Die Instrumentalisierung der Minderheiten

LGBT Die unerwünschte Umarmung. Wie LGBT im derzeitigen Diskurs zu Image- und Propagandazwecken instrumentalisiert werden.

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Da war es wieder. Dieses Mal verteidigt mich und meine Minderheitenrechte Günther Jauch, der mich und die queere Community verbal gegen Putin und Russland in Stellung bringt. Dass Schwulsein und der im Westen in ganz jüngster Zeit erworbener gesellschaftlicher Umgang damit immer häufiger als Propagandageschütz sowohl nach innen als auch gegen Osten gerichtet wird, finde ich in keiner Weise gut oder zielführend. Im Gegenteil. Ich sehe darin eine große Gefahr.
Auch nehme ich es weder Jauch noch Gauck ab, dass sie sich in irgendeiner Weise für LGBT Minderheitenrechte interessieren, weil sie in einem hellen Moment die Gleichwertigkeit unserer Lebensentwürfe erkannt haben. Sie benutzen mich und die queere Community für unlautere Zwecke, zur Domestizierung, zur Hetze und Kriegstreiberei nämlich.
Generell werden wir in letzter Zeit erstaunlich häufig für irgendwelche anderen Zwecke benutzt. Überwiegend für Imagekampagnen und ganz handfeste Propaganda. Starbucks beispielsweise, ein steuervermeidender Konzern, hübscht mit einem Werbespot, sein Image auf, in dem sich zwei Trannys klischeehaft anzicken. Das ist ja für den Bruchteil einer Sekunde ganz lustig, doch mir persönlich wäre es lieber, Starbucks würde ordentlich Steuern bezahlen und seinen Mitarbeitern auskömmliche Vollzeitverträge und betriebliche Mitbestimmung anbieten.
Der Kaffeekonzern würde so einen weit sinnvolleren Beitrag zum Gemeinwohl leisten als mit der Produktion und Verbreitung von schrillen Werbespots. Denn in gerechten Gesellschaften mit gut ausgebauter Infrastruktur und für alle zugänglicher Bildung ist die Diskriminierung von Minderheiten nachweislich niedrig. Das muss man aber bezahlen, dafür braucht man Steuern und keine trashigen Werbespots.
Und mir wäre es lieb, die queere Community würde nicht wegen jedem grell geschminkten Damenimitator, der durchs Werbefernsehen tänzelt, gleich in Euphorie ausbrechen, das Loblied auf die Toleranz des Westens anstimmen und damit implizit seine Produktionsweise unkritisch bejahen.
Starbucks ist wie alle anderen Konzerne zunächst daran interessiert, Geld zu verdienen. Einsatz für Toleranz und Vielfalt gibt es da höchstens als zweckdienliche und vor allem regional instrumentalisierbare Begleiterscheinung im Kampf um Marktanteile. Oder glaubt wirklich jemand, mit seinem Tranny-Spot würde Starbucks auch seine Filialen in Saudi Arabien bewerben? Das Geld von dort nimmt er dessen ungeachtet natürlich ohne jedes Schamgefühl.
Emanzipation können wir letztlich nur selber herstellen, indem wir uns behaupten und Rechte einfordern. Weltweit solidarisch, laut, gern auch schrill und bunt. Aber wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn andere vorgeben, uns das abnehmen zu wollen, wenn andere für uns in die Auseinandersetzung ziehen wollen.
Wir müssen vorsichtig sein, wenn sich andere schützend vor uns stellen, wenn politische Korrektheit jede Kritik an uns und unseren Lebensstilen verbietet. Wenn wir das nicht durchbrechen, werden wir Teil einer totalitären Domestizierungsmaschinerie, in der Kritik, Unbehagen, Idiosynkrasie nicht mehr geäußert werden dürfen. Das mag sich für den Moment angenehm behaglich anfühlen, ist jedoch das Gegenteil von gut. Auch wenn es vielleicht manchmal weh tut, aber wir brauchen es, dass uns, unsere Kultur und unsere Weise zu sein von anderen komisch, merkwürdig, krank und bedrohlich gefunden wird. Nur dann gibt es Auseinandersetzung und Diskurs, nur dann gibt es die diskursiven Strukturen die es ermöglichen, sich zu behaupten und weiter zu gehen. Wenn die Skepsis gegenüber LGBT aber von einem Redeverbot politischer Korrektheit gehindert wird, sich zu äußern, wird das Pendel irgendwann in die Gegenrichtung ausschlagen. Denn Totalitarismus hält sich nicht lang.
Die Geschichte lehrt ganz unmissverständlich, Freiheit und Recht wird ganz bestimmt nicht von anderen für uns eingesetzt. Kein Gauck, kein Vorstandsvorsitzernder und kein Konzern wird das für uns übernehmen. Diese sind lediglich die Trittbrettfahrer auf dem, was wir für uns schon erreicht haben. Sie alle werden in dem Moment abspringen, in dem ihnen ein auch nur ganz seichter Wind entgegen weht. Und mit all der Deutlichkeit, mit der Gauck sich jetzt für die Rechte der Schwulen in Russland einsetzt, wird er, wenn er es für opportun und mehrheitsfähig hält, uns Rechte verwehren und den Mund verbieten.

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