Alltäglicher Rassismus

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Seitdem die Mordtaten der Nazi-Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) aufgedeckt wurden, beginnt dieser Tage wieder eine Debatte, die zuletzt um das Buch Deutschland schafft sich ab des Ex-Bundesbankers Thilo Sarrazin geführt wurde: Wie rassistisch ist Deutschland?

Vor ein paar Tagen hat die Journalistin Cigdem Akyol in der taz einen sehr lesenswerten Artikel veröffentlicht, in der sie aus subjektiver Sicht ihre Erfahrungen mit dem alltäglichen Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft schildert. Sie beschreibt, wie bei rassistischen Beleidigungen in der Öffentlichkeit niemand eingreift, wie sich durch die ewigen Aufrufe zu „mehr Zivilcourage“ nichts ändert, wie sie seit ihrer Jugend im Ruhrgebiet als Mensch zweiter Klasse behandelt wird. Ein Text, der betroffen macht.

Ebenso betroffen machen allerdings auch die Kommentare unter dem Artikel. Es finden sich zwar einige Stimmen, die der Autorin recht geben und von ähnlichen Erfahrungen berichten, aber gut die Hälfte der Leserreaktionen verweist darauf, dass es ja auch Rassismus „auf der anderen Seite“ gäbe und man als „Deutscher“ immer damit rechnen müsste, als „Kartoffel“ beschimpft zu werden. Und das sei schließlich genauso schlimm wie Rassismus gegen Migrantinnen und Migranten. Kommentarspalten von Tageszeitungen sind vielleicht kein besonders repräsentativer Indikator – aber die Bereitschaft, Rassismus in Deutschland zu leugnen oder zu verharmlosen, findet sich ja durchaus nicht nur dort.

P.S.: Wer Zahlen und Fakten zum Rassismus in Deutschland sucht, kann sich übrigens an die jährlich durchgeführten Studien zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ halten, die der Bielefelder Wissenschaftler Wilhelm Heitmeyer seit 2002 herausgibt – oder an eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung von 2010, die Spiegel Online auch als Infografik aufgearbeitet hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Hanning Voigts

journalist – „das unglück muss überall zurückgeschlagen werden“

Avatar