Für das Funktionieren der Vernetzungen von jugendlicher Subkultur und dem organisierten Teil des neuen Faschismus spielt ein Phänomen eine Schlüsselrolle, das man vage mit dem Begriff "Rechtsrock" belegt hat. Was dessen Funktion in den rechtsextremen und neofaschistischen Szenen anbelangt, scheint einigermaßen klar: Die Vertriebsstruktur von legalen und illegalen Angeboten ist zwischen Szene und organisierter Rechter ebenso vernetzt wie zwischen den europäischen und amerikanischen Szenen; Rock-Musik dient der Rechten sowohl als Propagandainstrument als auch als Geldquelle.
Angefangen bei den "Fun-Skins" über die "gemäßigten" und legalen Angebote bis hin zu den Hardcore-Bands fungieren die Texte als Durchlauferhitzer: muffige Spießer-Phantasien, eine nordische Kitsch-Mythologie, Elemente der alten Nazi-Sprechweise und Szene-Brocken verbinden sich miteinander, wie sich in der Ikonographie Punk, Nazi-Kitsch und Stürmer-Rhetorik vermischen. Je diskursiver und je manifester die Aspekte des Rechtsrock sind, desto offener ist ihnen mit Kritik und Analyse zu begegnen (was es nicht leichter macht, diese Kritik in die richtigen Köpfe zu bekommen). Schon wesentlich schwieriger wird es, die nicht-diskursiven, nicht-manifesten Teile dieses wesentlichen Codierungs- und Rekrutierungsinstruments des Neofaschismus zu beschreiben. Eine scheinbar einfache Frage ist zum Beispiel: Welchen Anteil hat die Musik selbst im Wirken des "Rechtsrock"?
Zwei entgegengesetzte Hypothesen könnten diesbezüglich aufgestellt werden: Die Musik der Rechtsradikalen wird zur rechtsradikalen Musik erst durch ihre Texte. Die hauptsächlich verwendeten musikalischen Genres (OI-Punk, Skin-Reggae/Ska, Metal etc.) dienen dabei vor allem als "Transportmittel". Ohne ihre Texte und den optischen Gestus der Bands könnten sie auch andere tribes der Jugendkultur betreffen.
Die andere These lautet: Die Bearbeitung des musikalischen Materials selber, das Verständnis von Musik und ihre Praxis, sind direkter Ausdruck der rechtsextremen Kultur und in gewisser Weise verständlich auch ohne die mehr oder weniger justiziablen oder tabubrechenden Texte. Die Behauptung Diedrich Diedrichsens, rechtsextreme Bands seien zuallererst an ihren "schlechten Schlagzeugern" zu erkennen, gehört in diesen Zusammenhang. Die Wahrheit wird wohl am ehesten in einem Austausch beider Elemente zu finden sein. Und dieser Widerspruch ergibt sich überdies sowohl aus der Geschichte der Szene und ihrer Musik, als auch aus der Offenheit eines Teils der Idiome vom Nazi-Skin zum S.H.A.R.P. hin oder in den Pop-Mainstream hinein.
Die musikalischen Genres der rechtsextremen Szene scheinen auf den ersten Blick bis zur Inkommensurabilität ausdifferenziert - von der rauschhaften Einpeitschmusik bis zur zynischen Rhetorik des rechtsradikalen Liedermachers. In zweifacher Hinsicht geht es darum, das Ghetto zu verlassen: zum einen, indem sich Bands "läutern" und in den Mainstream aufnehmen lassen, zum anderen, durch die Verknüpfung musikalischer Idiome wie zum Beispiel bei den Zillertaler Türkenjägern: Volkstümliche Musik und Skin-Musik ergänzen einander nicht nur wie Regression und Aggression, sondern ähneln sich überraschend in den musikalischen Strukturen. Das eine wirkt manchmal nur wie die Beschleunigung des anderen, dieses umgekehrt wie die Sentimentalisierung des ersten. Die scheinbaren Null-Botschaften der volkstümlichen Musik - die das völkische Wir-Gefühl ohne direkt erkennbaren rhetorischen Inhalt anbieten - liefern dabei ebenso begriffliche wie musikalische Codes; die Kompositionsschemata sind in beiden Idiomen vollkommen austauschbar.
Die Musik der OI-Skins ist schon von vornherein reduziert: ein oder zwei E-Gitarren, Bass und Schlagzeug, Intro, Vers und Refrain. Man bleibt in aller Regel beim Drei-Akkord-Schema. Es gibt keine Elemente der Improvisation und "Abschweifung", niemals einen selbstironischen Bruch, keine "zweite Ebene" und keine "Zwischenschläge" auf dem Schlagzeug. Selbst instrumentale Zwischenstücke sind selten, wenn sie nicht Wiederholungen der Grundmelodie sind, wie das auch in der volkstümlichen Musik der Fall zu sein pflegt. Text und Musik sollen also eine reine, symbiotische Einheit bilden. Die Musik verhält sich weder dialogisch zum Text noch rein transportierend. Die Instrumente sind vor allem auf den Gleichklang ausgerichtet, keiner der Musiker darf, wie man das im Rock genannt hat, einen "Ausflug" unternehmen. Die Band ist eine gruppenpsychologisch, ideologisch und eben auch musikalisch bestimmte "eherne" Einheit, in der es keinen Platz für Individualität gibt. Gitarren-Soli, wie es sie etwa bei Hässlich gibt, sind eher kleine Exerzitien, auf geradezu lächerliche Weise "ordentlich". Zitate werden nur selten verwendet, meist tautologisch (Carpe Diem benutzt ein markiges Filmzitat aus der mittelalterlichen Legende Braveheart als Intro von Frei geboren). Entscheidend ist eine geschlossene Form, das Vermeiden von Collage und Offenheit. Es entsteht ein akustischer Raum, der die Zuhörer, Mitklatscher, Mitsinger und Pogo-Tänzer vollständig umhüllt, und in dem es in gewisser Weise nur das Zwingende gibt.
Mit der Vorherrschaft des Textes oder zumindest der Stimme ist der Sänger eine eindeutige Führergestalt; seiner Absicht ordnet sich alles unter, gleichzeitig darf er seinerseits nur wieder Ausdruck des Ganzen sein, kein biografischer "Erzähler" und auch keine musikalische Persönlichkeit. Aus dem "Response" der Pop-Tradition ist so etwas wie Befehlsgebrüll und Antwort geworden. Jedes musikalische Signal ist Programm und wird auch als solches empfunden.
Wenn es überhaupt Ansätze zur Musikalität in der Performance der Nazi-Bands gibt, so müssen sich diese an den grausen lyrics brechen. Die Texte der Skin-Bands sind, von den Gewaltphantasien und der larmoyanten Beschreibung der eigenen Außenseiter-Situation abgesehen, gereimte Formen der klassischen rechten Spießer-Phantasien. Dabei tendieren sie zu unangemessenen Worthülsen, einer Prätention, der die Musik nicht entspricht. Die unmusikalischen Texte wiederum müssen auf die Musik zurückwirken - statt wie in anderen Pop-Idiomen komplexer zu werden, bricht sie sich an der Rhetorik. Einen Text wie Die Retter Deutschlands, das sind wir / Für mein Heimatland kämpf´ ich wie ein wildes Tier / mit neuem Blut und Ehre, all unserm Stolz / denn wir sind hart wie deutsches Eichenholz / (Radikahl) kann man nur mit brachialer Gewalt in so etwas wie eine Melodie und gar einen Rhythmus übersetzen.
Diese Beziehung von Text und Musik übt Druck auf die Entwicklung der Glatzen- zur Scheitelmusik aus. Rechtsrock, darin noch einmal der Ästhetik im historischen Faschismus verwandt, vereinigt in sich Widersprüchlichkeit und Vereinfachung. Dabei kann weder das eine noch das andere zu sich kommen, beidem wird das fundamentale Verbot entgegengehalten: die Widersprüchlichkeit darf sich nicht entwickeln, und die Vereinfachung nicht zum Ursprung führen.
Auf der Ebene der Texte unterscheiden sich wiederum die Glatzen-OI und der rechte Liedermacher kaum - es ist immer die verschrobene Situation, sich selbst, den Skin und seine Nation, in den Augen der anderen minderwertig erscheinen zu lassen, dann die Blickrichtung zu wechseln und "die welsche Kultur" (Sturmtrupp) als das eigentlich Minderwertige zu beschreiben, von dem man das Heimatland eliminatorisch zu befreien habe. Diese Beziehung zwischen narzisstischer Kränkung und ungezügelter Aggression vermittelt die Nazi-Musik in ihrer Verbindung von metallischer Musik und Männerstimme: das Metallische "transformiert" den gekränkten Narziss in die Angriffsmaschine.
Zweifellos gibt es in den reinen Skin-Musikgruppen - eine weitere Erbschaft des Punk - immer noch die Versuche, den Ursprung, die Angst, die Verzweiflung mit der Aggression auszudrücken, in die er überführt worden ist. Doch solche "Glatzenparty"-Musik, in der die Szene vielleicht für eine kurze Zeit aus dem Blick des "großen anderen", aus ihrer eigenen Instrumentalisierung verschwinden möchte, tritt, wie es scheint, immer mehr in den Hintergrund.
Neben der Linie zwischen Glatzen-Musik und Scheitel-Musik entwickelt sich so etwas wie das Idiom eines Crossover: Diese Crossover-Musik muss wiederum von zwei Seiten definiert werden, als eine Musik aus der rechten Szene, die die Fans abholen soll, indem alles vermieden wird, was eine eindeutige Identifikation mit dem Rechtsterrorismus ermöglicht, und eine Musik, die mit Symbolen und Aussagen der Rechten zu "spielen" gelernt hat, um aus dem Mainstream heraus einen "zwiespältigen" Appeal zu vermitteln.
Das gegenseitige Funktionalisieren drückt sich in der Musik aus - manche Scheitel glauben, sie könnten die Glatzen als tumbes Werkzeug verwenden, so wie gewisse Mainstream-Bands und Musiker glauben, den eigenen Flirt mit der Ästhetik und Rhetorik der Rechten kontrollieren zu können. Die Signale aus der rechten Szene an den Mainstream werden durchaus beantwortet, und dieser "Dialog" wird unwidersprochen auch in der anderen Richtung geführt. Die Zillertaler Türkenjäger grüßen auf ihrer CD ausdrücklich Rammstein.
Auf lange Sicht vielleicht bedeutender aber ist das Crossover zwischen nationalsozialistischer Rock-Musik am Rande und nationaler Volksmusik in der Mitte. So ist der Skinsong als Schunkellied wie bei Störkraft: Unter Froinden ja, da gibt´s festen Halt, / unter Froinden, nein, da wird man niemals alt. / Bedrückende Stunden, die gibt es bei uns wohl, / doch da hilft unser Freund, der Alkohol, / nur die verschärfte Version eines volkstümlichen Trinkliedes. Kinder des Nordens von Carpe Diem, die Geschichte des treuen und freien Volkes, das von den fremden verraten wurde, natürlich, ist ganz dem Idiom der volkstümlichen Musik entnommen, endet dann allerdings mit den "Maschinengewehr-Gitarren" über dem Melotron, mit der Anrufung von "Odin", der das nordische Volk "aus der Knechtschaft befreien" soll. Die bombastische Version des volkstümlichen Kitsches, komplett mit Hintergrundchor und mit einem kleinen Einschlag von goth, übernimmt etwa Mein Name ist Deutschland von Kraftschlag ("Ich liege im Sterben"). Auch die Musik auf dieser CD macht modellhaft die emotionale Spaltung des deutschen Faschisten in die abstrakte Sentimentalität und die konkrete Brutalität (Antifa) klar. Unter der maschinellen Instrumentierung kommt sehr schnell das sentimentale Volkslied, das dem "Wir" gewidmet ist, der Wärme des Innenraums und der fast immer auf den Männerbund beschränkten Freundschaft, und das an den Feind gerichtete Marsch- und Kampflied wieder hervor.
Nicht alle Nazi-Rockgruppen sind beim Projekt der Rückverwandlung des "neuen" Idioms in die alte faschistische Musik so weit fortgeschritten. Aber auch darin zeigt sich, dass der Begriff der Subkultur kaum anzuwenden ist. Ein eigenes Idiom ist daraus nicht entstanden, wohl aber eine bestimmte Weise, mit dem ästhetischen Material umzugehen. "Rock" verhält sich in diesem Idiom als technische Verstärkung, als Maschinisierung und gelegentlich auch als Maskierung.
In zweiter Linie ist diese Musik ein Medium der Inszenierung von Männlichkeit; sie inszeniert sich als Ich und als Wir und in der Abwehr durch die "ironische" Identifikation mit gefürchteten Anderen, dem bösen, formlosen, weibischen "Ausländer". Gleichgültig also, welches Idiom verwendet wird, es geht zunächst immer um die Produktion von "Härte". So wird die sexuelle Paranoia in der Inszenierung und in der Musik zum Passepartout zwischen dem "unpolitischen" und dem "politischen" Aspekt der Szene. Die akustische und visuelle Inszenierung dieser "Härte" saugt die Begrifflichkeit der extremen Rechte gleichsam auf, ohne sich dessen bewusst zu sein, und umgekehrt vermittelt diese Inszenierung beinahe mechanisch die Begriffe.
Wenn es in der Zeitschrift Nation Europa hieß, man müsse die Skins für das "Volksganze" gewinnen und sich dabei "mit den Trends in der Jugendkultur" bekannt machen, beschreibt das nicht nur die Instrumentalisierung der Skins durch die Scheitel, sondern auch eine Absicht des Einbeziehens, die den Einfluss der "Kader" auf die "Szene" nicht allein auf den Inhalt der Texte beschränken würde. Die Musik wird also zum einen als Verführung und Anlass zur Rekrutierung verwendet, während umgekehrt auch andere Idiome wie Death Metal oder Goth sich dem Trend nach rechts von sich aus anschließen und erneut in den Kreislauf der Instrumentalisierung einbezogen werden.
Das Auseinanderbrechen des "Authentischen" und des Ideologischen spiegelt sich wie in den Texten und der Musik auch in den optischen Präsentierungen. Da ist auf der einen Seite die Selbstdarstellung, etwa in der Karikatur als das saufende und kotzende Springerstiefel-Monster bei Endstufe (Glatzenparty). Das zweite Element ist das direkte Zitat der faschistischen Ästhetik, Leni Riefenstahl und Arno Breker, die faschistische Beziehung von Männerkörper und hartem Industriestahl (wie bei Entwarnung: Ich sehe einen Staat), des weiteren immer wieder Embleme und Bilder der Wehrmacht. Auch hier geht es darum, das Maschinelle und das Körperliche miteinander zu verknüpfen.
Der Panzer ist das offenkundig höchst mehrdeutige Lieblingsmotiv. Die Panzerfaust, der Helm, kurz die Verwandlung des Männerkörpers in einen Superphallus wird in der Ikonographie wie in den musikalischen Inszenierungen vorangetrieben. Die Dramaturgie beschreibt so etwas wie eine "Härtung". Keine Melodie verzweigt sich oder löst sich gar auf. Maschinelle Reduktion ist das Ziel auch jedes einzelnen Songs. Das vierte ikonographische System bilden Fantasy-Illustrationen aus einer "nordischen" Vorstellungswelt, auch hier ist der nackte Männerkörper und das phallische Symbol das Ziel der Aussage: In der "mythischen" Idiomatik des rechten Rock übersetzt sich das Maschinelle ins "Natürliche". Auf der visuellen Ebene wird noch einmal die "Krankheitsgeschichte" des Idioms wiederholt: die narzisstische Kränkung nebst der Angst vor dem Formlosen und "Weichen", das Prinzip der "Härtung" und "Maschinisierung", die Furcht vor der eigenen Anarchie und die Sehnsucht nach dem großen Anderen, der Ordnung und dem Führer.
Die Doppelgestalt der White Noise-Musik hat das amerikanische Fanzine Wolf dankenswert klar beschrieben: Musik, heißt es da, ist "grundlegend und notwendig für das Überleben und die Wiederbelebung eines Volkes". Aber zur gleichen Zeit erkennt man die "Rattenfänger"-Funktion der Musik. Was also White Noise-Musik oder Rechtsrock in allen seinen Spielarten ausmacht, das ist diese bewusste Doppelgestalt von Selbstidentifikation und Propaganda: Eine Musik, die sich selbst zugleich "treu" und "fremd" sein muss, die panzert und maschinisiert, bizarrerweise vor allem gegen Musik selber.
Auf diese Weise bricht eine Rechtsrock-Band nicht auseinander, wenn allzu offenkundig wird, dass ihr subkultureller Anspruch nichts anderes als eine Pose ist. Die Musik versteht sich selbst bereits strategisch, wie etwa auch der Sänger der schwedischen Nazi-Band Swastika, Matti Sundquist, erklärt: "Jede Epoche hat ihre eigenen Strategien für den Kampf, heute ist unsere Waffe die Musik, und unsere weiße Haut ist unsere Uniform". So wird jedes Konzert zur Inszenierung eines Rassenkrieges mit den jeweils vorhandenen musikalischen und modischen Mitteln.
Durch ihre Funktionalisierung hat White Noise-Musik die Falle der Authentizität vermieden, die noch jedem Pop-Idiom droht. Wie immer die Band reagiert, durch Radikalisierung, durch Mainstreaming, durch Stabilität oder durch Verwandlung, sie dient immer, jenseits der "Echtheit", dem politischen Zweck. Umgekehrt indes gibt es für die faschistische Gruppe keine ästhetische Beurteilung mehr, sieht man einmal vom direkten Publikumszuspruch ab. So könnte man wohl annehmen, dass eine Band, die nicht aus reinem Sendungsbewusstsein besteht, um so weiter nach rechts geht, je "schlechter" sie ist, und umso weiter zum Mainstream tendiert, je professioneller sie arbeiten kann. Der Widerspruch zwischen Kalkül, Sendungsbewusstsein, Szene-Verankerung und politischer Führung aber steckt in der Regel tiefer. In der Annäherung von "authentischem" und "gespieltem" Faschismus, von Geste und Pose entwickelt sich dabei ein neues Spiel zwischen Illegalität und Mainstream. Der Weg durch die Szene kann also wie bei Böhse Onkelz in die Karriereplanung einbezogen und nach der Wendung zum Mainstream von der Eindeutigkeit in die Ambivalenz zurückverwandelt werden. Bands, die diesem Weg folgen wollten, oder zumindest ihre Produkt vom Underground in die Legalität rücken wie Commando Pernod, konnten solche Erfolge indes nicht mehr erzielen. Wer nicht "Wandlung" von der einen oder "Ironie" von der anderen (der Mainstream-) Seite anzubieten hatte, sondern bloß leichte Mäßigung, fand wenig Wiederhall.
Dass die Nazi-Musik nie wirklich "schnell" war - in der Regel aufgrund schlichtem musikalischen Unvermögens - und "laut" nur als Attitüde, macht in seinem Zwang zur Reduktion das Crossover wahrscheinlich. Natürlich kann man insbesondere Bands auf dem Hate-Core-Sektor als "schnell" ansehen, aber es ist eine Schnelligkeit mechanischer Beschleunigung, in der es keine musikalische Beweglichkeit mehr gibt. Dabei kommt auch eine Re-Invention des Konzepts Band zum Vorschein. Nur sehr selten geht man über eine Trio- oder Quartett-Besetzung hinaus, die eine vollständige Übersichtlichkeit zu garantieren scheint.
Die Veränderung lässt sich auch auf der zeitlichen Schiene feststellen: Die ursprünglichen Skin-Bands wie Springtoifel, oder auch Endstufe, die zuallererst der eigenen Subkultur zugewandt waren und nur sozusagen am Rande das Faschistische oder Rassistische einfließen ließen, zeigten noch die stärksten Einflüsse von Ska und Punk. Um 1989, als die meisten reinen Nazi-Bands wie Störkraft, Radikahl, Noie Werte oder Freikorps entstanden, war man schon auf den reduzierten Metal, nebst Anklängen an einen skelettierten Punk geraten. In den nächsten Jahren konsolidierte sich sowohl die Szene als auch das Idiom. Mitte der neunziger Jahre verstärkte sich der Einfluss von Black Metal, bis schließlich auch die neue rechte Folk- und Barden-Musik ihren Anteil erobert hatte.
Das Projekt all dieser musikalischen Formen scheint die Selbstreduktion. Diese Schizophrenie ist die Voraussetzung für die Allianz zwischen politischer Organisation und Subkultur des neuen Faschismus im Zeichen der "kulturellen Hegemonie". Das Idiom wird umgeformt, selektioniert, instrumentalisiert und am Ende auf das eigentliche, das "Völkische" zurückgeführt. So ist man in der Lage, neben der "ursprünglichen" Skinhead-Musik - von Max Annas auch "Proll-Metal" genannt, was zunächst ja beileibe nichts böses wäre - in die Szenen anderer musikalischer Dialekte wie Death Metal, Gothic, Industrial oder den Black Metal mit seinen Wikinger-Phantasien einzudringen, ohne dabei "Verrat" zu empfinden.
Die musikalischen Idiome der Kulte des Irrationalen (Satanismus, Odin-Kulte, Fantasy etc.) werden von den White Noise-Bands ebenso übernommen, wie sich umgekehrt Bands des jeweiligen Idioms der rechten Szene nähern. Die Differenzierungen können sich schließlich auch nach der jeweiligen Mode richten. In Norwegen ist Black Metal (vielleicht vorschnell) als bevorzugtes Genre der extremen Rechten identifiziert worden, in Großbritannien entdeckt die neu-rechte Szene den Neo-Folk, in den USA wird das Hate-Core-Idiom bevorzugtes Ziel der Rechtsrock-Bewegung. Zieht man eine Linie bei den Wanderungen der neofaschistischen Dominanz in den einzelnen musikalischen Idiomen, so ergibt sich eine einigermaßen eindeutige Strategie der "Verbürgerlichung", der Rhetorisierung und der Distanz zum Subkulturellen. Die politische Aussage dominiert schließlich noch die Körper-Inszenierung.
Diese Verlagerung, die in Deutschland offenkundig erst am Anfang steht, hat gewiss nicht allein mit den Spannungen in der Subkultur zu tun, sondern auch mit dem mittlerweile enormen Geschäft, das mit rechtsextremer Musik gemacht werden kann und mit den Doppelstrategien der Rechten zwischen Straßengewalt und bürgerlicher Mitte. Nachdem in einigen europäischen Ländern die Bedeutung der Konzerte als direkte Anlässe für Gewalt ebenso wie als Rekrutierungsbörse durch behördliche und polizeiliche Eingriffe zurückgegangen ist, hat sich der Vertrieb von CDs und anderen Tonträgern gesteigert. Musik, die auf diese Weise ihre Abnehmer findet, kann ruhiger und, nun ja, "individueller" sein. Das Idiom ist überdies "unverdächtiger", das nicht so direkt an ein bestimmtes Auftreten und medial verbreitete Images gebunden ist wie die Skinhead-Musik.
Immer ist dabei auch Strategie im Spiel: Eine tendenzielle "Abnabelung" des Rechtsrock von der Skinhead-Szene wird von der steigenden Relevanz der Tonträger begleitet, während die Zunahme von Konzertverboten zu flexibleren und einfacher zu organisierenden "Balladenabenden" führt. Diese absurde Form des "unplugged" Rechtsrock trägt indes ihrerseits bei zu einer Entfernung von den subkulturellen Wurzeln, zu noch weniger Musik und noch mehr Propaganda.
Black Metal, auf den ersten Blick das semiotisches Gegenteil zur Skin-Kultur (lange Haare, Schminke, Introspektion und akustische Sättigung, die sich nicht mehr als Lautstärke allein verstehen lässt) gibt dem faschistischen musikalischen Diskurs das Theatralische zurück; und so wie die Musik in diesem Idiom nicht mehr den Widerspruch zwischen Körper und Maschine in den akustisch vorweggenommenen Akten der Gewalt gegen den sozial identifizierten Anderen auflöst, sondern eine Art des inneren Sturms entfacht, so ist nun auch die Form des Hasses sozusagen spirituell geleitet, im Namen eines satanischen oder heidnischen Kultes gegen das "Jüdisch-Christliche".
Die Auflösung der faschistischen Musik von der Skinhead-Musik in die "gepflegte" Rhetorik des rechtsextremen Folk-Barden einerseits und in die obskuren Szenen von Dark und Death Metal andererseits hat natürlich auch einen Aspekt der Selbst-Identifizierung der extremen Rechten. Der faschistische Barde sieht sich zumindest in semiotischer Form bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen, er definiert sich nicht mehr, wie der Skin-Musiker, als Opfer oder Außenseiter. Im Death Metal dagegen wird ein neues Außenseiterum beschworen, das sich, wiederum im Gegensatz zu den Skins, seinerseits als "eingeweiht" und elitär empfinden kann. Der Rassismus der Szene ("Black Metal for White People") definiert sich auch nicht mehr als Abwehr einer Gefahr, sondern als sadistischer Größenwahn einer sich selbst gar als "intellektuell" verstehenden nationalsozialistischen Avantgarde. Daher kann diese Musik, im Gegensatz zum extrem reduzierten "Proll-Metal", auch wieder "architektonisch" sein; sie ist nicht so sehr faschistische Kampfansage als vielmehr musikalische Vorwegnahme faschistischer Innenwelten. Wenn die Skin-Musik am Ende wieder beim faschistischen Volks- und Marschlied angekommen ist, dann kommt Death Metal, trotz oder auch in seine provozierenden Gestik, früher oder später bei reduziertem Wagner-Kitsch an.
Um die faschistischen Black Metal-Szenen bilden sich eigene Netzwerke wie die Pagan Front, die wiederum Beziehungen zur organisierten Rechten aufbauen. Wenn die Nazi-Skins so etwas wie die SA des Neofaschismus sind, dann tendieren die Anhänger der faschistischen Black Metal-Gruppen (es gibt auch andere) dazu, sich mit einer esoterischen ("Nietzscheanischen") SS-Elite zu identifizieren. Dementsprechend bleiben die Beziehungen zur organisierten Rechten eher locker. Hier scheint durchaus noch nicht verhandelt, wer wen benutzt.
Black Metal ist nicht die Musik des Rekrutierens, nicht die Musik eines Versprechens von Solidarität und "Froindschaft" in der Szene, sondern die Rückgewinnung der Differenz von rechts. Wenn sich das "growling" mit wagnerianischen Orchester-Einsätzen trifft, das "dämonische" Outfit, wie man es von den alten mehr oder weniger "unpolitischen" Provokateuren des Genres kennt, mit den "odinistischen" Wikinger-Zeichen zusammenkommt (wie bei der norwegischen Band Bathory, die auch von deutschen Gruppen imitiert werden), wird auch hier ein Weg zurück, vom neuen zum alten, unternommen. Wie bei den Skin-Bands so ist auch bei der Black Metal-Szene die Grenze zwischen den offen faschistischen und rassistischen und den unpolitischen Gruppen und Events offen.
Das neue Geflecht der faschistischen Musik, gebildet aus Skinhead-Musik, Black Metal, Folk- und Barden-Musik sowie Hate-Core deckt nun ziemlich genau das Spektrum der faschistischen Ästhetik ab, die die Macht der Straße ebenso wie die nihilistische und die strategisch-bürokratische Elite repräsentiert. So kann sich die faschistische Organisation auch mit einer Musik versöhnen, die man vor noch nicht allzu langer Zeit als "Niggermusik" angesehen hat (und die heute einen Großteil der Einnahmen der rechten Organisationen ausmacht). Die Scheitel in den politischen Organisationen werden denn auch nicht müde, sich inhaltlich mit der Skinhead-Musik zu identifizieren und eine milde Distanzierung von der Form vorzunehmen.
Die Bands selber sehen sich in drei Perspektiven: in der ihrer Szene, in der der unwohlmeinenden Öffentlichkeit des "undeutschen" Mainstreams und in der Perspektive des großen anderen, des "Vaters", des Führers in der politischen Organisation der Rechten. Texte und Musik richten sich nach dieser dreifachen Identifizierung: die Kampfansage an den (virtuellen) Mainstream, der Identität und Fun stiftende Aspekt für die Szene und die "Ergebenheit" an den großen anderen, die Rückbindung an die Väter des historischen Faschismus. Zwischen den drei Idiomen flottieren nicht nur beinahe identische Text-Module, sondern auch Zeichen, allerlei zwischen "Sonnenkranz" und Hakenkreuz.
Das gothische Emblem, das der Wikinger und der Landser, die Zitierung des soldatischen Mensch-Maschine und die Selbstdarstellung des Skins als unkontrolliertes Triebwesen finden sich als semiotisches System ebenso am Körper als auch in einzelnen Songs. Das bevorzugte musikalische Idiom deutscher Nazi-Bands, die Überführung von Rock in Marschlied, beschreibt selbst schon die Auflösung der Punk- und Ska-orientierten "originalen" Skin-Musik ins Barden-hafte oder in die Black Metal-Version, bei der das "growling" zu einem halbwegs verständlichen politischen Sermon wird, und die "double drumbeats" sich dem alten Trommelwirbel anpassen.
Freilich mag der Black Metal und der Wikinger-Mythos auch so etwas wie einen Ausweg aus dem Widerspruch zwischen der Glatze und dem Scheitel in der neofaschistischen Bewegung zu suggerieren, eine Figur, auf die sich beide beziehen können, der "Schläger" und der "Planer", der allseitig gewalttätige Maschinenkörper und der Stratege. Auf dem Deutschland-Sampler von Blood Honour finden sich der Wikinger, der normannische Kreuzritter und der vermummte Rechtsterrorist als ikonische Einheit. Mit der Dreifach-Codierung von Skin-Proll-Metal, Fascho-Folk und Black Metal ergänzen sich die Idiome auch zu einer Dreieinheit der faschistischen Repräsentierung in Rhetorik, Praxis und "Transzendenz". Nun kommt es nur noch auf die Verbindung der musikalischen Idiome und ihrer Szenen sowie ihrer "ideologischen Dialekte" an. Kraftschlag besingen "Leif den Wikinger" und "Walhalla", die "Ausländerhure" und den "Racemixer".
Diese eingebaute Schizophrenie des Rechtsrock ist zugleich seine Stärke und seine Schwäche. Musikalisch ist man dabei nämlich zu einem weitgehend parasitären Dasein verdammt, das in der Beziehung zu den Scheiteln (die Wagner und ihre "Barden" immer noch vorziehen) noch eine weitere narzisstische Kränkung zu verarbeiten hat. Das Projekt der Selbstaufhebung in "reiner" faschistischer Propaganda ist in der einen Richtung mehr, in der anderen weniger eingeschrieben. Proll-Metal hebt sich schneller selbst auf als Black Metal. Der Kampf um die Identität ist schon musikalisch verloren, bevor er dem einen oder anderen auch als Person dämmert.
Umgekehrt drückt sich in der Skinhead-Musik aber auch eine "Erlaubnis" aus, selbst im Blick des großen anderen den eigenen Lebensstil, den "anarchischen" Aspekt des Skinhead-Daseins fortzuführen, jedenfalls so lange, bis es zu dem "großen" Kampf kommt, der in den Texten immer wieder beschworen wird, und durch den offensichtlich die endgültige Verwandlung des Skinhead in den "alten" faschistischen Soldatenkörper erreicht wird. Die Verschmelzung des neuen mit dem historischen Faschisten ist der imaginäre Zielpunkt der White Noise-Musik; jeder Song ist ein neuer Ansatz dazu und beinhaltet die Auseinandersetzung des faschistischen Ziels mit der subkulturellen Praxis.
Die Musik richtet den Hass nicht nur auf den Gegner, sie organisiert die Energie auch in einer bestimmten Dramaturgie von Kränkung, Hass, Faschisierung, Erlösung im großen Kampf. Wenn Punk den "Ausbruch" in musikalischen Lärm verwandelte, dann verwandelt White Noise musikalischen Lärm in das Dokument bedingungsloser Unterwerfung. Die sentimentale Beschreibung des Jenseits (des alten Faschismus und seiner Väter, immer wieder Rudolf Heß, für den die meisten Skinhead Bands eine Hymne bereit haben, die völkisch-rassische Walhalla-Mythologie usw.), die rhetorische Verbeugung vor den faschistischen Sprach- und Weltbildern, die entgrenzte und zugleich ideologisierte Praxis von Suff und Gewalt und die Zielrichtung des Hasses werden in dieser Musik, das macht sie weiterhin wertvoll für die Szene, "sortiert". Man kann sich nicht nur von einer rechten Band zur anderen gleichsam in das völkische Innen vorarbeiten, bis man bei einer reinen Begrifflichkeit, einer reinen Rhetorik wie bei den faschistischen "Barden" angelangt ist, auch jedes Konzert, jede CD schafft die Entmischung der drei Zustände und setzt sie in eine neue, "ordentliche" Beziehung zueinander. Was so entsteht, ist auf allen Wahrnehmungsebenen das gleiche: ein vollkommen geschlossenes Welt-Bild.
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