Vor seinen Auftritten ist oft ein Sekundenbruchteil des Zögerns zu entdecken, man glaubt, ein tiefes Atemholen zu vernehmen, bevor er sich in die Arena der Öffentlichkeit begibt. Es scheint, als müsse er sich rüsten für die Rolle, die er sich selbst auferlegt hat. Aber sein Mandat ist unwiderruflich: großsprecherisch ein neu erwachtes schwarzes Selbstbewusstsein zu verkörpern. Wie man seine eigene Stimme findet, ist eingangs ein insgeheimes, gleichwohl zentrales Motiv von Michael Manns filmischer Muhammad-Ali-Biografie. Es dauert fast zehn Minuten, bis wir ihn selbst zum ersten Mal sprechen hören.
Die Exposition ist abschweifig, als wolle der Regisseur lauter Hürden aufbauen, um den Zugang zu seinem Protagonisten zu erschweren. Er montiert Momentaufnahmen von Alis Vorbereitung auf den Titelkampf gegen Sonny Liston mit einer ungemein langen Konzert-Sequenz, in der der Soulsänger Sam Cooke sein weibliches Publikum in Verzückung versetzt. Biografische Splitter sind dazwischen geschnitten, eine traumatische Kindheitserinnerung, bei der kleine Ali in einem streng nach Rassen getrennten Bus einen Zeitungsartikel erspäht über einen Lynchmord. Der Film läuft sich gewissermaßen noch warm. Aber auch später, etwa bei Alis Abkehr von Malcolm X (Melvin van Peebles), werden seine Gedanken erst einmal in einem voiceover formuliert, bevor er den Mut hat, sie auszusprechen. Tatsächlich bleibt er lange Zeit eine Figur, die man unterschätzt, allzu widerstandslos begibt er sich in den Einfluss von Malcolm X und unter die Kuratel der "Nation of Islam".
In diesem Zögern verdoppelt sich einerseits natürlich die Skepsis, ob der Hauptdarsteller Will Smith dieser Rolle überhaupt gewachsen ist. Andererseits sät Mann mit dieser umgehenden Problematisierung seines Erzählgegenstandes einen viel versprechenden Zweifel, liefert sich selbst durch diesen unverhofften Zugang fast schon die Legitimation, ein Leben, das so deutlich für sich selbst spricht, auf die Leinwand zu bringen. Eine dringende Notwendigkeit schien ja erst einmal nicht zu bestehen. Immerhin gibt es nicht nur zwei exzellente Dokumentationen, die jeweils Höhepunkte seiner Boxer-Laubahn bis zum Jahr 1974 nachzeichnen (Muhammad Ali, the greatest von William Klein und When we were kings von Leon Gast), sowie eine romancierte Biografie, The Greatest (Ich bin der Größte, 1976), in der Ali selbst die Rolle seines Lebens spielte. Diverse Drehbuchentwürfe kursierten seit gut einem Jahrzehnt in Hollywood. Eines konzentrierte sich auf Alis Beziehung zu seinem Vater, ein weiteres rückte seine Kämpfe gegen Joe Frazier in den Mittelpunkt und mündete in einer religiösen Erweckungsgeschichte. Die üblichen Verdächtigen wie Spike Lee und Oliver Stone interessierten sich für den Stoff. Man kann sich leicht vorstellen, dass sie ebenso wie Mann die "politische" Periode von Alis Boxer-Karriere ins Zentrum gerückt hätten: jenes Jahrzehnt zwischen 1964 und 1974, das eingerahmt wird von seinem Sieg über den Schwergewichts-Weltmeister Sonny Liston und von der triumphalen Rückeroberung des aberkannten Titels im Kampf gegen George Foreman in Kinshasa. Lees und Stones thematische Obsessionen darf man getrost als Grundierung des realisierten Films begreifen; wenngleich als eine alsbald überwundene, denn Mann entwickelt seine eigene sozio-politische Lesart dieses Jahrzehnts, in dem Ali ins Visier des FBI geriet aufgrund seiner Bedeutung für den Kampf der Bürgerrechtsbewegung, seines Übertritts zum Islam und schließlich seiner Weigerung, als Soldat nach Vietnam zu gehen.
Als Chronik einer Boxerkarriere kommt Manns Films deshalb weitgehend ohne die genretypische Konnotationen von Korruption und Sozialdarwinismus aus. Zugleich klammert er prägende, aufschlussreiche Lebensphasen aus: Alis Kindheit, seine Ausbildung und seine spätere Krankheit. Dem genre-eigenen Hang zur sinnhaft aufgeladenen Anekdote und der nachträglich fingierten Folgerichtigkeit entgeht Mann dabei nicht, etwa in jenem (leicht aus der Chronologie der Ereignisse herausfallenden) Augenblick, als er während einer Rede von Malcolm X eine Kausalität suggeriert zwischen dessen militanter Rhetorik und Alis sportlicher Berufung. Das Ausschnitthafte dieser Biografie übersetzt Mann in die Feinschrift seiner Inszenierung. Er zeigt Figuren oder Situationen oft nur im Anschnitt, lässt Gesten und Requisiten eine emblematische Kraft entwickeln, etwa Sonny Listons ausgespucktes und auf dem Ringboden umkippendes Mundstück, das seine Niederlage symbolisiert.
Der Regisseur ist ein Meister der Spiegelung, des dramaturgischen Reflexes. Sein Film würde nicht funktionieren ohne die Gegenwart des Sportkommentators Howard Cosell (Jon Voight), der als vertrauenswürdiger Mittler fungiert zwischen Alis kontroversen Überzeugungen und der amerikanischen Öffentlichkeit. Die Grundkonstellation aller Filme Manns ist die Konfrontation des Individuums mit einer feindseligen Welt. Sie resultiert aus der Begegnung mit dem Unwägbaren (in seinem Horrorfilm The Keep), mit dem Schattenwurf des eigenen Ich (in seinen Thrillern Manhunter und Heat) oder einem System allgegenwärtiger Korruption (in The Insider). Aber gerade auf dem erzählerischen Terrain, auf dem sich Manns Autorenschaft erweist, droht der Film seinen Fokus zu verlieren: im Widerspruch zwischen der öffentlichen und der privaten Person. Hellsichtig setzt Mann Alis Leben unter die Vorzeichen der Inszenierung. Fotografen und Fernsehteams sind im Bildhintergrund allgegenwärtig, Alis "persönlicher" Fotograf und enger Vertrauter Howard Bingham (Jeffrey Wright) spielt eine zentrale Rolle; der Boxer umgibt sich gar mit einem eigenen Hofnarren (Jamie Foxx), der in Reimen spricht und es damit Ali ermöglicht, die eigene Persona einzustudieren. Innenansichten dieser Figur, die beharrlich am eigenen Mythos, der eigenen Bestimmung arbeitet, gewährt er nur in kurzen, flüchtigen Momenten der Unsicherheit. Dieser Zurückhaltung verdankt sich freilich auch der eindringlichste Moment des Films: Bei der Vorbereitung auf den symbolgeladenen Fight im afrikanischen Kinshasa entdeckt Ali Graffitis, die ihn im Kampf gegen die Panzer und Flugzeuge der weißen Unterdrücker zeigen. Er ist fassungslos, als er plötzlich mit der Tragweite seines eigenen Mythos konfrontiert wird.
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