Günter Gaus in der Redaktionssitzung, wenn alle am Freitag Beteiligten versammelt waren, das war für mich ein Fest. Jedes Mal. Er brachte sie mit, die Konzentration des politischen Denkens, die rhetorische Spannung der Rede und die Aura dessen, der weiß, was es heißt, eine Zeitung zu machen.
War er da - und er war immer da, auch als es ihm schon schlecht ging, war klar: Heute wird es in der Diskussion zur Sache gehen. Grundsätzlich, aber ballastfrei. Er packte auf die Fragen keine Prinzipien drauf, er räumte Legitimationsgerede ab. Und doch waren ihm die schleifenden Umschweife politischer Konfliktvermeidung stets eine Pointe wert, einen blitzenden Seitenhieb, der saß. Etwa eingeleitet mit, das setze ich jetzt in Parenthese, hier sage ich mehr, als es der Sache nützt. Zeitdiagnostische Relevanz, journalistisch machbar und auf den Punkt genau, das war es, worum es ihm in den Redaktionssitzungen ging. Mit höchster Dringlichkeit, aus Einsicht in den gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang.
Unvergesslich, wie er wissen ließ, so wie die Verhältnisse stehen - man höre das Hamburger "st" mit - werde ich zunehmend links. Unvergesslich, wie er bereits vor der Jahrtausendwende die fortschreitende Amerikanisierung der Verhältnisse analysierte. Unvergesslich aber auch, dass er spekulative Ausführungen, wenn sie keiner journalistisch verwertbaren Aussage verpflichtet waren, nicht gelten ließ: Frau Treusch-Dieter - kam dann in etwa - das haben Sie schön gesagt, aber wozu? Und dann holte er zu einer perfekten Strukturierung der Problemstellung und ihrer, für den Freitag brauchbaren Aufbereitung aus, dass mich - ich übertreibe nicht - das Glücksgefühl überkam, jetzt, genau jetzt, etwas lernen zu dürfen, denn wann ist das schon der Fall?
Günter Gaus vermittelte, was heute weder in der Medienöffentlichkeit noch in der Politik mehr zu finden ist: Eine ebenso geistvolle wie sachhaltige Rede, die aus seinem absolut sensibilisierten Verhältnis zur Sprache kam, dem kein falscher Ton entging. Es war eine Lust, ihm zuzuhören, es war eine Lust, mit ihm zu streiten, weil es ihm - und mir - in dieser Lust immer um eine rhetorische Wette der treffenden, der ins Schwarze treffenden Formulierung ging. Sie hieß für Günter Gaus, bezogen auf den Freitag, nie etwas anderes, als dies: Was gesagt wurde, wird auch getan. Er ist für den Freitag unersetzlich.
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