll entscheidend sein, sondern das Land, in dem der Großteil der Produktion stattfand.
Die Briten erfanden die Kennzeichnungspflicht um deutschen Produkten zu schaden, doch sie hat ihnen lange genützt, weil die Produkte aus Deutschland was taugten und hiesige Unternehmer auf die Fertigkeiten der hiesigen Arbeiter setzten, die gut qualifiziert waren, unter vergleichsweise guten Bedingungen arbeiteten und dabei eben gute Produkte herstellten, von guten Ingenieuren entworfen, die auch mal in die Werkhalle hinübergingen und sich mit den erfahrenen Arbeitern berieten. Nach dem Krieg war man richtig stolz darauf, "Made in Germany" war synonym mit "Wirtschaftswunder", schaffte Arbeitsplätze und einen guten Namen in der Welt.
Die Zeiten sind vorbei. Alles muss billiger werden, damit man konkurrenzfähig bliebe, sagten die Manager und suchten sich Produktionsstandorte in fernen Ländern, wo man auch nicht so genau hinsah wenn es um Arbeitsbedingungen und Sozialstandards ging. Die Ingenieure sollten in Deutschland ihre Innovationen schmieden, und die Arbeiter in Fernost den Stahl. Das ist globale Arbeitsteilung – mit einem wohlwollenden Blick betrachtet, ein Gewinn für alle.
Was ist der entscheidende Produktionsschritt?
Die Regel, dass die entscheidenden Schritte der Endproduktion in Deutschland stattgefunden haben müssen, damit das Produkt den Schriftzug "Made in Germany" tragen darf, klingt eigentlich plausibel. Niemand kann erwarten, dass jeder Bestandteil eines Produktes aus Deutschland stammt. In der Elektronik gibt es beispielsweise notwendige Rohstoffe, die in Deutschland gar nicht gefördert werden können – also könnte kein elektronischer Apparat je das begehrte Label tragen.
Der Ort der Herstellung von Materialien und Teilprodukten ist also nicht entscheidend. Wichtig wäre, wo aus den Teilen das Ding wird, als das es gekauft wird: Wo wird aus den Chips und dem Gehäuse ein Notebook, wo wird aus dem Leder eine Tasche? Das ist der entscheidende Produktionsschritt, vor allem dann, wenn er über die Qualität des Produktes entscheidet.
Wenn aber ganz am Schluss auf eine Tasche oder eine Hose noch ein Marken-Logo aufgenäht wird, dann ändert das nichts mehr an der Qualität des Produktes, ebenso wenig, wenn ein fertiges Notebook noch mit dem Ladegerät und der Bedienungsanleitung zusammen in den Karton gelegt wird.
Was ist Qualität?
Ist vielleicht für den Träger eines Markenanzuges der eingenähte Stofffetzen, auf dem der Markenname steht, das entscheidende Qualitätsmerkmal? Wenn man so argumentiert, dann würde es tatsächlich reichen, wenn sich die Produktionsschritte in Deutschland auf das Applizieren von kleinen Bildchen oder markentypischen Accessoires beschränken würden.
Dieser Ansicht scheinen manche Wirtschaftsvertreter in den Lobby-Verbänden zu sein. Das aber geht nach hinten los, denn langfristig werden damit die jeweilige deutsche Marke und der Schriftzug "Made in Germany" wertlos.
Jede Qualitätswahrnehmung, die sich nur aus einer Marke oder einem Schriftzug ableitet, ist letztlich nichts anderes als ein Vertrauensvorschuss in andere, nicht sofort sichtbare Qualitätsmerkmale, die für den Gebrauch des Produktes wesentlich sind. Langlebigkeit, Verschleißarmut, Zuverlässigkeit – das erwartet man, wenn man "Made in Germany" liest, und deshalb müssen die Produktionsschritte, die genau diese Qualitätsmerkmale sicherstellen, auch in Deutschland stattgefunden haben, wenn ein Produkt zurecht einen Schriftzug tragen soll, der behauptet, das Ding sei hier hergestellt.
Bürokratie oder Qualitätssicherung?
Aber so etwas ist schwer messbar. Die EU-Kommission will deshalb, dass wenigstens ein gewisser großer Anteil der
Wertschöpfung in dem Land stattgefunden haben muss, auf den der "Made in…"-Schriftzug verweist. Das ist eine Hilfskonstruktion, aber sie ist praktikabel. Sorgen macht es, wenn die Wirtschafts-Lobby-Verbände ausgerechnet bei dieser Regelung behaupten, sie würde zu viel Bürokratie erzeugen. Ist es den Herstellern nicht wenigstens zuzumuten dass sie wissen, welcher Anteil ihrer Produkte aus welchem Land stammt, ist das nicht ein notwendiger Teil der Qualitätssicherung, die man von einem Produkt "Made in Germany" erwarten darf?
Manchen Marketingleuten ist aber offenbar nicht die Qualität wichtig, die das Produkt wirklich hat, sondern, dass die Kundschaft glaubt, Qualität zu bekommen. Das verspricht "Made in Germany" – aber die Worte halten ihr Versprechen längst nicht mehr. Die Frage, was sich "Made in Germany" nennen darf, wird nicht mehr in der Produktion entschieden, sondern von spitzfindigen Marketing-Spezialisten und Juristen. Die meinen, es käme auf den letzten wichtigen Produktionsschritt an, wenn der in Deutschland stattfindet, dann ist es "Made in Germany".
Die Ergebnisse sind absurd und zeigen, dass es offenbar schon lange nicht mehr darum geht, ein Versprechen zu halten. Letztlich werden die Verbraucher damit hinters Licht geführt, ihr Vertrauen wird verraten.
So wird der Schriftzug "Made in Germany“ wohl bald nur noch das Symbol einer Verkaufsstrategie sein, die gerade nicht Qualität und Verbrauchernutzen zum Ziel hat. Wer sich heute ehrlich auf einem globalen Mark präsentiert, der schreibt auf seine Produkte: "Made in a Globalised World".
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