"Erneuerung" der Erklärung vom 9.11.2020 oder "eine gute Miene bei einem schlechten Spiel"

Eine Prognose: Mögliche Entwicklungen im Kontext der "Erneuerung" des Waffenstillstands vom 09. November 2020 oder einer Situation, die für Moskau als "eine gute Miene bei einem schlechten Spiel"

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Verschiedenen öffentlichen Quellen zufolge waren an der jüngsten Militäroperation Aserbaidschans gegen Berg-Karabach mehrere, mit einer Vielzahl von modernen Angriffswaffen ausgestattete, Zehntausend Militärangehörige beteiligt.

Vom 19. September 2023 bis heute hat die Republik Armenien nicht nur keine militärische Intervention zur Unterstützung von Arzach (Berg-Karabach) im Konflikt durchgeführt, sondern sie hat auch öffentlich erklärt, dass sie dies niemals tun würde. Darüber hinaus hat die Nationalversammlung des Landes keine einzige Dringlichkeitssitzung zu diesem Thema einberufen. Auch die Regierung der Republik Armenien hat bisher keinerlei Absicht bekundet, eine solche Sitzung abzuhalten oder das Kriegsrecht auszurufen. Zumindest offiziell wurden die Einheiten der armenischen Verteidigungsarmee noch nicht in höchste Alarm- bzw. Gefechtsbereitschaft versetzt.

Nachdem Aserbaidschan die Frage von Karabach zu seinen Gunsten entschieden hat – das heißt, durch einen bewaffneten Angriff die nahezu gesamte armenische Bevölkerung aus der Region vertrieben und seinen Willen den örtlichen Behörden weitgehend aufgezwungen hat –, begann Aserbaidschan wahrscheinlich bereits am 21. September 2023 mit der finalen Vorbereitungsphase für die Bodenmilitäroperation „Korridor durch Armenien“.

In naher Zukunft könnte die aserbaidschanische Armee Armenien angreifen und versuchen, durch die armenischen provinzen Wajoz Dsor oder Sjunik nach Nachitschewan vorzudringen. Als Reaktion darauf wird die internationale Gemeinschaft voraussichtlich heftige Kritik an Aserbaidschan üben und wahrscheinlich eine außerordentliche Sitzung des UN-Sicherheitsrates einberufen, um eine Resolution gegen Aserbaidschan zu verabschieden und Forderungen an das Land zu stellen. Trotz all dem wird Russland wahrscheinlich vor Ort intervenieren, indem es einen Teil seiner Truppen von der armenischen Stadt Gjumri nach Südarmenien verlegt und die sofortige Räumung des souveränen armenischen Territoriums durch die aserbaidschanische Seite fordert.

Natürlich würde Aserbaidschan dieser „strengen Forderung“ Russlands nachkommen und seine Truppen aus dem armenischen Territorium abziehen. Die russischen Truppen werden jedoch vor Ort bleiben und weiterhin als Friedenstruppen agieren. In einer solchen Situation wird Moskau den Parteien – Jerewan und Baku - ein aktualisiertes Dokument vom 9. November 2020 vorlegen. Aserbaidschan wird der Unterzeichnung zustimmen, weil es in seinem Interesse liegt, und Armenien wird dasselbe tun, da es keine andere Wahl haben wird.

Auf diese Weise erfüllt Russland die Interessen und Forderungen Bakus, während es gleichzeitig seinen militärpolitischen Einfluss in der Region stärkt. Infolgedessen könnte die gegenwärtige Regierung der Republik Armenien in absehbarer Zeit möglicherweise zum Rücktritt gezwungen werden.

Lassen Sie uns nun an den zweiten und dritten Sätzen des 9. Punktes des Dokuments vom 9. November 2020 erinnern: Die Republik Armenien garantiert die Sicherheit der Verkehrsverbindungen zwischen den westlichen Regionen der Republik Aserbaidschan und der Autonomen Republik Nachitschewan, um die ungehinderte Bewegung von Bürgern, Fahrzeugen und Fracht in beide Richtungen zu organisieren. Die Kontrolle über die Verkehrsverbindungen liegt in der Verantwortung des Grenzdienstes des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands.“

Darüber hinaus wird im letzten Satz desselben Abschnitts 9 festgelegt: „Im Einvernehmen der Parteien wird der Bau einer neuen Infrastruktur erfolgen, die die Autonome Republik Nachitschewan mit den westlichen Regionen Aserbaidschans verbindet.“

In dieser Entwicklungsgeschichte gibt es einen Verlierer, nämlich die armenische Nation. Genau deshalb muss von der armenischen Seite alles unternommen werden, um dies zu verhindern. Jedoch sehe ich persönlich Zweifel, ob die gegenwärtige Regierung der Republik Armenien dazu in der Lage ist.

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