Fluchtplan

Im Kino "Heist - Der letzte Coup" von David Mamet

Unter den vielen falschen Fährten, die das Genre des caper-Films auslegt, ist die Beute vielleicht die irreführendste. Meist bleibt sie abstrakt, gewinnt kaum je verführerische Sinnlichkeit. In früheren Beispielen des Genres geht sie unweigerlich verloren, am Ende des großen Coups steht eine tragikomische Vergeblichkeit. Heute zahlt sich das Verbrechen im Kino zwar viel eher aus - Hollywood mag einem Publikum, das daran gewöhnt ist, seine Bedürfnisse augenblicklich befriedigt zu finden, soviel Pessimismus nicht mehr zumuten -, aber ist es nicht bezeichnend, dass man immer nur die Charakterschwachen, die Unzuverlässigen dabei sieht, wie sie ihren Gewinn auskosten?

Habgier scheint als alleinige Triebfeder in diesem letztlich puritanischen Genre nie wirklich überzeugend, allzu hingebungsvoll schildern die Filme die minutiöse Vorbereitung, das raffinierte Einfädeln der Diebstähle. Caper-Filme schildern die unvergleichliche Befriedigung, die eine gut und professionell ausgeführte Arbeit bereitet, erzählen mithin von lebenslanger Faszination und Hingabe. So mag man auch dem Mythos vom "letzten Coup", den David Mamets neuer Film in seinem deutschen Untertitel führt, nie ganz trauen.

Der alternde Meisterdieb Joe Moore (Gene Hackman) hätte allerdings einen handfesten Grund, sich mit seiner Segelyacht und seiner Frau Fran (Rebecca Pidgeon) endgültig im Süden zur Ruhe zu setzen: Beim Einbruch in ein Juwelengeschäft wurde sein Gesicht von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Der Film gibt sich zwar ersichtliche Mühe, Moores widerwilliges Comeback durch die Winkelzüge seines betrügerischen Hehlers (Danny DeVito) zu motivieren. Aber letztlich kauft man ihm das nicht ab: Der Plan für den Raub einer Goldladung aus der Schweiz ist einfach zu unwiderstehlich.

Dass der Hehler Moore überdies noch seinen nassforschen Neffen (Sam Rockwell) als Partner aufzwingt, bietet Mamet die Gelegenheit, eine der schönsten Konventionen des Genres aufzugreifen: Er spielt zwei Generationen gegeneinander aus, den umsichtigen, erfahrenen Profi (wer sonst würde schon darauf bestehen, die zur Tarnung dienenden Uniformen vier Tage lang auslüften zu lassen, damit sie nicht mehr nach chemischer Reinigung riechen?) gegen den unberechenbaren Heißsporn, und lässt sie den bewährten Widerstreit zwischen Disziplin und Ungeduld austragen. Das entschleunigte Erzähltempo, dessen Rhythmus von Gelassenheit und Unausweichlichkeit vorgegeben wird, zerstreut jeden Zweifel, auf welche Seite sich der Film schlagen wird, zumal er dadurch zum nostalgischen, sentimentalen Kern des Genres findet: der Nachsicht mit der Eitelkeit des Auslaufmodells, das noch einmal über die eigene Hinfälligkeit und die jüngere Konkurrenz triumphieren will.

Bald erhält diese Konkurrenz auch die Vorzeichen einer erotischen Rivalität, wofür sich der Film jedoch erstaunlich wenig interessiert (Fran ist eher Komplizin als femme fatale, und der Nebenbuhler gewinnt nie so viel Charisma, als dass er dem alternden Protagonisten wirklich gefährlich werden könnte). Sie ist schlichtweg eine Variable im Spiel um Loyalität und Vertrauen, bei dem der Verrat, einem ehernen Gesetz zufolge, die Kehrseite des professionellen Zusammenspiels ist.

Das Raffinement der Intrigen spiegelt sich bei Mamet seit seinem Kinodebüt Haus der Spiele (und letzthin in Die unsichtbare Falle) regelmäßig in der eigenen, am Zwielicht des Film noir geschulten, Inszenierung. Sie ist ein systematisch und kokett kalkuliertes Täuschungsmanöver; selbst die Komparsen im Hintergrund sind verdächtig, allzu diszipliniert und unauffällig gehen sie ihres Weges. Mamets Figuren sind Meister der verbalen Maskierung, beredte Illusionenverkäufer. Die Einzeiler, mit denen er sie charakterisiert ("Er ist so cool, beim Schlafengehen zählen die Schafe ihn." und "Sie schafft es sogar, sich aus einem Sonnenbrand herauszureden") knüpfen mit ihrer launigen Präzision an die hartgesottene Romantradition Hammetts und Chandlers an. Sie sind prägnant, und geben doch nichts preis. Ihre tückische Anschaulichkeit steckt voller falscher Fährten und verborgener Wahrheiten. Niemand, am wenigsten Mamet selbst, möchte sich in die Karten blicken lassen.

Diese ostentative Cleverness steckt freilich auch den Radius der emotionalen Beteiligung ab. Der Mamet-erfahrene Zuschauer misstraut jedem Blick und jeder Geste, liest bei sämtlichen Dialogen und Einstellungen schon von vornherein die Anführungszeichen mit. Und selbst wenn die Gegner bei der finalen Schießerei echte Patronen verwenden, hat der Drehbuchautor Mamet immer noch einen Fluchtplan parat.

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